Mittwoch, 28. September 2011

RatCon 00/11 - Aventurischer Alltag

Ich habe mir die DSA-Diskussionsrunde der "Names and NoNames" auf der RatCon über das Thema "Alltagsleben oder Abenteuer - Wie viel Detail braucht Das Schwarze Auge?" zu Gemüte geführt. Da es doch einer der allgemeinen Hauptkritikpunkte an Aventurien ist, versprach das interessant zu werden. Ich kann nicht deren Aufgabe übernehmen und ein Protokoll anfertigen, das zu einer gewillten Aufarbeitung nötig wäre, daher eine paar rausgegriffene, kommentierte Punkte, die mir aufgefallen sind.
Wie zu erwarten war, gehen die Meinungen zum Thema Detailgrad weit auseinander. Bemerkenswert, aber nicht überraschend, ist, daß die ältere Riege einen eher moderaten Detailgrad bevorzugt, während die junge Generation scheinbar vollständig in der künstlichen Welt aufgegangen ist.

Doch schnell hat sich herausgestellt, daß es gar nicht darum ging, wieviel Detail Aventurien "braucht", sondern wie die persönliche Meinung jedes einzelnen zu dem Thema ist, was natürlich zu keinem nennenswerten Erkenntnisgewinn und schon gar nicht zu Konsequenzen führen wird. Langweilig.

Interessant war aber, daß "Aventuriendetail" mal wieder damit gleichgesetzt wurde, wieviel Detail in die offiziellen Quellenbücher gehören soll. Das man eine Spielwelt wie Aventurien auch mit geringerer Anzahl weniger detaillierter Quellenbücher nichtsdestotrotz mit vielen Details versehen kann, indem man sie selber gestaltet, wie in so vielen anderen Druckrollenspielen auch, das wurde gar nicht zum Thema gemacht. Munter wurde hier "Detailliertheit" mit "Das kann ich Nachlesen" in einem Satz hin und her jongliert.
Man merkt eben doch, daß der RatCon eine große DSA Werbeplattform ist.

So wurde gesagt, es sei ein Problem, wenn man zum Beispiel die Edelsteine eines Kristallomanten benennen müsse, es aber nichts gäbe, wo man sie nachlesen könne. Ja, wo ist denn hier bitte das Detailproblem? Wieso nachlesen? Ist das Problem nun, das nicht Vorhandensein der Details, dann macht man sie eben selbst - "Feldspat, Quarz und Glimmer, die drei vergess' ich nimmer" Und fertig ist der Kristallomant - oder wird hier nicht vielmehr das Fehlen einer Verlagsantwort nach vorne gerückt?

Es ging eben nur darum: Wieviele OFFIZIELLE Details braucht Aventurien und welchen Vorteil haben offizielle Details gegenüber eigener Kreativität. Es ging also ausschliesslich um die gedruckten Details! Wieviel Details denn Aventurien nun in einer Spielrunde braucht, das war nicht wirklich Gegenstand des Gesprächs.

Ich nenne die offiziellen Details mal Verlagsdetails.
Und da kam man dann zu diversen Vorteilen von Verlagsdetails, als da wären:

- Verlagsdetails sind wichtig für Wiederholungen und Konsistenz. Das ist naheliegend. Wer sich allein auf sein Gedächtnis stützt, dem können schonmal eigens erstellte Details abhanden kommen, so daß die Frage eines Spielers im ungünstigsten Fall zweimal unterschiedlich beantwortet wird. Das nagt an der Glaubwürdigkeit der Spielwelt. Dies war das Argument. Nun frage ich mich: Wer spielt denn so? Wenn ich mir eigene Details selber notiere, welchen Vorteil hat demgegenüber dann das Quellenbuch noch beim Erinnern?

- Recherche wird begrenzt. Je höher die Ansprüche an eine glaubwürdige Spielwelt sind, desto aufwändiger wird die Recherche der Inhalte. Verlagsdetails haben hier den Vorteil, diese Recherchearbeit abzunehmen. Das klingt einleuchtend. Jedoch frage ich mich: Wenn ich abertausende Seiten durchforsten muss, im schlimmsten Fall als Neuling - in der Diskussion wurde von Neulingen 8-9 Tage abverlangt! - worin unterscheidet sich dann der Aufwand zu einer Wikipediarecherche für eine eigene Spielwelt, über deren Niveau Rollenspieldetails ohnehin nicht hinausgehen müssen? Zudem drängt sich die Frage auf: Reden wir nicht über Aventuriendetails? Inwiefern ist fertige Recherche ein Vorteil von Details? Das ist doch nur ein Vorteil von Quellenbüchern! Ach ja, um die ging es ja eigentlich.
Ausserdem frage ich, welchen Wert hat die Vorarbeit der Verlagsdetails, wenn hier eine in der Diskussion erwähnte Botanik durch Autoren Glaubwürdigkeit abverlangt wird, aber zum Beispiel die Geographie Aventuriens nichtmal den grundlegendsten Ansprüchen der Glaubwürdigkeit genügt? Es ist leicht zu sehen, das "Recherche" nur soweit reicht, wie der eigene Bildungshorizont und die eigenen Interessen. Verlagsdetails sind kein Garant für Glaubwürdigkeit, was nützt mir dann die fertige Recherche?
Was hier zu beachten ist, ist doch nicht die Menge an Details, die man vorgekaut bekommt, sondern deren Qualität bzw. die Ansprüche der Runde. Das die derzeitigen DSA Autoren einen inkonsistenten Klotz von Spielwelt hinter sich herziehen, den sie niemals wieder ins Reine werden schreiben können, und das auch kein Hardcore DSA Spieler will, sei mitleidig erwähnt. Aber dafür können wir diese fragwürdige Qualität an Vorarbeit in Quellenbüchern nachschauen, ohne glaubwürdigere Informationen selber recherchieren zu müssen. Ist doch auch was.

- Ein echter Vorteil von Verlagsdetails ist der bei mangelnder Kreativität. Das kann man so stehen lassen.

- Verlagsdetails bieten Informationen, die man nicht schildern muss, weil sie jeder abseits der Spielabende selber lesen kann. Das gilt vor allem für neue Mitspieler oder Runden auf Cons. Das ist in der Tat ein nicht zu vernachlässigender Vorteil und wirkt sich positiv auf den gemeinsamen Vorstellungsraum und damit auf den Spielfluss aus, insbesondere wenn die Illustrationen konsistent verwendet werden (das Gegenteil wurde auf der Produktvorschau übrigens angekündigt!). Ich möchte jedoch auch hier über die andere Seite der Medaille aufklären. Wenn jeder Spieler jedes beliebige Detail nachlesen kann, dann gibt es für die Spieler weniger Neues, Aufregendes zu entdecken, als bewegten sie sich durch die Überraschungen einer Spielwelt, die nur dem Kopf des Spielleiters entspringt, aber ebenso detailliert sein kann.

- Das Improvisieren über einen langen Zeitraum wird sehr einfach. Um es mit anderen Worten zu erklären: Man muss nicht die Verlagsdetails eines ganzen Rollenspieles auf einmal lesen. Man kann sich dies in kleinen Dosen über einen langen Zeitraum zuführen. Je länger man dies tut, desto einfacher wird es, Inhaltslücken spontan zu füllen oder Fragen zu beantworten, und zwar so, daß sie in das Konstrukt der Spielwelt passen, ohne noch viel lesen zu müssen. Ja schön und gut. Inwiefern ist das ein Vorteil fertig geschriebener Details? Ein Spielleiter, der eine selbstgenerierte Spielwelt "on the fly" entwirft, wird mit fortschreitender Spielerfahrung auch besser im Improvisieren dieser Welt werden und hat zudem noch den Vorteil, daß es sein eigenes Konstrukt ist, das er kennt, wie seine Westentasche.

Die Vorteile von Verlagsdetails für sich betrachtet, kann man allenfalls als fragwürdig bezeichnen. Erst im Zusammenspiel aller Punkte kann man einen wirklichen Mehrgewinn gegenüber eigens erstellten Details ausmachen. Zu diesen Vorteilen gesellen sich jedoch Nachteile, die von der Diskussionsrunde, vornehmlich durch das aufmerksame, kritische Publikum, erarbeitet wurden:

- Der detaillierte Metaplot. Auf dem neuesten Stand zu sein wird durch eine fortlaufende Geschichte extrem erschwert, da sich die Informationen in den Quellenbüchern überholen und schlussendlich in neueren Auflagen widersprechen. Der Rat, der dem Zuschauer seitens der sitzenden Runde, neudeutsch "Panel", an die Hand gegeben wurde, war: Man kann im Spiel auch zu einem früheren Zeitpunkt spielen, somit blieben die Quellenbücher (ging es nicht eigentlich um Details?) innerhalb der Kampagne aktuell. Soso, aber wie hilft mir das Format eines Quellenbuches nun dabei, dem Metaplot zu folgen? Darauf gibt es keine Antwort, da gedruckte Quellenbücher hierfür einfach ein überholtes, wenn denn jemals geeignetes, Medium sind. Auf die Eigenheiten unterschiedlicher Medien wie Romane, Abenteuer, Quellenbücher, Handyspiele etc.pp. machte auch Mario Truant aufmerksam. Allein, bleibt die Frage, wieso man die unterschiedlichen Stärken der Medien bei DSA gegeneinander ausspielt? Was nützt mir ein Quellenbuch mit einem regelmäßigen aventurischen Boten im Schlepptau? Die Antwort, wenn man abhängig von wechselnden Mitspielern (z.B. auf Cons) ist, ist: Man braucht die neuen Bücher. Das Letzte, was deshalb in DSA seitens des Verlags passieren wird, wird das Abschaffen des Metaplots sein.
An diesem Punkt sei darauf hingewiesen, daß es zum Beispiel ganz und gar kein Problem und auch gar nicht wichtig st, auf dem neuesten Stand einer von einem Spielleiter erdachten lebendigen Kampagne zu bleiben! Ganz ohne Kaufprodukte.

- Verlagsdetails würden eigene Entwicklungen verhindern. Nun, auf den ersten Blick ist dies kein wirkliches Problem, denn schliesslich kann man Verlagsdetails auch ignorieren, so daß Panel, in diesem Fall scheinen Details also tatsächlich hinderlich zu sein. Nun, die Kritik aus dem Publikum bezog sich jedoch vornehmlich auf neue Mitspieler. Werden diese mit vielen Verlagsdetails gefüttert, entstehen auch gewisse Erwartungen, die erfüllt werden wollen. Man kann diese Verlagsdetails also gar nicht ignorieren, wenn man regelmäßig mit anderen Personen spielen, oder sich nur austauschen will. Dies schränkt natürlich die Gestaltungsfreiheit des Spielleiters entsprechend ein.
Das ist jedoch kein Nachteil von Spielweltdetails, es ist allein ein Nachteil von gedruckten Verlagsdetails.


Immer mal wieder schwankte die Diskussion, angeregt durch das Publikum, darauf, daß das Problem im Grunde nicht die Spielweltdetails sind, die eine fest installierte Spielrunde schliesslich verändern kann, wie sie mag, sondern die Regeln. Aufgefallen ist mir, daß sich selbst die Offiziellen zum Teil durch die Regeln Inhalte diktieren lassen. So wurde gesagt, Achaz, also Echsenmenschen, würden zum Beispiel häufig als Spielercharaktere ausgeschlossen werden, weil die Regeln und Inhalte zu komplex seien. Das zeugt meines Erachtens von gewisser Unselbstständigkeit. Es brauchte dann schon einen Mario Truant, um klar zu machen, daß man sich von keiner Version 4 im Ausleben der angebotenen Inhalte einschränken lassen sollte und notfalls zu einfacheren oder älteren Regeln greifen müsse. Bravo!
Auch fiel das unvermeidliche Argument: "Der Meister hat immer Recht, sollten Detailfragen auftauchen, auch wenn er mal etwas Falsches erzählt". Soso, soweit ist es also mit der Konsistenz und Glaubwürdigkeit bestellt. Nun, ein Mitautor machte auf die Möglichkeit aufmerksam, daß sich ein Spielleiter auch die Kompetenz seiner Mitspieler zu Nutze machen kann, sollte er mal nicht weiterkommen. Wieder Bravo! Hoffen wir, daß diese Rollenspielstandards des Jahres 2011 auch im Meisterdenken des DSA Einzug halten werden.

Es ist klar, daß diese ganzen Vorteile nur von Personen angeführt werden, die aus der Position jahrelanger DSA Erfahrung argumentieren und auf das Lesen der Quellenbücher kaum noch angewiesen sind. Der Detailgrad spielt für erfahrene Spieler natürlich kaum eine Rolle. So ist es verständlich, wenn Mario Truant mit 25+ Jahren DSA Erfahrung anführt, er bräuchte keine dicken Wälzer, weil er Aventurien viel mehr improvisieren würde. Nun, das ist nicht wirklich ein Vorteil, auf den viele von uns zurückgreifen können.
Und es ist klar, daß Details hier in erster Linie als spezifische, gedruckte Informationen und als Kanon einer ganzen Gemeinschaft von Spieler verstanden werden sollen, nicht als allgemeine Gestaltungsmittel einer DSA Rollenspielrunde.
Es geht schon lange nicht mehr darum, ob die Details einen positiven oder negativen Eindruck auf das Spiel haben, man kann sie nicht mehr entfernen, insofern ist eine Diskussion, wieviel Details Aventuriens Produkte brauchen müßig. Aventurien ist schon detailliert. Im Hobby DSA werden Details um ihrer selbst Willen rezipiert, weil man die Entwicklung einer scheinbar lebendigen Welt verfolgen kann. Es hat sich längst verselbstständigt. Und das ist ein Punkt, der auch explizit vom Publikum angeführt wurde. Diese trennen zwischen dem rezipierenden Spieler, der sich abends mit einem Quellenbuch auf den Sessel haut und dem spielenden Rollenspieler, der in erster Linie seinen Charakter ausleben will. Auf das Spiel selbst haben die ganzen Artikel im Aventurischen Boten und Romane scheinbar kaum einen Einfluss.
Man muss verstehen, daß DSA in erster Linie ein Hobby im Hobby ist, daß eine Faszination vor allem auf langjährige Spieler ausübt und solche, die es werden wollen. Die Details dienen hier nicht nur dem Spiel, sondern dem gemeinsamen Austausch.Leichte Kost ist es in keinem Fall, so sehr sich die Macher auch anstrengen zu versichern, wie leicht es ist, dort herangeführt zu werden (eine Ansicht, in der sich die Offiziellen übrigens auch nicht einig sind) und wer sich auf DSA einlässt, der hat in der Regel wenig Zeit, sich auf weitere Rollenspiele zu konzentrieren.

Ratschläge, die dabei helfen, die Auswirkungen von allgemeinen Details in individuellen Runden einzuschätzen, waren rar gesäät. Details sind für eine Runde dann gut, wenn sie das Spielerlebnis verbessern und die Stimmung fördern. Nunja, was kann man auch mehr dazu sagen? Dies ist hochgradig subjektiv und, wie erwähnt, auch vom eigenen Wissensstand abhängig. Welche Schwerpunkte in einer Runde wichtig sind, wurde angeführt, spiegele sich bei DSA oft in Charakteren mit besonderem Spezialwissen wider. Hat sich der Chemie studierende DSA Spieler einen hochspezialisierten Alchemisten gezüchtet, so werden ihm vorrangig Details in diesem Bereich auffallen, wohingegen er andere womöglich völlig ignoriert, bewusst oder unbewusst, selbst wenn sie unglaubwürdig und inkonsistenz sind. Und in diesem Fall wird ihm ein noch so dichter Detailgrad in Alchemie nicht negativ auffallen.
Wie wichtig welche Details sind, ist schlussendlich also eine persönliche Sache.

Die Kritik an DSA war doch nie ernsthaft die Dichte der Details, es war die Qualität der Details und die starke Veränderung der Details (Metaplot), sowie die restriktiven Spielregeln, die bei Anwendung selbiger, Spielinhalte erschweren.
Vielleicht sollte sich die Diskussionsrunde das nächste Mal auf diese akuten Themen stürzen. Einer Andeutung nach wird es das Thema "die Kompliziertheit der DSA Regeln".



Und so kam die Diskussionsrunde nach 1h47m zu dem vordefinierten Schluss: Wieviel Details jede Runde in ihr Spiel lässt, muss sie selbst erwägen und abschätzen.

Und das geht - zur Not - auch ganz ohne gekaufte DSA Quellenbücher.



Wie wichtig sind von Verlagen zentralisierte Spielweltinformationen und ausgelagerte Kreativität für eure Spielrunden?

Der Thread im RSP Blogs Forum
http://forum.rsp-blogs.de/index.php/topic,992.msg4268.html#msg4268

2 Kommentare:

  1. Kann dir in allen Punkten zustimmmen. Ich war von der Diskussion (im Netz gesehen, nicht auf der RatCon) auch eher enttäuscht, weil sie großteils mAn am Thema vorbeiging.
    Ich spiele DSA auch seit 18 Jahren, und kann auch ausreichend gut improvisieren - aber nur bis etwa zur Borbarad-Krise. Danach würde ich in einem "kanonischen" Aventurien mich nicht fähig fühlen, "offiziell" zu leiten, weil ich das Gefühl habe, erstmal ein Dutzend Regionalspielhilfen nachlesen zu müssen, um wieder auf dem aktuellen politischen und gesellschaftlichen Stand zu sein.
    Und der Sinn von Spielhilfen wie dem angekündigten Tempelbeschreibungsband erschließt sich mir ebensowenig, wie ich es befürworte, dass man die Magierakademiespielhilfen auf 3 Bücher aufgeblasen hat...
    Ich würde mir auch deutlich mehr Fokus auf spielrelevante Informationen wünschen, anstatt einfach nur insgesamt den Detailgrad so aufzupumpen.
    Vielleicht findet der eine oder andere auch in unserem Juni-Cast zu dem Thema (http://www.sphaerengefluester.de/archives/493) noch ein paar Gedanken, die ihm zusagen.

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  2. Das Problem an der Diskussion war eben, daß "Detailliebhaber" automatisch mit "KanonDSASpieler" gleichgesetzt wurden.

    ALLE anderen spielen eben nicht das "echte" DSA. Es ist ja auch praktisch für den Verlag, wenn nur die Leute akzeptiert werden, die deren Produkte runterbeten können.

    Ich bin Detailliebhaber, aber ich würde Aventurien nicht mehr mit der Kneifzange anpassen, so lange es nicht grundüberholt wird. Dann wäre ich evtl. wieder dabei. Da sieht man, daß das eine nichts mit dem anderen zu tun hat.

    mal schauen, was das für ein Podcastthema ist.

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