Samstag, 22. Mai 2010

Die D&D4 Kritik verstehen

...oder ist D&D4 ein Rollenspiel?

Gerade kocht mal wieder im Tanelorn die bereits jetzt gealterte Diskussion darüber hoch, ob D&D4 ein Rollenspiel ist. Kurzum: Das ist es schon. Jedenfalls nicht mehr oder weniger als die zahlreichen Erzählspiele, von deren Mechanismen sich die Küstenzauberer zum Teil wohl haben beeinflussen lassen.

Jedoch kommt es im Zuge der Diskussionen – eher Streits – oft zu Mißverständnissen. Und obwohl ich eher zu denen gehöre, die die 4. Edition gut und in vielen Bereichen besser als die vorherigen beiden Editionen finde, kann ich die Kritiker gut nachvollziehen. Da ich für Rollenspielkritik grundsätzlich offen bin, möchte ich, daß ein wichtiger Kritikpunkt auch richtig verstanden wird. Jedenfalls so, wie ich es nach dem Aneinander-vorbei-reden in vielen D&D4 Diskussionen wahrnehme :


Das größte Mißverständnis scheint mir, ist, daß die D&D4 Kritik häufig an den Figurenkämpfen festgemacht wird. Die Regeln stützten sich zu stark auf Kämpfe, die auf einem Spielbrett mit Kästchen ausgetragen werden. Zu Recht halten dann die Fürsprecher von D&D4 dagegen, daß dies in den vorherigen beiden Editionen schon genau so war. Dabei geht es bei dieser Kritik gar nicht um die Figuren oder die Kästchen selber, sondern wie diese in der vierten Edition umgesetzt sind, denn das unterscheided sich grundlegend von den älteren Editionen. Die Kämpfe sind nicht mehr so handlungsorientiert wie vorher. Man lässt seinen Charakter nicht mehr durch die Regeln agieren, sondern man lenkt oft mit Hilfe der Regeln nur die Erlebnisse des Charakters. Der Unterschied macht sich meistens dadurch bemerkbar, daß sich die Auswirkungen der Regeln in der Spielwelt erst viel später erklären lassen. Das Mittdendringefühl für den Charakter geht dabei natürlich häufig verloren, vor allem, wenn man es handlungsorientiert gewohnt ist.

Ein Beispiel wären die berühmten Encountermanöver der Kampfklassen. So ein Encountermanöver kann ein Spieler einmal pro Kampf einsetzen, danach erst wieder im nächsten Kampf (wenn genug Zeit dazwischen vergangen ist). Es gibt in der Regel keinen Grund, warum der Kämpfer das Encountermanöver nicht mehrmals hintereinander anwenden könnte, schliesslich sind es nur ein paar Hiebe und Stiche. Im Nachhinein kann das aber so interpretiert werden, daß der Kämpfer die Gelegenheit hatte dieses Manöver lediglich nur einmal anzuwenden.

Das hat nichts mehr damit zu tun, "durch" den Charakter in der Spielwelt zu handeln, sondern seine Geschichte zu steuern. Dadurch gewinnen die Figurenkämpfe vor allem ein brettspielartiges Spielgefühl (nicht zu verwechseln mit spielbrettartig ;) ).

In der 3.Edition und davor war das grundsätzlich anders, da stellte eine Regel meist eine Handlung des Charakters dar und die Auswirkungen haben sich direkt gezeigt, auch auf dem Spielbrett mit den Kästchen. Fast alle Editionen sind spielbrettlastig, aber lediglich in der 4.Edition wirken sie auch wie ein abstraktes Brettspiel.

Das ist ein wichtiger Kritikpunkt, den ich absolut teile. Deswegen ist D&D4 immer noch ein Rollenspiel, und ein gutes dazu, aber eben ein anderes. Aus diesem Grund verbinde ich mit D&D4 auch eher eine Hassliebe, weil ich die Durchdachtheit des Ganzen und die Funktionalität sehr schätze, aber gleichzeitig die Spielstiländerung verfluche, weil es mir nicht mehr möglich ist eine Figur darzustellen, sondern nur noch "dabei" zu sein und zu sagen wie sie etwas erlebt.


Und die radikaleren D&D4 Spieler machen es sich mitunter sehr einfach, diesen Punkt zu ignorieren und die Diskussion damit abzuschmettern, das es allein um die Spielbrettlastigkeit ginge.

Den radikalen D&D4 Kritikern auf der anderen Seite jedoch, liegt mehr daran D&D4 als Rollenspiel zu disqualifizieren, als ihren Punkt wirklich verständlich zu machen. Ich habe ohnehin den Eindruck, daß manchen gar nicht bewusst ist, was genau sie an dem System stört, da sie im Spiel nur merken, daß es "anders" ist.


AmBesten fährt man also, beiden Hypes aus dem Weg zu gehen und sich die Sachlagen nüchtern anzuschauen. Ich kann nachvollziehen, daß D&D4 ein Rollenspiel ist, daß wenigen alten D&D Spielern gerecht wird und bedauere die Stiländerung der Wizards auch, jedoch ist es als findiger Rollenspieler kein Grund auf dieses wesentlich durchdachtere und eingängiere Spiel zu verzichten (die Skill Challenges alleinig seien hiervon ausgenommen), wenn man sich nur zu helfen weiß, die erzähllastige Seite von D&D4 einfach auszubauen, wie einige kreative Köpfe immer wieder zeigen.

Hausregeln haben in D&D und im Rollenspiel Tradition. Was hindert uns daran, sie hier anzuwenden, zumal viele 3.5 Spieler sicher mehr Hausregeln in ihren Runden benutzen als sie bereit sind in D&D4 anzuwenden? Das bereits 3.5 und davor ebenfalls viele konkret schwer zu interpretierende Regeln besitzen (Trefferpunkte z.b.) und D&D4 damit ein stringenteres Gesamtkonzept verfolgt, wird dabei auch gerne ignoriert.

8 Kommentare:

  1. Leute denken gerne in Schubladen und in Foren lässt sich herrliche streiten, da weitgehend anonym und keine Gefahr sich emotional mit dem Gesprächspartner auseinandersetzen zu müssen, das führt zu überflüssigen Diskussionen. Würden die "Analytiker" unfehlbar sein, hätten die "Rollenspieltheoretiker" mit ihrem Geplapper recht, es gäbe das perfekte Volks-Rollenspiel mit ultimativen Verkaufszahlen. Dabei gehen die Meinungen schon auseinander, was überhaupt ein (Tisch)rollenspiel ist. Und um das zu Erklären, wurden Fachbegriffe konstruiert. Dabei ist das Etikett doch egal. Die Frage muss nur lauten: Habe ich mit dem Spiel Spaß?

    Lautet die Antwort "Ja", dann kann sich mit Gleichgesinnten ausgetauscht werden. Lautet die Antwort "Nein", warum sich dann in entsprechenden Channels herumtreiben? Ein wenig mehr Ehrlichkeit in eigener Sache würde Streitigkeiten und heiße Diskussionen vermeiden helfen. :)

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  2. Ausgewogener als viel andere Posts zu diesem Thema. Die Frage, ob die D&D4 ein Rollenspiel ist, wird tatsächlich oft gestellt. Unterhält D&D4? - ist doch eine spannendere Frage, oder?
    Ich finde schon... Für ROLLENspiel gibts entsprechend entwickelte Systeme. D&D war schon immer mehr auf Fight & Loot ausgerichtet.
    Aktuell gibts wunderbarerweise 2 Varianten des Spiels. Die einen können das modernere D&D4 zocken und die anderen weiter 3.X mit dem "nachgemachten" Pathfinder spielen.

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  3. Für mich stand die Frage, ob D&D4 ein RPG ist, eigentlich nie zur Debatte, weil es offensichtlich eines ist.

    Ob das Spiel Spass macht ist wohl wirklich die entscheidende Frage. Aber man muss auch darüber reden dürfen und es begründen, wenn es einem keinen Spass macht.

    Ich glaube viele 3.5er haben sich auf D&D4 gefreut aber sind dann enttäuscht worden, weil es ein anderes Spiel ist.

    Die Antwort "dann spielt halt was anderes" ist keine Lösung. Viel spannender finde ich die Frage: Was kann man tun, damit es sich wieder so spielt wie vorher, nur mit allen Vorteilen von D&D4.
    die Verzweiflung in der Hinsicht ist allenorts augenfällig:
    http://tanelorn.net/index.php/topic,55427.msg1113934/topicseen.html#new

    ich wollte ja vor allem ansprechen, das es nicht nur Leute gibt, dies supertoll und superschlecht finden, sondern das man sich objektiv mit den Vor und Nachteilen auseinander setzen kann.
    Auch dann ist "dann spielt halt was anderes" kein wirklich angebrachte Antwort.
    Diese Leute wollen Regellösungen.

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  4. Gut möglich, dass Wotc mit einem DMG3 möglichweise in Richtung Rollenspiel nachlegt.
    Aber zurück zum alten Feeling mit den Vorteilen der aktuellen Version. Klingt irgendwie paradox (imho).
    House Rules erscheinen bei Bedarf am ehesten naheliegend. Überdies sehe ich eigentlich keinen Grund für eine Rückbesinnung zu der eher
    kruden alten 3.X-Generation (wieder imho).
    Die Frage mit den Encounter-Powers sehe ich ein wenig so, dass die mitunter auch für Fighter eher magisch sind. (Thunder-Powers bei Barbaren usw.)
    Ferner ist unklar, warum andere Alternativen keine Option sind?
    Wenn ich Descent mit ein wenig RPG haben will, dann gibts D&D4 und wenn nicht, dann eben was anderes (nur kein 3.X mehr :-)
    D&D4 erscheint mir ein sehr geschlossenes System, welches House Rules nur bedingt unterstützt.
    Ich teile die D&D4-Verzweiflung nicht. Es ist
    ein sehr okayes Spiel, wie es sich derzeit präsentiert. Die At-Will/Encounter/Daily-Powers funktionieren an unserem Tisch sehr gut.
    Die Realismus/Simulationsfrage kommt mir
    bei diesem Spiel nicht in den Sinn.
    Mag sein, dass andere Spiele diese Lücke gut schließen.
    Ich würde gerne mit einer Gegenfrage schließen:
    Warum machen viele Spieler keine eigenen House Rules, wenn etwas für sie nicht paßt. Warum warten lamentierend so viele auf eine sehr unwahrscheinliche Besinnung von WOTC?

    Das ist doch ein Vorteil der Pen & Paper-Spiele,
    jeder kann selbst kreativ werden und sein Spiel ändern.

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  5. Andere Alternativen sind natürlich immer eine Option. Aber warum sollte das die naheliegendste sein, wenn man doch D&D spielen will?

    Die Sache mit den Vorteilen der 4E aber einem handlungsorientierterem Spielgefühl, soll nicht heissen, daß man sich die unflexible, träge Spielweise der 3E zurück holt. Klar kann, ich jederzeit 3E spielen, andererseits bastele ich lieber tagelang an 4E herum, um daraus ein Charakterzentrierteres Spiel zu machen, also 3E anzurühren (ich hab auf dem Blog ja auch ein paar reingestellt). Für mich z.b. gibts eigentlich keine Alternative, wenn ich D&D4 spielen will, aber eben nicht storylastig, weil es imho nunmal die beste Edition ist.

    Das ihr z.b. nichts vermisst, ist eher ein Zeichen, daß ihr mit dem storylastigen Wechsel sehr gut klar kommt. Dann ist kein Handlungsbedarf.

    zu deiner Gegenfrage: Das ist genau die Frage, die ich im Beitrag gestellt hatte ;)

    @Kampfmanöver magisch: Ja, das ist zum Teil richtig. Das ist aber nicht bei allen Powers so.

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  6. Oopps, you are right. Die Frage ist doch sehr ähnlich. ;-) Entschuldige, habe wohl den Kontext durch Bezug auf die Antwortposts verloren.

    Ja, und die oft verfluchte 4. Edition ist wohl die beste Variante von D&D.(IMHO too! Gibt sicher andere Meinungen...)
    Ich finde jedoch, die 4. Edition sträubt sich auf Grund des Spielaufbaus (besonders Charaktererstellung und Kampf) und der Werkzeuge stark gegen Eigenumbau. Überdies kommt noch der psychologische Effekt hinzu - wäre ja nicht offziell von WOTC und warum bezahle ich so viel für ein Spiel, das ich alsdann ändern muss. Die Erwartungshaltung ist scheinbar sehr groß und oft kaum lösbar.
    Möglicherweise ist es ein Fingerzeig der Macher in unterschiedlichen Spielmodi zu spielen. Free-Form-RPG (wenig Regeln) auf der einen Seite und ein ausgefeilter Fantasy-Combat-Simulator auf der anderen Seite.(komplexere Regeln)
    Der Kampf spielt sich zugebenermaßen eher wie ein schickes Brettspiel. Ich finde, dass sich D&D schon lange so angefühlt hat - nun ist es eben explizit und klarer ("besser") dargeboten.
    In unserer Runde gibt es keinerlei Bastel-Diskussionen. Für uns ist es Okay, wie es ist.

    Ansonsten spielen wir einfach WFRP3 oder was anderes...Auch so ein von Hardcore-Fans kritisch beäugtes Spiel. Wir mögen es ... (wie D&D4).
    Ich für meinen Teil habe primär schlechte Erinnrungen an D&D3.X. Sonderregel hier, Sonderregel da und noch ne Prestige Class mehr, damit ich die anderen Mitspieler eigentlich nicht brauche. So sind -meine- Erfahrungen mit dem Spiel. Andere mögen diese Erfahrungen nicht teilen, doch ich für meinen Teil mag keinesfalls wieder zurück.
    Vielleicht wäre es ein Appell wert, dass Wotc eine offenere (Plugin-)Schnittstelle zu ihrem Spiel und den Tools macht.
    Die Geschlossenheit des System und die neue Gaming Lizenz verhindern wohl eine breitere Marktunterstützung durch Drittanbieter (und Home Rules)? So zumindest meine Einschätzung.

    Zum Thema Kampfmanöver: Gut möglich,dass D&D4
    eher das alte Earthdawn-Konzept verfolgt. Alle Helden und ihre Talente sind mehr oder minder magisch. Im Spiel hat es uns nicht gestört.

    Zugebenermaßen hatte ich auch so meine Bedenken beim Lesen der Hit Points/Bloodied/Healing Surge-Regelen, aber bei uns spielt es sich so flüssig, dass wir den "Realismus" ignorieren. :-)

    Letztendlich schön, dass jemand kritische Fragen zum Spiel und der Spielumgebung stellt.
    Es gibt genug Blogs, die eher einseitig über den 3.X-Nachfolger berichten und diesen quasi als -alleinigen- Heilsbringer anpreisen.
    Für mich ist diese Spielinkarnation nichts, aber
    unterm Strich ist es cool, dass sich jede Runde eigenständig entscheiden kann.
    Wäre jedoch schön, wenn die Meinungen ohne gegenseitige Angriff bestehen könnten.

    Ich werde diesen Blog ein weiter verfolgen ...
    Merci

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  7. Viele Earthdawn Ähnlichkeiten haben wir in unserer Runde zu D&D4 auch schon gefunden. Das fängt ja schon bei Healing surges an.

    @Hausregeln: das stimmt. D&D war immer sehr undankbar was Hausregeln anging. Und bei D&D4 kann man viel kaputt machen, wenn man zu viel herumschraubt.

    Ich fand, daß D&D hatte schon immer eine große Diskrepanz zwischen der freeformigkeit auf der einen und der stark verregelten Kämpfe auf der Anderen Seite. Sehr viele Rollenspiel haben sich das ja auch abgeguckt.

    das Problem, daß sich Spieler dagegen sträuben etwas andere Regeln als "offiziell abgesegnete" zu benutzen, kenne ich auch nur allzu gut. Da nimmt man lieber alle Macken eines Systems hin, anstatt die Regeln zu korrigieren, bloß weil sie dann nicht mehr "by the book" sind, als spiele man dann etwas anderes (oder als wäre es schlimm etwas anderes zu spielen).

    Ich glaube die Leute wollen vergleichbarkeit und Sicherheit. Die wollen von ihren D&D3.5 Charakteren erzählen, oder in irgendwelche Runden einsteigen und losspielen ohne den Leuten zu erklären mit welchen Regelabwandlungen sie nun spielen.

    ich bin gespannt, was es in nächster Zeit zu D&D4 zu berichten gibt. Leider habe ich im Moment auch keine D&D4 Runde (habe ca. 1Jahr gespielt), dafür aber eine 3.5 Runde :P

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  8. Viel Spass mit Deiner 3.5 Runde. Hoffentlich sind die Leute nett, wenn das Spiel... (Scherz!)

    Hinsichtlich "Vergleichbarkeit und Sicherheit":
    D&D4 Charaktere mit dem CC gebaut sind wohl sehr "vergleichbar".
    Ja, das mit Sicherheitsgefühl könnte hinauen.
    Warum nur - ist doch nur ein Spiel.

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