Dienstag, 25. August 2015

Die vergessene Revolution

Es gibt da diese Umfrageaktion RPGaDAY2015, die im Wesentlichen ein reiner Präferenzfrageboben ist, den man auch im Block beantworten könnte. Aber sei's drum, ausnahmsweise beteilige ich mich daran, denn die heutige Frage lautet "favourite revolutionary game mechanic". Und dazu gibt es etwas zu sagen.

Das ist natürlich die level vs armor class Tabelle aus Basic D&D und ähnlichen Derivaten.
Auf einer Tabelle lässt sich ablesen, welche Zahl man mit einem entsprechenden character level würfeln muss, um den Gegner zu treffen.
Ich wähle sie nicht, weil sie revolutionär für das Rollenspielhobby war, oder weil das character level und die armor class verglichen wurden, sondern weil das Prinzip im RPG hätte revolutionär sein sollen. Spätestens seit Verwendung zuvor in Wargames waren Zahlentabellen sowieso revolutionär. So revolutionär, dass die Methode im Brettspielbereich auch heute noch immer wieder gerne benutzt wird und Battletech Spieler können davon sowieso ein Lied singen.
Im Rollenspielbereich läuft das natürlich alles anderes. Denn im Rollenspielbereich ist jeder ein "Designer". Ich zitiere sinngemäß folgenden Kommentar zu dieser Tabelle, den ich beim Netzsurfen leider wieder aus den Augen verloren habe: "Ich nutze lieber die Treffertabelle aus Labyrinth Lord, weil darin nicht solche Sprünge sind, wie in den alten D&D Versionen".
Sprünge. 
Auf die Idee, eine Zahlentabelle mit Abstufungen in 1er Schritten überhaupt aufzusetzen, muss man erst einmal kommen! Zugegeben, hinter der Labyrinth Lord level vs. armor class - Tabelle steckt noch mehr, aber das ist genau der Punkt: Habt ihr euch schon einmal gefragt, warum die armor class "Klasse" heißt? Weil sie eine Gruppe von Modifikatoren umfasst. Die "Zahl" der Klasse selbst, die in aktuellen Rollenspielen gerne verrechnet wird, ist vollkommen irrelevant und man hätte sie auch besser A, B, C, D,... nennen können. Sprünge in solchen Wertetabellen dienen dazu, auf aller einfachste Weise nicht lineare Progressionen umzusetzen. Das ist insbesondere Wichtig, wenn man ein großes Spektrum von Kapazitäten (Größenklassen, Geschwindigkeiten, Stärke etc.pp.) handhabbar machen will. Daher nutzen wir zum Beispiel in unserem eigenen Rollenspiel SchildWacht (zurzeit "closed beta") auch eine Wertetabelle, welche Fertigkeitsstufen logarithmisch darstellbar macht ohne den Spieler komplexe Rechen- oder Würfelmethoden durchexerzieren lassen zu müssen. Vielen nachfolgenden Rollenspielern von OD&D waren diese Tabellen trotzdem zu "langsam" oder eben sprunghaft in der Anwendung, also ersetzten sie sie durch einfache Arithmetik mit dutzenden Modifikatoren, dabei jegliche Skalierbarkeit über Bord werfend.

Daher wünsche ich mir, man würde diese sehr einfache und sehr effektive Methode der Wertetabellen auch im RPG Bereich weiterentwickeln, so wie es die OSR (old school renaissance) hin und wieder zumindest versucht.