Sonntag, 25. Juli 2010

Was in aller Welt... ist ein Hoodoo?

Auf den letzter Drücker habe ich wieder einen Beitrag fertig gestellt und mein "Monatssoll" erfüllt ;) Dieses mal gibt es etwas weniger gefährliches, aber fürs Rollenspiel kulturell verwertbareres, wie ich finde. Dies zeigt auch, welchen Einfluss die leblose Natur auf das Leben der Menschen hat. Auch abseits von großen Naturkatastrophen. Ich würde wie immer gerne Hundertschaften von Bildern benutzen, jedoch fehlt mir der Platz und die Erlaubnis, von daher sei eine eigene Bildersuche mit den gegebenen Schlagworten angeraten. Es lohnt sich.

Was in aller Welt... ist eine Beitragsreihe, in der nicht alltägliche Naturphänomene, die man zum Aufpeppen von Rollenspielkampagnen und Spielwelten benutzen kann, kurz erklärt werden. Auch und gerade, wenn es sich um Fantasywelten handelt. Natürlich kann man sie auch nur einfach so lesen. Die anderen Beiträge finden sich im Menu unter "Was in aller Welt..."


Hoodoos

Räumlich:
[einige Meter bis zehner Meter]
Vorkommen:
In felsigen Trockenregionen mit vulkanischen Ablagerungen
Gefahrenpotential:
[minder gefährlich]
Zeitskala:
[teils rezent bis wenige zehner Millionen Jahre]
Klima:
[Arid bis Subarid]

Was ist ein Hodoo?


Nein, Hoodoo ist nicht etwa verwandt mit der afrikanischen Religion des Voodoo, geschweige denn mit der afroamerikanischen Religion Hoodoo, sondern bezeichnet eine faszinierende Gesteinsformation, die gar den Eindruck von kreativer Energie weckt Als Hoodoo, Balance Rock oder Feenkamine (Fairy Chimney) bezeichnet man eine voluminöse Felssäule, dessen Spitze ein massiver, optisch abgesetzter Fels als Hut ziert. Der Hut setzt sich in manchen Fällen durch hohen Farbkontrast von der Säule ab und unterstreicht das Aussehen eines riesigen Pilzes aus Stein. Die Höhe kann zwischen Mannshöhe und einem mehrstöckigem Haus variieren. Centimeter große Hoodoos lassen sich vom reinen Entstehungsmechanismus zwar auch als solche einordnen, es ist aber nicht üblich, sie so zu bezeichnen.

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Hoodoos in Kappadokien, Türkei (Q: adventurelogger.blogspot.com)

Hoodoos sind Erosionserscheinungen, die unter ganz bestimmten, aber gar nicht so seltenen, Bedingungen entstehen können. Sie können in Gruppen von vielen hundert Säulen auftreten. Und so faszinierend die Frage auch ist, wie ein kegelförmiger Fels auf die Spitze einer Felssäule gelangen kann, eine Frage, die viele Völker in ihren Legenden mit dem Wirken von Riesen und Fabelwesen erklären, so einfach ist doch die Antwort.

Bekannte Hoodoos finden sich in Kappadokien, Türkei, Djavolja Varos in Serbien oder im Grand Staircase-Escalante National Monument in Utah.

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Schlanker Toadstool Hoodoo , Rimrock, Escalante, Utah (Photo: Ian Parker)

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Djavolja Varos, die Teufelsstadt, Hoodoos von 10 Metern Höhe, Serbia (Q: Mildz Blog)


Wie entsteht ein Hoodoo?

(nicht Simulationisten können das auch überspringen)

Hoodoos finden sich auf dem geeigneten Felsgestein und im geeigneten Klima und treten selten alleine auf. Sie bilden sich vorwiegend in aridem und subaridem Klima, also einer Umgebung, in der die Verdunstung den Niederschlag in einem Großteil der Monate übersteigt. Auf speziellen Gesteinsgrund entstehen dadurch sogenannte Badlands.

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Badlands National Park, South Dakota (Q: Kartik Raja)

Diese Landschaftsformen sind durch große Trockenheit, steile Felsgrate, Schluchten und wenig Vegetation gekennzeichnet. Letzteres ist von entscheidender Bedeutung, da die Gesteine ohne Bewuchs verstärkt der Wind- und Wassererosion ausgesetzt sind. Starke Sonneneinstrahlung kann die Gesteinsverwitterng beschleunigen. Eine große Höhenlage auf Hochplateaus begünstigt ebenfalls die Erosionskräfte.

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Hoodoo mit „Baskenmütze“ im Hochland von Kappadokien, Ürgüp, Türkei (Q: Wiki commons)

In diesen Trockenregionen kommt es periodisch zu sehr starken Regenfällen, währenddessen große Mengen von lockerem, nicht durch Pflanzen befestigem Material abgetragen werden und die tiefe Erosionsrinnen auswaschen, die für die zerklüftete Landschaft verantwortlich sind (auf diese Weise ist auch der Grand Canyon entstanden). Ob nun eine Schlucht oder z.b. ein Hoodoo entsteht, entscheidet sich am Felsgestein. Große, kleinräumige Unterschiede in der Erosionsresistenz begünstigen diese eher obskuren Formationen.

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Aussergewöhnliche Hoodoos in Göreme, Türkei (Photo: Ricardo Lopes)
[Anm.: Der Link funktioniert mal wieder nur, wenn man ihn in die Addresszeile kopiert. Ich habe keine Ahnung, woran das liegt]

Sie treten typischerweise dort auf, wo unterschiedliche Effusivgesteine (also Vulkangesteine) übereinander abgelagert werden. Dazu sollte man wissen, daß die meisten vulkanischen Eruptionen durch einen Wechsel des Ausbruchsverhaltens geprägt sind. Es können sich innerhalb kurzer Zeit lockere Pyroklastika und flüssiges Ergussgestein (also Lava) abwechseln und so den charakteristischen Lagenbau bilden. Im Hoodoo schlägt sich dies häufig als gut zu erkennendes Streifenmuster nieder.

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Schichtlagerung des Laacher See Vulkans, Eifel, hier ohne Festgesteine (Photo: J.S. Aber)

Aus den lockeren Auswürfen entsteht ein Tuffgestein, aus Lava hingegen massiver, resistenter Basalt. Manche Tuffe sind so porös oder schwach verfestigt, daß man sie mit bloßer Hand zerdrücken kann. Als Folge von Spannungen, Frostsprengungen und anderen Belastungen entstehen Risse im Basalt, durch die Wasser eindringen kann, und so den lockeren Tuff darunter fort spült. Dem Zufall ist dann überlassen, ob an bestimmten Stellen einzelne Basaltbrocken liegen bleiben und so den Tuff unter sich wie ein Regenschirm vor Erosion schützen, so daß eine isolierte Säule entsteht.

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Skizze zur Entstehung von Hoodoos (Q: Wikimedia)

Der schützende Basalt erhält dabei durch meteorische Wässer häufig die hutartige Kegelform, während äolische Erosion die Säule abrundet. Als Schutzkappe können auch andere resistente Vulkangesteine wie Ignimbrit (verfestigte Ascheströme) dienen. Die Schutzkappe kann auch aus einem einzelnen härteren Vulkanfels (eine sogenannte Bombe oder Block) bestehen

http://files.myopera.com/mildz/albums/416511/014.jpg

Hoodoo mit einem Block als Schutzkappe, Djavolja Varos, Servien (Q: Mildz Blog)

Mit fortschreitender Erosion wird die Felssäule immer dünner bis der Gesteinsdeckel schlussendlich hinunter fällt.

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The Camel's Head, Upper White Rocks – Escalante, Utah (Photo: Ian Parker)

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Hoodoos in Kappadokien. Gut zu sehen ist, daß die Kappen als ehemals durchgehende Gesteinsschicht entlang einer Höhenlinie liegen (Q: Eastcoastrod)


Einsatz im Rollenspiel

Von Hoodoos geht an sich wenig Gefahr aus, es sei denn man gehört zu den Unglücklichen, die bei einem äusserst seltenen Felssturz daneben stehen oder daran herum klettern, weshalb ich auf eine Beschreibung der Gefahren verzichte. Im Rollenspiel geben sie dennoch eine Menge her, nicht nur, weil sie als Erscheinung sogar den phantastischen Charakter einer Fantasywelt unterstützen, sondern weil der Mensch früh wusste, sie sich zu Nutze zu machen. Daher folgt eine kurze Beschreibung einer zum Rollenspiel geeigneten Stätte.

Tuff ist äussert leicht zu bearbeiten und in fast jede gewünschte Form zu bringen. So entstand z.b. in Kappadokien, einem Gebirgshochland in der Türkei, das altbyzantinische Matiana, das heutige Göreme, ein ganze Stadt, die in die 10-20 Meter durchmessenden Säulen gemeiselt wurde und viele Stockwerke tief ist.

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Höhlenstadt Göreme, Türkei (Q: Pan Pan_TW, Flicker)

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Wohnhaus in einen Hoodoo aus Tuffstein geschlagen, Uchisar, Türkei (Q: ex_novo)

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Die „moderne“ Stadt Göreme (Q: EcoTurkey.com)

Grundlage der Stadt sind Vulkanausbrüche, die im Miozän (vor 10Mio.J.) anfingen. Bereits zu hetitischer Zeit war die Region besiedelt und es gibt Anzeichen, daß bereits eine Besiedlung um 8000 vor Christus stattgefunden hat. In den künstlichen Höhlen herrschen gleichbleibend kühle Temperaturen, so daß sie als Vorratsräume und Keller dienen können. Die Gänge sind vielfach miteinander verbunden und können sehr komplex sein.

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Ausschnitt der Höhlenstadt Kaymakli, Türkei

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Detailkarte der Metropole Kaymakli, Türkei (Q: BLDGBlog)

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Querschnittschema der Stadt Derinkuyu, Türkei

Die Schächte führen bis hinab ins Grundwasser und sorgen so für eine gesicherte Wasserversorgung. Die Höhlen wurden ebenso als religiöse Anlagen wie z.b. Grabstätten genutzt. Als eines der wichtigsten frühchristlichen Zentren finden sich viele Wandbilder, Basiliken, Kirchen und Kapellen in den Kavernen.

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Höhlendecke der St. Peter Kirche in Görme, Türkei (Photo: Flicker, Traces in the Sand)

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Frühchristliche Malereien, Göreme, Türkei (Q: Shapeshift, flicker)

In den verwinkelten Stollen entstanden viele Geheimräume und Verstecke, so daß die Stadt auch als Fluchtburg benutzt werden konnte. Bereits in byzantinischer Zeit konstruierten christliche Gruppen enge Schächte bis zu Räumen hoch unter die steinernen Kuppen, wo sie sich verstecken konnten. In Ermangelung einer Erklärung in späterer, türkischer Zeit enstand so der Mythos der Feenkamine. Die Vorzüge der Stadt verschafften ihr überregionale Bedeutung, so daß sie sich zu einem bunten, kulturellen Schmelztiegel entwickelte. Im Umland enstanden über 50 solcher unterirdischen Höhlenstädte, ein Beispiel wie der einfache Fels das Leben der Menschen beeinflusst.

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Gänge in der Stadt Derinkuyu, Türkei

Die Geschichte der Stadt Göreme ist so reichhaltig, daß ich sie hier nicht wiedergeben kann, jedoch findet sich unter folgendem Link buchstäblich Alles, was man im Allgemeinwissen über die Stadt wissen kann:

http://www.kapadokyaforum.com/de_info.php

Parallelen zur Felsenstadt der T'Skrang in der Spielwelt Earthdawn drängen sich hier auf, und sie zeigt, wie man eine solche Vorlage mit unwirklicher Architektur im Rollenspiel umsetzen kann.


2 Kommentare:

  1. Wow, du hast echt die spannendsten Dinge auf der Welt zusammengesammelt!

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  2. danke, hoffentlich finde ich demnächst nochmal Zeit einen Beitrag zu schreiben. Genug Material gibt es ja.

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