Dienstag, 8. Februar 2011

Wir leben in verschiedenen Welten

Man kann unbestreibar sagen, daß die Anzahl der Rollenspieler überschaubar ist. Hinzu kommt erschwerend, daß sich diese geringe Anzahl auf sehr viele Rollenspiele verteilt. Ein dritte Aufsplittung, dir mir persönlich zu schaffen macht, ist aber eine andere.
Immer öfter fühle ich mich genötigt zu sagen, daß ich ein komplett anderes Hobby betreibe, als die meisten anderen Rollenspieler, die ich kenne und kannte. Üblicherweise würde ich sagen, ich betreibe dasselbe Hobby nur in anderer Intensität oder sogar die ursprüngliche Form von Rollenspiel, aber erwiesenermaßen fühlen sich einige davon angegriffen und begründen ihre Haltung eher mit anderen Vorlieben.

Nun sage ich trotzdem ein anderes Hobby, weil es mir zunehmends inkompatibel zu anderen Spielern erscheint. Das Rollenspiel wird immer nur auf das Spielen reduziert. Dabei gehöre ich nicht zu den Leuten, die nur noch theoretisch Rollenspiel betreiben und gar keine Runde mehr haben oder nur alle 8 Wochen spielen. Ich spiele aktiv Rollenspiel. Aber mein Hobby ist nicht nur das Rollenspielen, sondern das Rollenspiel an sich. Das geht soweit, daß es mir mittlerweile nur noch schwer fällt mit rein spielenden Rollenspielern zusammen Runden zu betreiben. Wenn wir würfeln, denke ich über die Würfelmechanik nach, bewerte sie und überlege ob und wie man sie ersetzen kann. Ich mache mir Gedanken welcher Spielstil wo angebracht ist, wann Miniaturen von Voteil sind, wann erzählerische Kämpfe. Wenn wir spielen, denke ich über die Plotstuktur nach und wie, was und wo ich etwas anders machen würde und wache über die Entscheidungsfreiheit. Ich suche durchgehend nach Systemschwächen und versuche sie zu schliessen, oder beobachte die Performance und Ansprüche der Spielrunden und versuche sie zu verbessern, indem ich nach Techniken Aussschau halte. Das mache ich alles unwillkürlich, weil es für mich dazu gehört.
Und wenn sie nach Hause gehen lese ich in meiner Freizeit Rollenspielsysteme, bastele an eigenen Modulen, schreibe Spielwelthintergründe, plane Kampagnen, zeichne Karten oder Bilder. Und wenn ich das nicht tue recherchiere ich Hintergründe aus Geschichte oder Wissenschaft, die mich interessieren und die mir für das Rollenspiel nützlich sind. Und wenn ich das auch nicht tue, diskutiere ich in Rollenspielforen oder informiere mich und schreibe in Blogs.
Das alles ist für mich Rollenspiel. Und all die reinen Rollen"spieler" stehen dafür nicht zur Verfügung und mache das daher beinahe alleine. Und alleine macht ein Gesellschaftshobby bekanntermaßen keinen Spass, sondern ist stressig und anstrengend. Es ist wie ein Sack Backsteine, den man hinter sich herzieht. Ich sehe im Umfeld keine Begeisterung, kein Elan und keine Leidenschaft. Für jede Veränderung, die ein Mindestmaß an Eigeninitiative erfordert, muss man gegen einen massiven Widerstand ankämpfen, weil es "nicht die Ansprüche der Mitspieler ans Rollenspiel trifft". Die wollen ja nur spielen.
Es fehlt der kreative Zuschub von anderen Leuten, das gegenseitige Zünden von Ideen. Das gemeinsame, anregende Schaffen. Mich interessiert Spielmaterial von Mitspielern ebensosehr, wenn nicht mehr, als eigenes Material. So funktioniert es, man schafft zusammen und gibt sich gegenseitig etwas für das Spiel und das schweisst zusammen. Ich kann mir wenig unterhaltsameres Vorstellen als gemeinsam an Kreativen Projekten zu arbeiten. Es bringt mir also wenig Material für mich selber zu schaffen.
Diese Spielerschaft aus Multihobbyisten ist so klein, daß sie sich international in Foren und Blogs zusammenrotten muss, um kritische Massen zu erzeugen. So gesehen seid ihr da draussen ebenso meine Mitspieler, wie diejenigen, mit denen ich es ehrlicherweise viel lieber betreiben würde, weil ich sie im Umfeld habe und Bekanntschaft natürlich eine Vorraussetzung ist. Internetbekanntschaften sind kein Ersatz. Ich kenne tatsächlich nur noch eine einzige Person, die Rollenspiel als ähnlich vielschichtiges Hobby betreibt. Oder nein, es ist anders. Ich kenne mindestens zwei Personen, aber oft habe ich das Gefühl, daß es dort ähnlich isoliert abläuft, da man nichts zusammen macht.
"Früher" war das gefühlt anders. Da betrieb man Rollenspiel auf vielen Ebenen, auch in der Runde. "Früher", da war das auch nötig, da taugte das Internet nicht als Sprechrohr zur Aussenwelt, man hatte nur sich, die Rollenspielbücher und die Informationen darin waren sehr dünn und man musste alle Lücken selber füllen. Das stemmte man zusammen, denn die nicht akzeptable Alternative war NICHT zu spielen. Heute scheint mir das eher die Ausnahme zu sein und man kommt sich vor wie einer der letzten Überlebenden, während sich in der Mehrheit die einfachere Light-Version von Rollenspiel durchgesetzt hat, der ich wirklich gar nichts abgewinnen kann: Nimm dir ein System, egal was, dann ein Spielweltbuch, steht ja alles drin, spiel irgendwas und irgendwie und dann ab nach Hause. Bloss nicht darüber nachdenken. Also eine recht unselbständige Spielart. Die ich vollkommen toleriere!

Aber ich meine es so, wie es sich liest. Ich habe wirklich den Eindruck, daß etwas verloren gegangen ist. Überall wettert man über die MMORPGifizierung, z.b. bei Warhammer3FRPG oder D&D4, dabei bezieht sich das meiner Meinung nach gar nicht direkt auf die Regelsysteme – das ist vielmehr ein Symptom – sondern auf die ganze Haltung zum Rollenspiel. Das Jobargument kann ich auch nur wenig ernst nehmen, da Jobzeit nichts mit Freizeit zu tun hat, deswegen trennt man diese beiden Zeiten auch. Die Leute, die keine Freizeit haben und keinen Spass am Job haben (sonst würden sie ja kein Rollenspiel spielen) tun mir ehrlich Leid. Ausserdem gibt es genug junge Leute, die viel Zeit haben. Ich kenne selber noch einige jüngere Leute in anderen Runden, mit denen auch nicht viel anzufangen war.
Was bleibt vom Tage übrig? Das Spielen, obwohl zweimal wöchentlich, rückt für mich zunehmends in den Hintergrund, weil es nicht mit den anderen Tätigkeitsfeldern mitziehen kann, die wesentlich produktiver laufen und in die ich mehr Zeit investiere, weil es befriedigender ist (z.b. anregende Internetprojekte in der Community) und das sollte eigentlich nicht so sein. Schlussendlich geht es immer noch um das Spielen. Ich denke nicht, daß man die Spielerschaft hau-ruck artig aus dem Wachkoma aufwecken kann. Offensichtlich wollen sie so ihr ... anderes Hobby betreiben. Und das sollen sie auch, aber was mir fehlt, sind die gleichgesinnten Multihobbyisten. Das Internet ist ja das Tor zu Welt aber ironischerweise sind die Rollenspieler, mit denen man gemeinsam etwas reissen konnte, die man vorher in der Nachbarschaft hatte nun weiter weg als jemals zuvor. Womöglich haben andere Rollenspieler auch ganz andere Erfahrungen gemacht (oder noch entäuschendere?). Das ist nicht nur reines Jammern, ich arbeite an dem Problem. Vielleicht sollte ich mich vermehrt mit dem Konzept Chatrollenspiel per Skype und ähnlichem beschäftigen, das in anderen Runden ja zu funktionieren scheint, und welches es einfacher macht mit engagierten, vielfach interessierten und kreativen Rollenspielern zusammen zu spielen.

Sind eure Eindrücke vergleichbar? Habt ihr ein engagiertes, zusammenstehendes Team aus gegenseitig anregenden Vollblutrollenspielern hinter euch, oder habt ihr euch nur daran gewöhnt alles nur noch im stillen Kämmerchen alleine für euch selbst zu produzieren? Welche Lösungen seht ihr? Sind Skyperunden die Zukunft? Vielleicht interessiert euch selber nur das Spielen und ihr möchtet so wenig wie möglich mit anderen Spielern und Rollenspiel ausserhalb des Spielabends zu tun haben.
Aber wie solltet ihr dann hierhin gefunden haben?

äussert euch hier oder im RSP-Blogs Forum




Sonntag, 6. Februar 2011

Ein Einsteigerrollenspiel darf kein Einsteigerrollenspiel sein! (Gastbeitrag)

Heute mal ein Gastbeitrag eines Freundes. Den Beitrag möcht ich vor dem virtuellen Vergessen bewahren (sofern das hier in dieser kleinen Ecke überhaupt möglich ist). Er ist schon 1-2 Jährchen alt und spricht einen interessanten Punkt bei Einsteigerrollenspielen an.
Es mag sein, daß sich die Lage bei Einsteigerrollenspielen im letzten Jahr geändert haben mag, jedoch geht es hier aussschliesslich um deutsche Produkte, und da hat er sicher weiterhin Gültigkeit. Zumindest, wenn man als Einsteiger ein etwas umfangreicheres Rollenspielerlebnis erwartet.

Danke an Narr für die zur Verfügung Stellung.

ihr könnt den Beitrag auch im RSP-Forum diskutieren.

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In einem Interview schrieb Florian Don-Schauen:

Eine Möglichkeit, Rollenspiel einsteigerfreundlich zu machen. Es gibt seit etwa zehn Jahren in Deutschland kein wirklich interessantes Rollenspiel, mit dem man einfach losspielen kann, so wie es früher war. Bei dem man nicht erst 200 Seiten lesen und verstehen muss, bevor man die erste Spielrunde leiten kann. Es gibt da verschiedene Versuche in verschiedene Richtungen, die aber alle an zwei Problemen kranken: Die einen sind einfach zu kompliziert, zu aufwändig, zu komplex für Leute, die nur mal reinschnuppern wollen. Die anderen sind in ihren Hintergrundwelten zu extrem. Endzeitrollenspiele oder Rollenspiele, wie die “Welt der Dunkelheit”, die in ihren Grundregeln sehr einfach ist, aber einen Hintergrund hat, der Anfänger nicht gerade anspricht.
Ein solches Projekt, mit dem man Einsteiger wieder leichter zum Tischrollenspiel bringt, wäre ein wichtiges Vorhaben für die nächste Zeit.

Quelle: Zivilschein-Blog

Das finde ich ja spannend. Seit ungefähr 10 Jahren, schreibt er, gibt es kein deutsches taugliches Einsteiger-Rollenspiel mehr. Also ungefähr, seit DSA4 erschienen ist und man Das Schwarze Auge nicht mehr als leicht zugängliches Rollenspiel bezeichnen kann. Offensichtlich. Nun ja, eine oft gelesene Meinung im Internet.

Gut, aber sieht die Lage wirklich so trostlos aus? Was sollte ein Einsteiger-Rollenspiel denn überhaupt bieten, damit es als Einsteiger-Rollenspiel deklariert werden kann? Mal überlegen:

* Eine Einführung: Was ist Rollenspiel? Mit einem schön ausführlichen Beispiel, zusammenhängenden Beispiel.
* Kurze und knackige Regeln, die es auf den Punkt bringen, dabei aber gut spielbar sind.
* Tipps und Hinweise für Spielleiter und Spieler, die einen über die ersten Spielabende bringen.
* Fertigabenteuer zum Sofort-Losspielen.
* Ein stimmiges Setting, in das man schnell hineinfindet. Ich stimme Florian zu, dass es nicht zu abgehoben sein sollte.

Nun, etliche Verlage versuchen, diese Lücke mit Einsteiger- oder Intro-Kits zu füllen. Dies sind in der Regel kostenlos erhältliche, stark vereinfachte Fassungen der ihnen zugrunde liegenden Regelwerke. Dazu einige Seiten Hintergrund und mit ein wenig Glück auch ein Abenteuer und ein paar Archetypen, um sofort loslegen zu können. In Deutschland ist diese Sitte leider nicht so verbreitet wie in den USA. Aber es gibt solche Einsteiger-Kits auch hier. Pegasus stellt ein solches Kit für Cthulhu bereit, auch für Midgard gibt es ein Einsteigerset. Ansonsten sieht es aber wirklich ziemlich mau aus. Im Tanelorn gibt es eine ausführlichere Liste mit Intro-Kits, die meisten sind englisch.

Taugen solche Intro-Kits, Einsteiger-Sets etc. denn als Einsteiger-Rollenspiel? Natürlich nicht, denn die gibt es nicht im Laden zu kaufen. Der Einsteiger, der sich im Internet informiert, wird womöglich auf sie stoßen. Tendenziell ist es aber wohl eher eine Sache, die für Rollenspieler interessant sind, die sich nach neuen Systemen umsehen. Zudem lässt sich auf diesen dünnen Heftchen oft nur schlecht aufsetzen, denn sie sollen ja zum Kauf des eigentlichen Regelwerks verleiten – und das können durchaus ordentliche Mammutregelwerke sein.

Wie sieht es nun mit ernsthaften Alternativen aus? Neulich habe ich selber meine Rollenspielschränke durchgesehen auf der Suche, nach einem deutschen Rollenspiel mit leichtem Regelwerk. Denn ein Einsteiger-Rollenspiel ist ja keineswegs nur für Einsteiger interessant! Keineswegs, es soll ja Rollenspieler geben, die es schätzen, dass im Hintergrund ein leichtes, eingängiges, schnelles Regelwerk seinen Dienst tut. Leider gaben meine Schränke da echt nicht viel her. Ich durchforstete die Rollenspielshops – fand aber auch keine großartigen Möglichkeiten.

Was nun? Gibt es wirklich kein deutsches Einsteiger-Rollenspiel? Wieso nicht? Und wieso wird diese Lücke nicht gefüllt? Ah jo. Natürlich gab es Versuche, diese Lücke zu füllen. Es wird dann aber ein wichtiges Kriterium vergessen und dies ist meine These:

Ein Einsteiger-Rollenspiel darf kein Einsteiger-Rollenspiel sein.

Das klingt paradox, aber ich meine es wirklich so. Ein Einsteiger-Rollenspiel muss vollwertiges Rollenspiel sein. Es muss Quellenbücher geben, Kampagnen, Miniaturen, alles drum und dran eben. Der Einsteiger soll doch nicht das Gefühl bekommen, erst ein wenig auf den Trainingsparcours zu müssen, um dann erst “richtig” loslegen zu dürfen! Nein, man möchte doch bei dem Spiel bleiben können, mit dem man anfängt. Zumal ein “richtiges” Rollenspiel vermutlich sowieso ganz andere Regeln hätte und dann den großen Aufwand bietet. Denn mal ehrlich, der Schritt sich erstmal dazu zu bewegen, sich überhaupt mit Freunden zusammenzusetzen und Rollenspiel zu betreiben, ist im Grunde der weniger schwierige Schritt. Sicher, für manche mag er Überwindung kosten. Aber im Grunde ist es dann einfach, zu spielen. Die eigentliche Hürde, die den Einstieg schwierig macht, ist, sich in ein komplexes Regelwerk einzuarbeiten. Das nimmt ihm ein “Einsteiger-Rollenspiel” nur ab, wenn er denn auch gleich dabei bleiben kann.

Das bis vor etwa 10 Jahren als Einsteiger-Rollenspiel gehandelte Das Schwarze Auge stellte dies bereit. Es war nebenbei eines der erfolgreichsten deutschen Rollenspiele! Es gab Unmengen an Publikationen. Dem Einsteiger wurde so natürlich das Gefühl gegeben, nicht irgendwas zu spielen, sondern DAS Schwarze Auge. Noch heute treffe ich gelegentlich Leute, die mit dem Wörtchen Rollenspiel nichts anfangen können, wenn ich dann aber Das Schwarze Auge sage (oder vielleicht sagen sie es sogar!), sofort wissen, was Sache ist!

Meine Befürchtung ist also: Auf ein deutsches Einsteiger-Rollenspiel müssen wir also so lange warten, bis sich ein Nischensystem zu einem solchen mausert oder ein großes deutsches Rollenspiel wieder den Weg zurück findet und das wird, was es einstmals war.

Schöne Grüße,

der Narr.