Sonntag, 20. Juni 2010

Was ist los mit der Hausregelfeindlichkeit?

In letzter Zeit weht mir von allen Seiten eine Abneigung gegen Hausregeln und Regelmodifikationen entgegen, sei es in Foren oder in den eigenen Runden und ständig sehe ich mich genötigt, mich zu rechtfertigen.
Verdenken kann ich es nicht, denn früher habe ich auch so gedacht.

Ein Rollenspiel hat man gefälligst "by the book" zu spielen, das heisst, man befolgt die Regeln Wort für Wort. Das musste nicht unkritisch geschehen, man war sich der Schwächen gewisser Regeln durchaus bewusst, aber etwas ändern? Nein, auf keinen Fall! Und wenn eine Regel fehlte? Nun, im Zweifelsfall wechselte man eben das Rollenspiel zu einem System mit NOCH mehr Regeln, die die Lücken abdeckten, und die man befolgen konnte (meiner Ansicht nach konnten so überhaupt die schweren Regelsysteme wie DSA4 erst entstehen, aber das ist nur meine Meinung). Aber sobald man eigene Ideen einbrachte, machte das System keinen Spass mehr, meistens den Mitspielern, die diese Ideen eben nicht hatten.

In Foren liest man dann äquivalent, daß System A oder B nicht mehr "echt" sei, wenn man dieses oder jenes ändere, oder das man sich nur an die Eigenheiten gewöhnen müsse. Im Zweifelsfall solle man einfach ein anderes System nehmen, welches bestimmte Ansprüche bedienen kann (dafür andere Ansprüche wiederum nicht). Das geht so weit, daß User nicht bereit sind mit einem zu diskutieren, wenn man nicht das "echte" System spielt.

Und je mehr ich mich mit Rollenspiel beschäftigte war mir irgendwann, aber später als nötig, klar, die Autoren von 90% der Regelwerke sind keine Spieldesigner, sondern Rollenspieler wie du und ich. Sie sind nicht mehr oder weniger qualifiziert ein Regelsystem herauszubringen. Manche Autoren sind sogar so dreist, daß sie im Grunde nur ihre eigene, willkürliche Hausregelsammlung als Buch herausbringen und das Rollenspielsystem nennen.

Woher kommt nun die Angst, sich unter den Scheffel dieser Leute zu stellen? Ich denke es ist zum Einen die Vergleichbarkeit. Man kann sich leichter austauschen, wenn man einfach sagen kann, man habe Klasse X mit Fähigkeit Y auf Stufe Z. Im Internet ist das wichtiger denn je. Als Zweites schwebt immer die Angst herum, daß man keine Mitspieler oder Runden findet, wenn man nicht das "echte" System spielt. Und als Drittes ist es Revierdenken, wie kann man jemanden (z.b. einen Mitspieler) an dem bevorzugten System herumdoktorn lassen, als könne er es besser, als man selbst. Nein, bevor man zugesteht, daß eine Hausregel eine gute Idee sei, bleibt man lieber beim geschriebenen Wort, das ist die einfachste Einigung.
Und es ist immer nur der kleinste gemeinsame Nenner, nicht mehr. Ein festes Regelsystem ist im Grunde nur ein Puffer oder Schiedsrichter gegen Uneinigkeit.

Ich habe mich von diesem Hörigkeitswahn im Rahmen des freien Rollenspiels gelöst. Geholfen hat mir dabei die Philosophie der leichten Regelwerke. Ironischerweise gehören die ältesteten Rollenspiele überhaupt in diese Kategorie. Es geht zum Einen darum, mit so wenigen Richtlinien wie möglich Probleme kreativ und manchmal spontan zu verregeln und zum Anderen der Aufruf, Regeln an die eigenen, individuellen Bedürfnisse einer Spielrunde anzupassen.

Heute spiele ich so gut wie kein System mehr ohne Hausregeln oder Modifikationen, selbst meine allerliebsten Rollenspiele nicht. Ich habe keine Skrupel ganze Module aus Systemen herauszureissen oder umzubauen, und höre mir dafür Vorwürfe über fanatischen Perfektionismus an. Aber kein Rollenspiel ist eben perfekt und kein Rollenspiel kann die einzigartigen Ansprüche einer Rollenspielrunde bedienen. Es gehört nur ein bisschen Eigenständigkeit dazu dieses einfache Problem zu lösen. Ich kann das tun, weil ich mich als fester Dauerspielleiter zur Verfügung stelle, mit der Bedingung, daß ich die Kontrolle über die von mir verwendeten Regeln habe. Im Grunde mache ich nur das, was Rollenspieler schon vor zwei bis drei Jahrzehnten gemacht haben, bevor sie ihre Regelsammlungen irgendwann aufschrieben und anderen zur Verfügung stellten.

Samstag, 19. Juni 2010

Was in aller Welt ist .... ein Blue Hole?

Besser spät als nie. Eigentlich fehlt mir die Zeit lange Blogartikel zu schreiben und ich hatte schon vor längerem angekündigt mich kürzer fassen zu wollen. Mal schauen, ob es mir diesmal gelingt.

Bei meinem letzten Eintrag gab es das Mißverständnis, daß dies der erste Artikel der Was in aller Welt... Reihe wäre. Tatsächlich sind es deren fünf. Ihr findet sie, wenn ihr in den Kategorien rechts auf "Was in aller Welt..." klickt. =====>

Ich hab immer noch Probleme mit dem Zeilenabstand, die Blogsoftware scheint sich willkürlich einzeilig oder 1,5 zeilig auszusuchen. Wenn jemand eine Lösung dafür hat, freue ich mich über einen Kommentar.


Blue Holes

Räumlich: [bis zu viele zehner km langes Höhlensystem]
Vorkommen: In Regionen mit küstennahen Karbonatplattformen
Gefahrenpotential:
[minder gefährlich]
Zeitskala: [rezent]
Was ist ein Blue Hole?

Heute wird es blau. Sehr blau. Ich übersetzte den Begriff bewusst nicht, weil es sich um eine Art Fachbegriff handelt. Ein Blue Hole gehört zu diesen Phänomenen, die man fasziniert endlos lange anstarren kann, um sich zu fragen, wie so etwas entsteht, und dabei die Zeit zu vergessen. Dabei ist die Lösung vergleichsweise einfach, wenn man in langen Zeiträumen denkt.

(Luftaufnahme des Great Blue Hole in Belize, (Q: Wikipedia)

Ein Blue Hole ist ein Spezialfall einer Senke im Kalkgestein, einer sogenannten Doline, und zwar handelt es sich um ein von Oberflächenwasser oder Grundwasser überflutetes Höhlensystem. Der kreisförmige Einstieg täuscht darüber hinweg, daß sich darunter ein verzweigtes, viele Kilometer langes Höhlensystem befinden kann. Ein Blue Hole kann über 100 Meter steil nach unten ragen, wodurch die dunkelblaue Färbung des Wasser neben den flachen Archipelen besonders hervorsticht.


Der Begriff Blue Hole wird nicht einheitlich verwendet. Man kann sie grob in die Kategorie Ocean Blue Hole und Inland Blue Hole einteilen, wohingegen, wie der Name schon sagt, ein Ocean Blue Hole vornehmlich mit Meerwasser an der Küste und ein Inland Blue mit Süßwasser (Oberflächenwasser oder Grundwasser) gefüllt ist. Inland Blue Holes werden auch als Cenoten bezeichnet. Es gibt noch zahlreiche andere Klassifikationen, die wir hier aber nicht durchgehen müssen. Es sind keine einmaligen Erscheinungen und es sind tausende von Blue Holes und Cenoten auf der Welt bekannt, mit der höchsten Dichte in der Karibik und Zentralamerika.

http://www.laputanlogic.com/images/2004/02/17-YAYD0T2N00.jpg
(Zacaton Cenote, Mexiko, Quelle: Ann Kristovich)

Die meisten und größten Blue Holes findet man auf den Bahamas und in Belize. Das tiefste Blue Hole der Welt mit über 300m Tiefe ist der Zacaton in Mexico.


http://www.stoneaerospace.com/news-/pictures/ZacatonMission05152007-001.jpg
(Scan des Zacaton, Nasa Mission DEPTHX, Quelle: Stone Aerospace/ Team DEPTHX)


http://www.stoneaerospace.com/news-/news-zacaton-mission3-01.php
(NASA Missionsbericht von DEPTHX, Quelle: Stone Aerospace)

Wie ensteht ein Blue Hole?

(nicht Simulationisten können das auch überspringen)

Der Entstehungsprozess von Blue Holes setzt viele zehntausend Jahre in der Vergangenheit an, die Grundlagen jedoch bis zu viele hundert Millionen Jahren. Günstige Vorraussetzungen zur Bildung finden sich auf Karbonatplattformen. Dies ist ein sedimentärer Körper, der sich aus Kalkgestein im Flachwasser in feinen Schichten übereinander ablagert. Das Kalkgestein entsteht durch den Metabolismus von Mikroben oder aus den Skeletten von sessilen (festsitzenden) Lebewesen wie Korallen. Während man die Blue Holes theoretisch in jeder Klimazone antreffen kann, bilden sich die Riffplattformen nur in warmen Gewässern (was das Vorkommen der Blue Holes durch die Bewegung der Erdplatten natürlich einschränkt). Die Plattform bildet qausi eine solide, massive Platte.

Im Laufe der letzten Eiszeiten, das letzte Eismaximum war vor 20.000 Jahren, senkte sich der Meeresspiegel um bis zu 130 Meter. Dadurch fielen einige der alten Riffplattformen trocken. Besonders alte Strukturen sind aufgrund von Spannungen von Rissen durchzogen, in die Oberflächenwasser eindringen kann und den Kalk auflöst, so daß Karsthöhlen entstehen. Das tatsächliche, prominente Loch, das man heute vorfindet, kann dann entstehen, wenn eine solche Höhlendecke kollabiert.

http://farm2.static.flickr.com/1220/713701474_cabe787b55.jpg

(ein "trockener Einstieg" in einen Cenot, nach dem Einsturz einer Höhlendecke, Quelle: Cesar Ramos)

Im Laufe der ausgehenden Eiszeit stieg der Meerespiegel wieder an und füllte die Höhlensysteme. Äquivalent geschah dies mit Grundwasserschwankungen auf dem Festland.



Eigenschaften (und Gefahren) der Blue Holes

Blue Holes und Cenoten sind ein Paradies für Taucher. Die Höhlenstruktur reicht von einfachen Systemen, wie das des Guardian Blue Holes auf Andros Island auf den Bahamas bis zu hochkomplexen verzweigten Systemen.


http://www.tamug.edu/cavebiology/Bahamas/caves/images/GuardianMap.jpg
(Karte des Guardian Blue Hole, Quelle: Brian Kakuk)

Tauchgang
(Tauchgang in einem Cenot nahe Playa del Carmen, Mexiko, Quelle: Rob Laddish)

Berühmt sind die Cenoten der mexikanischen Bundestaaten Quintana Roo und Yucatan. Dort finden sich an die 1000 Cenoten von wenigen zehner Metern bis wenigen hundert Metern Tiefe und die vermutlich größten Unterwasserhöhlensysteme der Welt, das Ox Bel Ha und das Sac Actun mit jeweils ca. 180km Länge.

http://www.caves.org/project/qrss/sacactun2004.jpg

(Höhlensystem des Sac Actun, Quelle: QRSS, 2004)

http://wetworx.nl/Cavemaps/Ox%20Bel%20Ha%20total.gif

(Höhlensystem des Ox Bel Ha, Quelle: GEO)

Diese unterirdischen Flusssysteme fliessen wie alle Flüsse Richtung Ozean und sind mit unzähligen Oberflächeneinstiegen verbunden, die längst nicht alle erforscht sind, da sie im Dschungel Mittelamerikas nur schwer aufzufinden sind und nur wenige Meter groß sein können.

http://www.elrivalinterior.com/actitud/Nutricion/cenotes-tulapina.jpg

(ein im Dschungel versteckter Einstieg in das Höhlensystem von Ox Bel Ha, Tulapina Cenot, Quelle: podwodne groty Blog)

Da die Bedingungen meist anoxisch, also sauerstoffarm, sind und zudem wenig Licht in die Höhlen dringen kann, finden sich weniger Lebensformen vor, als im Licht durchfluteten Flachwasser. Sie wirken aber nur auf den ersten Blick tot. Neben Kleinstlebewesen oder Krebsen findet man tatsächlich sogar Großlebewesen wie Manatees, Seekühe, in den mexikanischen Höhlensystemen vor, die im Flachwasser und den Flussläufen Mittelamerikas leben und die durch bislang unbekannte Zugänge von der Küste in die Unterwasserhöhlen eindringen.

http://photo.starnet.ru/Thematic_Wallpapers/Zhizn/Vodnyj_mir/Lastonogie/images/MANATEE.jpg

(eine Manatee, hier an der Küste. Durch Unterwassereinstiege können sie bis in die Höhlensysteme vordringen)

In Blue Holes können sich Landfossilien aus der Zeit vor der Überflutung finden lassen, wie zuletzt in 2007 ein 1000-4000 Jahre altes Landkrokodil auf Abaco Island auf den Bahamas.

http://i.livescience.com/images/071207-croc-skull-02.jpg

(Schädel des ~2500 Jahre alten Landkrokodils von Abaco Island, Quelle: Nancy Albury, The Antiquities, Monuments and Museums Corporation)

Blue Holes sind ungefährlich, so lange man sich nicht in sie hineinbegibt. Die einfachste Art im Höhlensystem eines Blue Holes in Schwierigkeiten zu geraten, ist sich ganz einfach zu verirren. Man muss bedenken, daß das Höhlennetz sich in alle Richtungen erstrecken kann und das Wasser die Möglichkeit bietet, sich frei nach oben und unten zu bewegen. Aus diesem Grund führen Taucher eine Führungsschnur mit sich. Nicht selten gibt es eine Trennschicht zwischen salzigem Meerwasser und süßem Grundwasser darunter, die wie eine zweite Wasseroberfläche wirkt, an der sich das Licht bricht, wodurch sich Taucher schnell aus den Augen verlieren können.

http://www.gue.com/files/page_images/expeditions/Exploration/Cave/mexico/030_DSCF0033.jpg

(unwirklicher Tauchgang im Höhlensystem von Ox Bel Ha, Quelle: D.Riordan)

Eine weitere Gefahr sind starke Strömungen, besonders in den küstennahnen Blue Holes, die den Gezeiten ausgesetzt sind. Durch die Turbulenzen können selbst kleinere Boote hinuntergezogen werden. Durch die stark unterschiedliche Weite der Höhlengänge können zudem selbst schwache Strömungen in engen Passagen einen hohen Druck erreichen, so daß es passieren kann, daß man zwar in eine Öffnung hinein, aber nicht zurück schwimmen kann.



Einsatz im Rollenspiel

Ich muss Rollenspielern sicher nicht mehr erklären, wie sie Höhlen einsetzen können, daher nur ein paar und Anregungen.

In Ermangelung natürlicher Erklärungen waren die Cenoten für die Maya in Yucatan der Einstieg in die Unterwelt. Die opferten den kreisrunden Abgründen unter anderem Goldgegenstände und andere Schätze. Auch Menschenopfer sind nachgewiesen. Nicht zuletzt siedelten sich die Maya in der Nähe der Cenoten an, da diese in der Trockenzeit die einzige Wasserversorgung waren.

Die Eingeborenen Bahamaer deuteten (und tun es angeblich noch heute) die Blue Holes als "Blaslöcher", hervorgerufen durch das Ungeheuer Lusca, ein mythisches Wesen halb Octopus, halb Hai, welches vermutlich auf die Funde gestrandeter Riesentintenfische zurückgeht. Das "Atmen" des Ungeheuers, welches man in den Blue Holes wahrnimmt, lässt sich durch Gezeiten, Strömungen und Wasserspiegelschwankungen erklären, ebenso wie ein whirlpoolartiges Sprudeln in diesen Höhleneingängen. Dennoch ist es eine Steilvorlage für einen cthulhoiden Mythos.

Zuletzt angemerkt sei eine äusserst nützliche Spielhilfe, eine Sammlung verzeichneter Unterwasserflusssysteme, die zum Teil oben schon verlinkt wurde.

http://wetworx.nl/Cavemaps/cavemaps.html

(Quelle: www.wetworx.nl)

Die Genauigkeit der Karten schwankt stark, jedoch finden sich wunderbare Exemplare, die man 1:1 als Dungeonkarten benutzen kann.


http://wetworx.nl/Cavemaps/Sac%20Actun%201.jpg
(Ausschnitt des Sac Actun Höhlensystems, Quelle: www.wetworx.nl)



Schlussbemerkung:

Naja, wie es aussieht habe ich allenfalls ein Viertel an Text eingespart. Ich mag keine halben Sachen, und werde wohl auch das nächstes Thema wieder gründlich behandeln. Dementsprechend bitte ich um Geduld, da ich mir keine wöchentliche Frequenz leisten kann.

Danke fürs lesen und abgetaucht...