Sonntag, 3. April 2011

Mein Problem mit FATE Aspekten

Ja, reisserische Titel sind Publikumsmagneten. Immer hereinspaziert. Doch auf die Gefahr hin zu enttäuschen, muss ich zunächst meine Freude kundtun.
Zu meiner Begeisterung habe ich erfahren, daß das Malmsturmregelwerk als kostenloser Download zur Verfügung steht. Genauer gesagt, die deutsche Übersetzung von FATE. Das ist zwar nicht das komplette Rollenspiel als PDF Download, aber es erspart mir wohl glücklicherweise den überteuerten Eintritt zur RPC, den ich hätte berappen müssen, nur um in dieses Buch schauen zu können. Für die Möglichkeit will ich mich bedanken.

Seit FATE1 verfolge ich interessiert die Entwicklung dieses Rollenspiels. Bislang hat sich an den grundlegenden Ideen nichts verändert, lediglich die Komplexität hat sich erhöht und man hat ein paar Kanten abgeschliffen. Eine klare Trennung von Aspekten, Taten und Gaben kann ich zwar auch nach der deutschen Überarbeitung nicht erkennen, zumal alles Drei von der Anzahl her limitiert ist und alles durch Schicksalspunkte aktiviert werden kann; und ich kann immer noch nicht sagen, welcher Spielinhalt in welche Kategorie fällt. Aber das bin sicher nur ich.
Auch, daß ich viele der Absatz langen Sätze dreimal lesen muss, um sie zu verstehen, ist sicher mein Fehler. Grundsätzlich halte ich FATE für ein unkompliziertes, effektives Erzählspiel. Allein der Mehrgewinn der Aspekte durch Schicksalspunkte will mir nicht einleuchten und nach drei Versionen des Spieles habe ich den Eindruck, daß man auch aufgehört hat, sich darüber Gedanken zu machen.

Ich habe zwei grundlegende Probleme mit Aspekten und Schicksalspunkten, die es mir schwer machen, damit zu spielen und die nichts mit der dramaorientierten Ausrichtung des Rollenspiels zu tun haben:

1. Aspekt "Greatness mit Ladehemmung"?

Zunächst einmal sollen Aspekte Besonderheiten von Orten oder Charakteren oder Objekten beschreiben. Gibt man eines der rar gesäten und limitierten Schicksalspunkte aus, so kann man diese Aspekte aktivieren, um zusätzliche Effekte zu bewirken. Für mich im Spiel ist das nicht glaubwürdig. Nicht die grundsätzliche Funktionalität, die steht ausser Frage, sondern die Aussage, die Aspekte würden etwas beschreiben. Also die Informationen, die einem Ding zu eigen sind, werden damit festgelegt.
Das tun sie ganz offensichtlich nicht. Eine Objektinformation manifestiert sich in FATE erst, wenn man einen Schicksalspunkt ausgibt. Ein Pilot, der fliegen kann "Wie ein Blatt im Wind" kann dies nur so lange, so lange der Spieler Schicksalspunkte hat und sie dafür ausgibt. Mir sind die Rechtfertigungen dazu alle bekannt, und ja, so ein Aspekt beschreibt, wie sich ein Objekt in Ausnahmesituationen verhält, in dramatischen Situationen, in denen es eine Rolle spielt, in allen unwichtigen Situationen sei die Eigenschaft natürlich auch vorhanden. Nur, was passiert in dem Fall, in dem ich als Spieler der Meinung bin, daß die Eigenschaft eines Objektes eine Rolle spielt (z.b. der größte Raumpilot des Verse zu sein), ich aber keine Schicksalspunkte übrig habe, um dies auszuspielen. In diesem Moment kann ich effektiv nicht mehr die Rolle spielen, die ich mir ausgesucht habe, ich kann es nicht einmal versuchen (wie es bei einer Fertigkeit wäre, auf die man würfeln kann). Besonders deutlich wird es bei Aspekten wie "stark" oder "intelligent" (das sind Zitate aus dem Regelwerk! auch wenn versucht wird, diese Eigenschaften in Diskussionen gerne mal als schlechte Aspekte darzustellen, um sie aus der Debatte heraus zu halten). Das also mein Charakter nur stark ist, wenn es die "dramatische Situation erfordert" und er evt. unter Stress ist, kann ich noch halbwegs in die Vorstellung meines Charakters einbinden, aber nicht mehr, wenn er meiner Meinung nach stark oder intelligent wäre, ich es mir aber nicht leisten kann. Und die Auslegung desSpielcharakters ist das Hoheitsrecht des Spielers! Äquivalent gilt dies auch für alle anderen Aspekte, z.B. beim Aktivieren von Aspekten einen Ortes oder Objektes. "Die Uhr, die niemals falsch läuft" zeigt somit auch nur in den wichtigen Situationen des Abenteuers die richtige Uhrzeit an, aber eben nicht in allen wichtigen Situtionen, denn das entscheiden die Schicksalspunkte. Das Auffrischen der Schicksalspunkte ist möglich, unterliegt aber schlussendlich der Willkür des Spielleiters (dazu mehr unter Punkt 2) und nicht der Kontrolle des Spielers, der den Charakter darstellen möchte.
Lediglich das negative Aktivieren von Aspekten, das negative Effekte für einen Mitspieler bewirkt und dabei Schicksalspunkte generiert, ist unbegrenzt möglich. Das heisst, immer wenn eine Eigenschaft negative Auswirkungen haben könnte, ist es auch möglich, sich darauf zu berufen. Warum man an dieser Stelle vom dramatischen zum beschreibenden Ansatz zurückkehrte, ist mir nicht klar, d.h. es ist mir schon klar. Gäbe es eine spielbare, faire Möglichkeit, positive Aktivierungen beliebig häufig zu ermöglichen, wäre man den Weg wohl konsistent gegangen. Mir ist lediglich nicht klar, warum man aufgehört hat, nach einer besseren Umsetzung zu suchen.


2. Aspekt "Kreativität auf Sparflamme"?

Eine zweite, wichtige Eigenschaft bei der Ausgabe von Schicksalspunkten ist es, Fakten über das Abenteuer auch als Spieler "behaupten" zu können, um so das Spiel spannender zu gestalten oder sich das Abenteuer zu erleichtern. Um dieses Konstrukt aus Schicksalspunktegewinn und Fakten schaffen überhaupt funktionierend in Gang zu bringen, dient ein grundsätzliches Vetorecht des Spielleiters als Schutzmechanismus vor Ausnutzung durch die Spieler. In kurz gefasst: Erlaubt ist, was den Spielspass erhöht. Die Spieler haben lediglich ein Recht auf "Beteiligung an der Beurteilung der Situation", aber keine Entscheidungsgewalt. Das klingt alles wunderbar reglementiert, nur, dies schränkt die kreative Gestaltungsfreiheit der Spielrunde ein.
Die Regeln verwenden auch in der aktuellen Version immensen Textaufwand damit zu erläutern, wie die Verhandlungen zwischen Spielleiter und Spielern am spielspassfördernsten geführt werden sollten. Das es also eher schlecht ist, wenn ein Spieler sein Erzählrecht zu seinem unfairen Vorteil ausnutzt und das es eher gut ist, wenn der Spielleiter sich ein wenig großzügiger gibt. Nur mit den Regeln hat all das nichts zu tun. Im Gegenteil. Diese Erläuterungen für ein gepflegtes Miteinander sind eine Notwendigkeit, die sich aus den Regeln ergeben, die aus sich heraus aus offensichtlichen Gründen (der Mensch ist ein Ich-Tier) nicht funktionieren. Nur, wenn sich jeder an die vorgeschlagenen Höflichkeiten des Miteinander bei seinen Spielvorschlägen hält, wozu brauche ich dann eine Ressourcenbeschränkung für diese Spielvorschläge? Der Schutzmechanismus macht die Regeln, die er schützen soll damit unnötig und können auch komplett durch die Regel "Seid nett zueinander und bereichert euer Spiel" ersetzt werden.


In meinen Runden gibt es jedenfalls keine zahlenmäßige Beschränkung für Spielinhalte, die meine Mitspieler vorschlagen können. Wenn ein Spieler mir glaubhaft klar macht, daß sein "alternder New Yorker Vet Cop", bei dem (rein zufälligen) Banküberall wohl seine Waffe dabei haben wird, weil niemand in der Runde, inklusive Spielleiter, daran gedacht hat, das festzulegen, dann benötigt er keinen Schicksalspunkt, um mich davon zu überzeugen.
Also, was passiert, wenn ein Spieler eine gute Idee hat, er aber keine Schicksalspunkte mehr übrig hat, muss man dies als Spielleiter dann ablehnen? Und wenn nicht, weil es einfach eine gute Idee ist und sie den Spielspass nicht untergräbt, wozu die Schicksalspunkte? Wenn ein Spieler den "weisen Mann vom Berg" spielen will, warum wirkt das dann nicht in allen dramatischen Situationen, sondern nur in solchen, die mit Schicksalspunkten gefüttert werden? Ist das dann nicht mindestens eine dramatische Situation weniger im Spiel? Und schlussendlich, glauben die Autoren wirklich, durch erhobene Zeigefinger im sozialen Miteinander die endlosen Rechthabediskussionen über Spielinhalte während des Spiels zu verhindern? Die Regeln verändern keine Spieler und nette Menschen brauche diese Hinweise nicht.

Mir ist die Intention der Aspekte durchaus bewusst, im Fokus des Spieles steht das gemeinsame Ausschmücken eines Abenteuers mit dramatischen Situationen und nicht die konsistente Darstellung von Orten, Charkteren und Objekten. Mit anderen Worten: Man möchte einen Film oder ein Buch erspíelen. Man möchte ein Regisseursteam sein. Das ist alles schön und gut, ich kenne die Funktionen, ich weiss auch, wie man im dramatischen Sinne mit dem Aspekt "stark" umgeht, das kann ich alles nachvollziehen. Mir ist auch die Intention hinter der Limitierung der Schicksalspunkte bewusst, Ressourcenmanagement macht eine Menge Spass, da es zu Entscheidungen führt; aber es gibt so viele Möglichkeiten das im Rollenspiel umzusetzen, das sich mir die Intention hinter der Einschränkung sowohl der Gestaltungsfreiheit der Runde, als auch der konsistenten Umsetzung von Objekteigenschaften (zwei Grundpfeiler des Rollenspiels!) nicht erschliesst. Warum gibt man sich damit zufrieden? All diese Regeln verkomplizieren das Rollenspielen für mich auf unnötige Weise und das widerspricht doch eigentlich dem Ziel von FATE, einen möglichst flüssigen Ablauf zu gewährleisten.
Ich vermute, daß man durch das Ressourcenmanagement die daraus entstehenden, spannenden Entscheidungen, die man als Mitspieler trifft, durch die Aspekte auf die erspielte Geschichte beziehen soll und nicht mehr auf Spielweltzusammenhänge. Und dies geschieht, ganz bewusst, auf Kosten der gestalterischen Freiheit (denn Not macht erfinderisch oder so ähnlich), wobei viele Spieler diese Diskrepanz tatäschlich nicht zu sehen scheinen. Jedenfalls schaffen die Regeln das auch sehr gut, aber vermutlich wird dieser seltsame Anspruch an den Spielstil für mich immer ein Rätsel bleiben.

Ich möchte einen Vorschlag für eine Alternativregel machen, die Glaubwürdigkeit und Dramatik zulässt:
Man kann einen Aspekt so oft auf positive Weise benutzen, wie man möchte, aber die Spielrunde hat immer ein Vetorecht!

Habt ihr Anmerkungen, Ratschläge oder Vorschläge, um Aspekte und Schicksalspunkte verständlicher zu machen? Dann nutzt doch die Kommentare oder den dazugehörigen Diskussionsfaden bei RSP-Blogs.de

3 Kommentare:

  1. Kann man auch direkt sagen: Mach was Du willst, Hauptsache es ist abgesprochen bzw. keiner legt ein Veto ein. Dann brauche ich auch keine Aspekte mehr - und auch sonst scheinen Regeln dann überflüssig. Erzählrollenspiel? Eine Regel, die keine ist.

    Ich habe es mir angesehen. Meine Meinung: Sperrig, klobig und kompliziert.

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  2. Schau der mal die Eigenschaften in den 1w6 Flyerbüchern an. Das sind effektiv Aspekte, nur dass sie einen Bonus geben, wann immer sie passen:

    http://1w6.org/deutsch/regeln/downloads/flyerbuecher

    Durch die klare Unterscheidung zwischen Fertigkeiten und Eigenschaften (in den gekürzen Flyer-Regeln noch stärker als in den normalen Regeln) klappt das sehr gut: Eigenschaften unterstützen Fertigkeiten. Auf Fertigkeiten wird gewürfelt.

    PS: 1w6 ist stark von Fudge inspiriert - das ist einer der Punkte, an denen man das deutlich merkt :)

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  3. @Anonym:
    Tatsächlich kann man es so sehr zusammenfassen. Die einfache Erklärung habe ich die letzten Jahre benutzt und leider funktioniert sie auch nicht so gut, wie man annehmen könnte.

    @Drak: Ja, genau so könnte man die Eigenschaften z.B. umsetzen, ohne der Charakterdarstellung im Weg zu stehen. Das finde ich gut.

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