Samstag, 30. November 2013

RPS-Blogs Karneval [Nov2013] Was in aller Welt ... ist Dallol?

Dieser Beitrag von Was in aller Welt ... erscheint im Rahmen des RSP-Blogs Karnevals November 2013 zum Thema "Über Stock und über Stein und die Wildnis".
Informationen zum Thema und Platz für Kommentare und Kritik finden sich hier. Ein Eröffnungsbeitrag des Organisators Teilzeithelden ist hier zu finden. Und eine Beschreibung des RSP-Blogs Karnevals kann hier nachgelesen werden.


Wenn Rollenspieler an Wildnis denken, dann denken sie meist an einen gemütlichen Spaziergang durch Wald und Wiesen, gelegentlich auch durch Wüsten oder über Berge. Das viele Regionen ohne Erschließung dabei quasi unpassierbar sind, ist dem deutschen Wanderer dabei weniger bewusst. Dementsprechend abwechslungsarm gestalten sich dann auch die sogenannten Wildnisabenteuer.
Dabei gibt es sogar Regionen und Phänomene auf unserer Erde, die nicht so recht auf unsere blaue Kugel zu passen scheinen und die man eher in Science-Fiction und Fantasy Filmen erwarten würde. Genügend Material, um die "Wildnis" seiner Spielwelt aufzupeppen, ohne die Glaubwürdigkeit zu verlieren.




Dallol

Räumlich: [ca. 4 km²]
Vorkommen: In vulkanisch aktiven Regionen mit evaporitischen Ablagerungen
Gefahrenpotential: [minder gefährlich]
Zeitskala: [~ Miozän bis rezent]
Klima: [Wüste (arid)]

Was ist Dallol?

Q: http://atlasobscura.herokuapp.com/ (creative commons)
Nein, Dallol ist ausnahmsweise kein Netzjargon, sondern je nach Definition eine geothermisch aktive Region oder ein Vulkan in Äthiopien; am heißesten Ort der Erde. In einer mehrere Quadratkilometer umfassenden Senke, welche sich ca. 50 m unterhalb der Meereshöhe in der Danakil-Depression befindet, bildeten sich in flachen Tümpeln und Seen bizarre Kristallstrukturen in grellen Farbtönen in lebensfeindlichen Bedingungen.


Wie entstand Dallol?
(nicht Simulationisten können das auch überspringen)

Die Danakil-Depression befindet sich am nördlichen Ausläufer des Ostafrikanischen Grabens. Das im Untergrund aufsteigende Magma wird dort in wenigen Millionen Jahren die afrikanische Platte in Ost-West-Richtung auseinanderschieben. Das Grundwasser kann aufgrund der Aufweitung (welches einer Gründe für die Absenkung des Grabens ist) in die entstehenden Spalten und Klüfte eindringen und kommt dabei in Kontakt mit dem heißen Umgebungsgestein des Magmas. Das nun gasförmige, heiße und leichte Volatil dringt dann wieder an die Oberfläche. Dies kann in Form von Fumarolen, Geysiren, heißen Quellen oder einer sogenannten, phreatischen Eruption geschehen, wenn schlagartig große Mengen Wasser verdampfen. Die dadurch enstehenden Krater kennt man auch als Maar (z.B. in der Eifel). Eben jene Explosion geschah zuletzt auch in Dallol 1926 und erzeugte mit lediglich 30 m Durchmesser den jüngsten Maar in der Region.

kleiner Geysir (Q: Tom Pfeiffer)

Um die Oberflächenstrukturen zu erklären und warum wir diese nicht in der heimischen Eifel finden, muss man einen Blick auf das Gestein werfen. Im Untergrund befinden sich über 1000 m mächtige, evaporitische Ablagerungen, das sind überwiegend Kalkstein, Gips, Anhydrite und Halit (Salz). Dies sind Überbleibsel des damals noch jungen, roten Meeres, welches die Region in den letzten Millionen Jahren wiederholt flutete, durch die andauernden und extremen Temperaturen wieder austrocknete und die gelösten Stoffe in unzähligen feinen Schichten ablagerte. 

30 Meter hohe Salzcanyons nahe Dallol mit deutlicher Stratigraphie (Q: photovolcanica.com)

Diese Evaporite (und zum Teil auch weiteres Umgebungsgestein), ebenso wie die flüchtigen Bestandteile des Magmas, werden durch die aufsteigenden, heißen Wässer gelöst. Durch die extremen Temperaturen an der Oberfläche (mit einer Durchschnittsjahrestemperatur von über 30° C !), aber auch durch Druckverlust, verdunsten die Wässer innerhalb kurzer Zeit in die Atmosphäre, wobei die gelösten Stoffe erneut auskristallisieren. Die grellen Gelb-, Grün- und Rottöne entstehen dabei unter Anderem durch Schwefel- und Erdalkalisalze, deren Bausteine aus dem Gestein gelöst wurden und je nach Temperatur und Konzentration ein Potpourri unterschiedlichster Formen annehmen kann Die Kristallisation wird dabei durch das ruhige, strömungslose Wasser in den flachen Tümpeln begünstigt.


 Eigenschaften (und Gefahren) des Dallol-Gebietes

Lässt man die absolut lebensfeindliche Wüstenregion außen vor, so zeichnet sich das Dallolgebiet durch eigene, extreme Bedingungen aus. Die Austrittstemperatur des Wassers liegt bei ca. 70° C und läd damit nicht unbedingt zum Baden ein. Durch die hohen Salzgehalte weist das Grundwasser außerdem pH-Werte um 0 bis 1 auf und ist damit eine starke Säure, eignet sich also genausowenig zum Auffrischen der Wasserrationen.
Durch die zusätzlich austretenden, vulkanischen Gase und durch die Temperaturen bedingte, sehr hohe Verdunstungsrate, ist die Luft nur schwer atembar und lebensgefährdend und greift durch die Schwefeldämpfe Haut und Material an.
Da die Salzschichten im Untergrund durch das Auswaschen sehr porös sind, kollabiert das Gelände und bildet die charakteristischen Kraterstrukturen. Der Untergrund ist nicht standfest und ein Einbrechen in gelöste Hohlräume und ein Bad in der Säure oder Verletzungen an scharfen Kristallgraten sind schnell geschehen.

http://www.messagetoeagle.com/images/alienlandscapedv5.jpg
instabile Salzplattform (Q: Tom Pfeiffer)

http://www.xflo.net/wp-content/gallery/20100329_Ethiopia/5S3J4613_Dallol.jpg
verfärbtes Wasser mit Salzschollen (Q: Florian Wizorek)

Nicht zuletzt können sich phreatische Explosionen wie im Jahre 1926 unvermittelt und jederzeit wiederholen, beschränkt sich zurzeit aber auf eine Vielzahl von heißen Quellen und Geysiren. Eine Vorhersage ist allenfalls innerhalb einer nur sehr kurzen Zeitspanne möglich.



 Einsatz im Rollenspiel

Um eine Reisegruppe an die Grenzen ihrer Belastbarkeit zu bringen und das mit wenig Aussicht auf Wiederkehr (daraus leitet sich auch der Name Dallol her), ist ein durch und durch lebensfeindliches Gebiet mehr als ausreichend. Im Falle von Dallol hält sich die unmittelbare Gefahr glücklicherweise in Grenzen, da sich das Gebiet auf wenige Quadratkilometer beschränkt. Jedoch ist die Natur in Größenordnungen nicht wählerisch, so dass es denkbar ist, dass wesentlich größere Landstriche sich in diese oder ähnlich bizarre Landschaften verwandeln.
Nicht zuletzt ist die Region auch ein wirtschaftlicher Faktor der Salzgewinnung und mit zunehmender Industrialisierung auch weiterer Chemikalien. In der Tat ist die Menge an verfügbaren Salzen dort so groß, dass zum Teil sogar Häuser aus Salzblöcken gebaut wurden.

Hausruine, erbaut aus Salzblöcken (Q: photovolcanica.com)

Anmerkung: 
Die Galerie-Links unten solltet ihr euch nicht entgehen lassen.




Quellen:

Mehr Bilder
http://www.photovolcanica.com/VolcanoInfo/Dallol/Dallol.html

noch  mehr Bilder!
http://www.messagetoeagle.com/alienlandspacedallolvolcano.php

Smithonian Institution, Global Volcanism Program (GVP) 
http://www.volcano.si.edu/volcano.cfm?vnum=0201-041

Geologischer Hintergrund
http://geology.com/stories/13/dallol/

Ein Reisebericht
http://www.xflo.net/2010/04/15/dallol-acid-volcano/



Sonntag, 17. November 2013

Schildwacht Rollenspiel: Versionsupdate beta 0.9.7

Was lange währt...

... wird nun ein klein wenig besser. 

Bis Ende letzten Jahres habe ich das klassische Explorationsrollenspiel SchildWacht regelmäßig mit Aktualisierungen versorgt. Das dem dieses Jahr nicht so war, liegt nicht daran, dass unseren beiden Testrunden die Puste ausgegangen ist oder nichts zuende gebracht, was angefangen wird, oder wir vor anderen, gehypten Rollenspielen den Hut gezogen hätten, sondern

- weil die Menge an Regeländerungen erfreulicherweise konstant nachlässt, sich regelmäßige Updates daher nicht mehr lohnen und die langwierige Phase des "Wertebalancings" begonnen hat
- weil mich unsere Rollenspielrunde und RL zu sehr eingebunden haben
- weil das Jahr einfach verdammt schnell herum ging. Gestern war doch noch Weihnachten!

Nichtsdestotrotz ist in einem Jahr einiges an Regeländerungen und Verfeinerungen – dazu gehört auch das Entfernen von Regeln! - zusammengekommen. Die Vereinfachung und Entschlackung ist eines der vorrangisten Ziele. Und die will ich natürlich in der Hoffnung auf konstruktive Kritik mit allen anderen teilen. SchildWacht ist immer noch beta, d.h. alles ist noch möglich und Nichts ist in Stein gemeißelt.

Der Dank für das Hochladen der Datei geht wie immer an den Malspöler. Für das Testspielen selbstredend an die Mitspieler.
mehr Informationen zu Schildwacht findet ihr hier:

entgegen der vorherigen Ankündigung habe ich doch beschlossen, die Version aufgrund der Größe auf die Version 0.0.7 anzuheben. 

Konkrete Fragen kann ich im Kommentarbereich beantworten.


V b0.9.7 (231 Seiten)

-> Link

Allgemein
- der Index wurde erweitert
- Rechtschreibfehler korrigiert
- die Menge der Lebenspunkte (LP) wurde (und die Tödlichkeit damit erhöht)
- LP Regeneration ist nun konstant und nicht mehr zufällig
- "Magischer Wundschaden" als Regelbegriff eingeführt (ignoriert grundsätzlich Rüstung)
- der Fallschaden wurde gesenkt
- Angaben für Hitze (natürliche Gefahren) wurden überarbeitet
- für die Charaktergeschwindigkeit ist der Effektwert 0/1 nun immer 0
- Zahlose Werte über das gesamte Dokument geändert / balanciert
- Schicksalsregeln (kritische Ergebnisse) sind erheblich vereinfacht worden und nicht mehr von der Fertigkeitshöhe abhängig

Fertigkeiten
- eine neue Beispieltabelle mit Modifikationen für die Option Verkleiden (Ausrüstung, Schminke...).
- Für die Fertigkeit Geschick gibt es eine neue Option: Beutezug 
- die Fertigkeit Zwei-waffen-kampf muss nun spzialisiert werden
- Waffen sind ohne Fertigkeit skill nur noch über "improvisierte Waffe" nutzbar (siehe unten)

Steigerung
- Generierungskapitel wurde umgeschrieben und erweitert
- Erfahrungsbelohnung pro Abend auf 10 - 30 ERF pro Abend gesetzt
- Kniffe umlernen möglich
- der Kniff Medium ist klarer verregelt
- der Kniff "zäh wie leder" ist überarbeitet
- der Kniff "gewandt" ist ersatzlos gestrichen
- der Kniff "Blutmagie" bringt jetzt ZK im Verhältnis 1LP:3ZK
- der Kniff "Vventriloquist" wurde abgeschwächt
- neuer Kniff: Rüstungstraining

 Kampf
- Fertigkeitsbonus als Bonusschaden wurde ersatzlos gestrichen!
- Fernkampf: Entfernungsschwierigkeit nun x 2 für Entfernung/Geschwindigkeit
- Fernkampf erzeugr bei einem Fehlschuss keine "Bedrängnis" mehr
- auch Verbündete behindern sich gegenseitig im Handgemenge
- die Option Beinarbeit ist ersatzlose gestrichen
- die Option Ansturm erzeugt keine Widrigkeit mehr
- die Option Klammern ist nun auch mit Akrobatik vermeidbar und genauer verregelt
- die Option Zielen heisst nun Konzentrieren und ist auch im Nahkampf möglich
- die Optionen Anvisieren verlängert nun die Zieldauer
- die Option Umwerfen ist jetzt ein Wettstreit
- Überraschungsangriff (Zwei-Waffen-Kampf) wurde an die übrigen Regeln angepasst (und abgeschwächt)
- kritische Treffer/Fehlschläge sind massiv überarbeitet worden
- neue Kampfoption: Improvisierte Waffen

Magie
- alle Zauberschäden gesenkt aufgrund geringerer LP-Werte
- Berührungszauber sind nicht mehr mit Nahkampfangriff kombinierbar
- fast alle Zaubersprüche teilw. geändert (beachtet Baumgeist!)
- diverse Zauberspruchtexte überarbeitet
- diverse Zauber können nun mit ZK "geboostet" werden
- neuer Zauber: große magische Falle, Mal der Ernte, Verzerrung
Alchemie
- Magatit als Element eingeführt
- zahlreiche Rezepte überarbeitet

Bestiarium
- große Monster haben nun zusätzliche Angriffe
- diverse Monsterwerte geändert
- neue Monster: Schattenkatze, Erdkrake
- die Geschwindigkeit der Monster ist überarbeitet (und Basiswert wurde ergänzt)

Ausrüstung
- Tarnkleidung ist nun leichter
- vereinzelte Waffen haben nun einen VP-Bonus oder angepasste Werte
- der Stachelhandschuh hat nun auch die Kategorie Wucht
- Waffen sind nur noch 1 x aufwertbar
- alle Rüstungswerte wurden gesenkt.
- neuere Ausrüstung ist nun auch in Herstellungs- und Kaufliste eingetragen worden
- ein neues Relikt: Arcanometer


Sonntag, 3. November 2013

SchildWacht - Der Ruf aus der Vergangenheit

Kürzlich las ich eine konstruktive Kritik des Users mutralisk auf RPGnosis zum klassischen Explorationsrollenspiel SchildWacht (SchW), danke dafür. Und nun fühle ich mich ein wenig missverstanden. Daher an dieser Stelle ein wenig zu den Ideen und Konzepten von SchW. Dafür nutze ich die Passagen des Vorwortes.


 Aus dem Vorwort: Schildwacht ist ein Ruf aus der Vergangenheit!

Ich schrieb SchW mit der Unterstützung zweier Spielrunden nicht als modernes, zeitgemäßes Rollenspiel, wie es vielleicht Triakonta des geschätzen Blognachbarn RPGnosis sein wird. SchW ist reines Retro, Feldstudie und vielmehr als ein Rollenspiel geschrieben, dass ich mir so in den 90igern gewünscht hätte, als ich es brauchte. Ein Rollenspiel, was es zu jener Zeit meines Erachtens schon hätte geben können - wonach ich gesucht habe. Denn vielen Rollenspielen bis heute fehlte etwas, nämlich

1. eine nutzbare Skalierbarkeit der Zahlenwerte, das Fundament, um eine Spielweltrealität abbilden zu können.
2. damals, und leider Gottes auch noch in vielen RPGs heute, fehlte zudem eine klare, widerspruchsfreie Regelsprache, wie man sie von D&D3 gewohnt ist.
3. zudem eine Gleichwertigkeit der Charakterkonzepte. Die Fertigkeiten in SchW sind so ausgelegt, dass viele Charakterkonzepte sich gleichermaßen am Fortgang des Abenteuers beteiligen können. Mit jeder Fertigkeit kann man etwas spielmechanisch Sinnvolles anstellen. Kampf wird nicht mehr in diesem Maße bevorzugt (auch, wenn es noch traditionell eine große Rolle spielt).

Das sind auch die drei Eckpfeiler von Schildwacht.

Es sähe ganz anders aus, wenn es nach heutigen Bedürfnissen geschrieben worden wäre und muss demnach mit den Rollenspielen, mit denen es sich messen will, verglichen werden. Selbst als Spielleiter einer der beiden Testrunden habe ich heutzutage so meine Probleme mit der Komplexität und Langsamkeit, für die mir eigentlich die Zeit fehlt. Eigentlich müsste ich heutzutage etwas ganz Anderes spielen.
SchW nutzt zwar moderne Regelversatzstücke, die sich im Laufe der letzten Jahre eingebürgert haben, aber genauso Elemente, die man schon vor 30 Jahren kannte und sich bewährten. Ausgewählt sind diese nicht (nur) nach persönlichem Geschmack ( wie der W12, der W10 wäre objektiv sicher besser gewesen) sondern vor allem im Hinblick darauf, ob sie eine glaubwürdige Spielwelt wiedergeben können, die bodenständige Fantasy-Mittelalter sein will, in der Spielercharaktere erst einmal nur Personen wie jede Anderen sind. 

Aus dem Vorwort: "Erfahrene Rollenspieler werden wenig Neues darin finden"

SchW ist als umfängliches Nachschlagewerk konzipiert und ist kein selbstständiges Spiel, dass der Spielrunde zum Beispiel sagt "geht in den Dungeon und haut Monster um" oder in irgendeiner Weise geplante Ergebnisse produziert. Die Spielrunde soll ihren Weg finden, ihre Spielwelt frei entdecken und bei offenen Entscheidungen in die Regeln schauen können, um eine Lösung zu finden, die die angetroffene Spielweltsituation darstellen kann. Allerdings ist SchW für das, was es leistet und sein will, in keiner Weise schwergewichtig (gerade einmal 100 DinA4 Seiten, inkl. Tabellen und Zeichnungen).
SchW ist kein sogenanntes universelles Rollenspiel. Es kann "nur" dieses oben genannte, bodenständige Fantasy-Genre wiedergeben und ist ferner nur bedingt modular, versucht aber dementsprechend vollständig für den angestrebten Spielstil zu sein. Wenn es so wirkt, dass etwas "fehlt" (z.b. Massenkampfregeln), dann haben wir das damals auch nicht gebraucht oder gespielt. 
Zu diesem Zwecke ist es aber von immenser Bedeutung, dass man als Spielrunde bereits weiß, was man tut, um sich darin nicht zu verlieren. Einem Rollenspielanfänger kann man SchildWacht meines Erachtens ohne Einführung nicht an die Hand geben (trotz eines Kapitels zum Thema Spielrundenabsprachen).

Aus dem Vorwort: "Wie die Spielwelt, so können die Mitspieler auch die Spielregeln erst nach und nach entdecken." 

Dieser gemächlichere Spielablauf ("wieviel Abenteuer schafft man in gegebener Zeit?") ist absolut gewollt. SchW ist ein gemütliches Rollenspiel zum Abtauchen und Reinfuchsen, nicht für One-Shots und Kurzkampagnen geeignet und spiegelt damit die Spielweise wieder, mit der ich in den 90igern eingestiegen bin. Die Spielrunde wird vielmehr mit dem Spielsystem verwachsen und eine Virtuosität und Langzeitmotivation entwickeln, die in schnelllebigeren Rollenspielen unzeitgemäß wirkt. Dementsprechend ist der Spielstil natürlich sehr persönlich und sicher nicht massentauglich. Meinem Eindruck nach versuchten sich allerdings viele Spielrunden, die mit den komplexen Regelwerken eingestiegen sind, in einer vergleichbaren Spielweise, die keinen Platz ließ für Zweitsysteme.  

 Aus dem Vorwort: "Der fiktive Held ist fur den Spieler Auge, Ohr und Arm."

SchW ist in keiner Weise "drama-" oder "geschichtenorientiert". Die Spielrunde hat keine Garantie, dass sie bei reiner Ausführung einen spannenden Spielabend vorgesetzt bekommt. Es geht um Eigenverantwortung. Die SchW-Regeln versuchen nur wiederzugeben, was die Spielweltsituation vorgibt, nicht andersherum. Die Spielwelt mit all ihren Konflikten wirkt somit in ihrer Eigendynamik und ihrem Widerstand unabhängig, unkontrollierbar und damit lebendig. Dementsprechend kann der Spieler ausschließlich über seinen Spielcharakter darauf einwirken, aber mit ihr nur wechselwirken und sie nicht bezwingen. Seine Spielentscheidungen sind entgültiger und bedeutsamer, da er sich die gewünschten Effekte nicht einfach "herbeierzählen" kann. Der Spieler kann über die Regeln daher keine Gegenstände oder Plotelemente erfinden oder anderweitig Entscheidungen rückgängig machen.
Er kann dies zusammen mit dem nächsten Spieltermin, der nächsten Pizzabestellung und anderen Ideen freilich in jedem persönlichen Dialog mit seinen Mitspielern aushandeln – und er benötigt dafür nicht einmal Schicksalspunkte!

Wie auch mutralisk bemerkte, spielt also "Simulation" - im Sinne der Darstellung einer Spielwelt durch Regeln - eine sehr große Rolle, es geht um das Erleben einer Spielwelt, nicht um das Steuern einer Geschichte. Allerdings ist die Annahme "je mehr, desto besser" falsch. Denn viele Dinge lassen sich implizit durch Spielregeln darstellen, ohne sie konkret mit einem Mechanismus zu versehen, in manchen Fällen bringt sogar der Verzicht auf eine Verregelung einen Gewinn an Simulation. So wird man keine Kampfregel für sogenannte Trefferzonen finden oder solche, welche die Blickrichtung der Spielfigur im Nahkampf festhält, da SchW den Kampf als einen dynamischen Schlagabtausch versteht, der sich nicht in einem rundenhaften Hin-und-Her darstellen lässt. Aus diesem Grunde ist es auch möglich, selbst als Verteidiger den Angreifer unter Druck zu setzen.

Vieles in SchildWacht ist noch nicht optimal gelöst, viele Dinge gehen noch nicht flüssig von der Hand. Das Probensystem ist in manchen Situationen noch ein Graus. Monster- und Zauberlisten sind noch nicht vollständig, viele Einzelwerte werden noch ausbalanciert, aber auch dies werden wir in den Griff bekommen. Das aktuelle Update ist seit längerem aufgrund von Real-Life in Arbeit und ich hoffe, die Version 1.0 (und damit den Abschluss der vorläufigen Entwicklung) bis zum Frühjahr 2014 über die Bühne zu bringen.

Ich bin immer gründlich und hartnäckig und mit diesem Rollenspiel werde ich die Aufholjagd gewinnen, die Mitte der Neunziger begann, die mich durch Abgründe vieler anderer, komplexer Regelsysteme geführt hat, ebenso wie durch jene mit gänzlich anderen Spielansätzen. Ich wünschte, ich hätte mir die Arbeit ersparen können, aber ich kann das Kapitel "Klassisches Rollenspiel" mit SchildWacht auch abschließen und kann mich auf einen Evolutionsprung freuen, welcher auch das Genre des klassischen Rollenspiels trotz goldener Regeln, ewiggestriger Handwedler oder schwammiger Erzählonkel und liebloser Editionsfortsetzungen unumgänglich in die Gegenwart holen wird.
SchW ist hierbei nicht der Endpunkt, sondern ein Anfang, den es nie gegeben hat.

So viel aus dem Nähkästchen der SchildWacht-Entwicklung. Sofern noch Fragen offen sind, können sie gerne an diesem Ort gestellt werden. In jedem Falle empfehle ich zuvor mal einen Blick in das Vorwort sowie Kapitel 1. "Vorbereitung" zu werfen.

Das Update 0.9.6.5 wird in den nächsten 2 Wochen Online gehen.