Montag, 31. Oktober 2011

Der Besuch auf der SPIEL 2011

Wie war die SPIEL 2011? Natürlich hat die Zeit und das Geld wieder nur für einen Besuch ausgereicht, obwohl ich mir jedes Jahr zwei vornehme. Aber alleine hinzufahren ist ja auch langweilig.
Und eines war es vor Allem: Wieder alles viel viel zu viel und stressig. Und wie immer gab es viel zu wenig Platz, Spielfläche schon gar nicht, alles war zugestellt und die Leute spielten auf dem Boden. Ich habe die SPIEL Samstags noch nie so voll erlebt. Nie wieder Samstags! Das die Rollenspielhalle 6 kleiner aufgestellt war, rund die Hälfte sich um LARP drehte und beinahe nur noch die großen, üblichen Verlagsverdächtigen vertreten waren, fiel da kaum ins Gewicht. Denn traditionell besuchen wir ja alle Hallen.
An einem Tag!
Ausser Comics, die lassen wir immer aus.
Da bleibt nur wenig Zeit zum Verschnaufen, geschweige denn zum Spielen. Ich habe durch den Zeitdruck vor Ort mittlerweile den Tunnelblick. Ich habe einen ungefähren Laufplan, eine Einkaufsliste und sehr gute Informationen über die jeweiligen Spiele, noch bevor ich zur SPIEL fahre. Ich steuere dann direkt die Ziele an, die mich interessieren. Ausprobieren muss ich die meist nicht mehr. 80% blende ich gleich aus, weil es alt ist und ich es schon kenne. Die meisten Neuerscheinungen finde ich uninteressant, da sie simple Familienspiele sind und die wenigen, interessanten Neuerscheinungen, die ich nicht kenne, schreibe ich mir nur auf, um sie zu Hause zu recherchieren, da vor Ort sowieso die Zeit für einen tiefen Einblick fehlt. Da ist nur Zeit für einen flüchtigen Blick, für den Fall, daß einem etwas entgeht. Für Dinge, die mich nur perifär interessieren, aber die einen netten Eindruck machen, bleibt dann GAR keine Zeit. Das ist sehr schade. Ich weiss dann bei dem Druck häufig gar nicht, an welchem Stand ich eigentlich gerade stehe und auch nicht, wen ich alles besucht habe, mit wem ich geredet habe oder wer überhaupt da war oder wieviele Spiele und Gimmicks ich übersehen habe. Vermutlich das Meiste.
Wirkliche Entdeckungen passieren da selten.

Aber sie passieren. Gefunden hatte ein Begleiter ein frühes Rollenspiel, in dem Gygax und Mentzer ihre Finger im Spiel hatten. Man erlebt doch immer wieder Überraschungen.

Ich kannte Cyborg Commando jedenfalls nicht. Es hat wohl ein 2W10 Multiplikationssystem. Naja, das erklärt wohl die geringe Verbreitung.

Überrascht war ich auch Mare Mediterraneum mal wieder zu sehen, ein sehr gutes, historisches Strategiespiel von '89, auf edler Lederrolle in einer stabilen Kartentrommel. Wir haben uns mit dem Designer kurz unterhalten, interessant zu erfahren, wie groß der Aufwand von selbstproduzierten Spielen ist und spannend zu wissen, daß der Bekanntenkreis im Besitz eines der wenigen Exemplare ist.

Eclipse, ein Science-Fiction Strategiespiel in der Tradition von Twilight Imperium, hätte ich mir gerne gekauft, nur haben sie vor Ort wieder mal die Internetcommunity unterschätzt, denn auf Boardgamegeek.com war das Spiel DER Renner, so daß sämtliche Exemplare ausverkauft waren.

Eine Entdeckung, die wir letztes Jahr machten, war Phantom League, ein Traveller- oder Elite-artiges Brettspiel aus Finnland, das dieses Jahr eine Erweiterung erhalten hat: Mostly Harmless. Wir haben das Grundspiel bereits einige Male gespielt ... und es ist mit "unberechenbar" und die Regeln mit "uneindeutig" sehr wohlwollend umschrieben. Wir haben das Spiel noch nicht aufgegeben, denn die spielerische Freiheit und die Möglichkeiten sind wirklich immens hoch, an Hausregeln kommt man aber wohl nicht vorbei. In Finnland handelt man offenbar nicht gerne, weil Dragon Dawn ihre Spiele dort zu unverschämten Preisen verkauften und keinen Cent abwichen (wie letztes Jahr).
Jedenfalls trafen wir eine Vereinbarung. Ein Mitspieler meiner Runde darf das neue, zweite Addon in unserer Runde "betatesten". Na, wenn das nichtmal ein guter Handel ist.

Was heutzutage bei Brettspielen als Mogelpa.... äh, gutes Preis-/Leistungsverhältnis angesehen wird, kann man an der Phantom League Erweiterung für 25 Euro gut sehen. Man beachte die Einlage.
Stolzer Preis!
A Pro Pos unverschämte Preise. Das Wort "Messepreis" kennt man bei vielen Ständen leider nicht mehr. Dort ist man der Meinung, man müsse ein Spiel zum Ladenpreis verkaufen oder auch gerne mal 10-15 Euro darüber. Die Standpreise waren wieder einmal Schuld, die Armen. Natürlich mit der Versicherung, daß man auf keinen Fall und nie und nimmer tiefer gehen könne, denn "so etwas müsse dann schon vom Laster fallen". Und nur, um dasselbe Spiel dann eine halbe Halle weiter günstiger zu bekommen oder am Ende des Tages an demselben Stand plötzlich doch für 20-40% weniger. Gerne werden auch Raritäten zu leicht überhöhten Preisen angeboten, die man, "Hand drauf", nur ganz ganz selten bei Ebay zu horrenden Preisen bekäme, um dann selber später doch noch 4-5 andere Exemplare aufzutreiben. Den Ständen fehlt eben häufig selbst der Überblick.

Seltsam, seltsam. Das sind solche Erfahrungen, die man mit der SPIEL macht. Sich nicht veräppeln lassen und die Herrschaften immer dezent daran erinnern, daß man sich im Jahre 2011 die Spiele zur Not auch mit etwas Wartezeit von jedem beliebigen Ort der Welt über das Internet bestellen kann und ALLES über ein Spiel erfahren kann, was man mit dem Handy schnell überprüfen könne, wäre mein Rat. Dann klappts auch mit den Verhandeln.
Richtige Hammerpreise findet man - das weiss jeder - sowieso nur am Heidelberger Verlagsstand. Des Weiteren scheinen sich immer eine Hand voll einst überteure, 2-3 Jahre alte Spiele zu finden, die allenorts zu kriminell günstigen Preisen rausgehauen werden. Bei Runewars, Descent für je 50 Euro und Westeros für 40 und Android von FFG für 20 Euro kann mir keiner erzählen, daß jemand daran auch nur noch einen Cent verdient, kosteten sie doch ein Jahr zuvor noch 70-80 Euro.

In meiner Tasche landete unter anderem Warlords of Europe. Ein richtig klassisches Eroberungsspiel im Axis&Allies Stil, das wirklich wenig Experimente wagt, aber eben auch wenig falsch macht und einfach gut aussieht.

Etwas ägerlich ist es schon, wenn die Begleiter meiner Meinung soweit vertrauen, daß einfach nur meine Einkaufsliste abgeguckt wird. Aber immerhin hat es Dorn so in unsere Spielrunde geschafft, das auch vor Ort gespielt wurde. Dies ist in der Welt der Helden-Quest-Abenteuerspiele wie Runebound, Prophecy oder Talisman wirklich etwas Besonderes, denn es benutzt keinen einzigen Würfelwurf. Jeder Held kann bestimmte Aktionen unternehmen und einen bestimmten Schaden verursachen, ebenso die Monster. Dazu diverse Spezialfähigkeiten. Das einzige Zufallselement kommt über gezogene Schätze hinein, die aber nur einen geringen Einschlag im Spiel haben, "that's it". Das macht das Spiel zu einem unglaublich taktischen und superschweren Strategiespiel mit dem "sofort noch ein Versuch"-Syndrom. Und mit dem dezent antiquierten 80iger Jahre Fantasyartwork sieht es auch noch wunderschön aus. Da macht auch verlieren Spass.

Ich hoffe der Leser findet ein paar Anregungen unter den vorgeschlagenen Spielen. Ich hatte wie schon letztes Jahr nur noch eingeschränkt das Gefühl, daß sich die SPIEL lohnt, preislich sowieso kaum noch, allenfalls, wenn man sich nichts anderes vornimmt, ausser Schnäppchen zu finden. Die globale Kommunikation ist eben schon zu weit fortgeschritten, als das sich der Eintritt und die Anfahrt einer Brettspielemesse noch lohnt. Zum Teil lockt mich nur noch die Atmosphäre.
Ein Tag reicht allenfalls, um sich einen groben Überblick zu verschaffen. Selbst beim dritten, vierten Besuch derselben Stände kann man noch Neues entdecken. Wenn man denn die Ruhe hat, sie auch wahrzunehmen und nicht einfach hektisch darüber fegt.
Nächstes Jahr muss ich mir daher wirklich zwei Tage vornehmen. Wie immer.

Samstag, 15. Oktober 2011

Die SPIEL und die Gleichgültigkeit

Nächste Woche startet die SPIEL 2011 in Essen (Juhuu) und ich gehe auf jeden Fall wieder hin, das ist für mich wie Weihnachten und Ostern zusammen. Aber dieses Mal ist es wieder etwas anders, etwas, was sich schon im Jahr davor abgezeichnet hat (und davor). Ich gehe aussschliesslich nur noch wegen der Brettspiele dorthin.
Die Rollenspielabteilung gibt mir nur noch wenig, und bei der Größe der Messe gibt sie ein gutes Bild, was Allgemein im Rollenspielland vor sich geht. Nicht nur, daß ich die Kisten mit den abgegriffenen alten Büchern, die mich nicht interessieren, fast auswändig kenne, nein, auch die neueren Rollenspiele interessieren mich wenig bis gar nicht. Entweder sind sie mir zu abstrakt (Malmsturm) oder zu regelleicht (Aborea) und halbgar (Dungeonslayers). Es werden einfach nicht mehr die Rollenspiele gemacht, an denen ich Interesse habe, ich bin als Zielkunde irrelevant geworden.

Meiner bescheidenen Wahrnehmung nach haben beschreibende, naturalistische, "simulationistische" Systeme, also die, die mich interessieren, in den letzten Jahren einen schweren Stand, unabhängig von der Qualität. Das heisst nicht, daß sie nicht erfolgreich wären, wie zum Beispiel Das Schwarze Auge, das beste Beispiel für ein qualitativ minderwertiges, naturalistisches System. Es heisst aber, daß sich in dem Sektor nichts Neues mehr tut. Man sieht dies auch an der geringen Zahl der etablierten, komplexeren Rollenspiele. Wer sich für "Rules-Heavy-Systems" interessiert, hat nicht wirklich viele Alternativen. Herrje, selbst bei den WARGAME Brettspielen tut sich aktuell mehr, als im klassischen Rollenspielsektor.
Wo sich seit langen Jahren eine Menge Neues tut, ist bei spielmechanisch raffinierten Systemen. Rollenspiele, in denen die Spielregeln für einen schnellen, spassigen, fairen Abend sorgen sollen, wenn man sie einfach nur anwendet, die aber auch den Spieler direkter ansprechen und zur Mitarbeit motivieren. Regeln, bei denen die konsistente Spielweltdarstellung zweitrangig ist. Die Gruppe selbst hat dort weniger Eigenverantwortung einen erfolgreichen Spielabend zu gestalten, wohingegen es bei regelschweren Rollenspielen viele soziale Stolpersteine und nur wenig Hilfen gibt. Probleme, an denen viele Rollenspielrunden zu Grunde gegangen sind und die von der Spielrunde selber gelöst werden müssen (und daher auch bewusste, informierte, aufmerksame, interessierte Mitspieler benötigen). In diesen neuen Spielen kann man jedoch nicht im Kampf "einfach mal so stehen bleiben" während sich ein anderer Mitspieler langweilt, unabhängig davon, ob das nicht vielleicht sogar die sinnvollste Entscheidung wäre, die eine Spielfigur in dieser Situation treffen könnte. Denn das widerspricht der Einbindung und Dauerbespassung. Ein Spiel darf heute keine Minute mehr Leerlauf haben, weil die Leute sonst das Interesse verlieren, so die Meinung. Und die Spiele funktionieren so hervorragend in dem was sie tun. Ein gutes Beispiel ist D&D4, schon fast ein Paradigma der ganzen Bewegung.

Aber das Alles entfernt sich von dem, was ich als klassisches Rollenspiel bezeichne. Für mich steht bei den Regeln im Vordergrund, was die Spielfigur tut, welchen Grund sie hat irgendetwas zu tun und das dann in der Spielwelt durchzuführen, nicht welcher Mitspieler nun wieviel Zeit geredet hat oder das jeder Charakter dreimal am Abend etwas Spannendes tut, um die Spassformel zu erfüllen. Ich habe dann auch mittlerweile kein Problem mehr damit, wenn es mal streckenweise etwas langatmiger wird, eine Sache, die mich früher wahnsinnig gemacht hat. Das heisst bei mir heute dann "Gemütlichkeit". Das, meiner Erfahrung nach, wird als altmodisch angesehen, flotter, schneller, gleichberechtigter "instant"-Spass, wird als modern angesehen.
Der Grund ist meiner Meinung nach die Art und Weise, wie "simulationistische" Rollenspiele angesetzt sind: Man spielt damit nicht zwischendurch an drei Abenden eine Kampagne durch und wechselt dann zum nächsten Rollenspiel samt neuer Spielwelt. Man spielt es langjährig, man hängt sich richtig tief rein. Manche komplexeren Rollenspiele benötigen erst einmal ein halbes Jahr Vorwärmzeit, bevor die Spielregeln überhaupt reibungslos laufen, während man sich gleichzeitig durch hunderte Seiten Spielweltbeschreibung arbeitet. Und die Leute wollen das so. Sie werden damit mit einem umfassenden Gesamterlebnis "Rollenspiel" belohnt.
Und das ist das Problem: Es besteht keine Notwendigkeit, neue, komplexe Rollenspiele zu schreiben, denn die Spieler haben diese langjährig betriebenen Rollenspiele schon. Wer soll die neuen denn spielen und woher sollen sie die Zeit nehmen? Es ist auch nicht so einfach, ein bestehendes, komplexes Rollenspiel neu aufzuziehen, denn meistens geht damit auch die Kompatibilität verloren. Also begnügt man sich mit den undurchdachteren, mindertwertigen Vorläuferversionen. Die etablierten sind in ihrer eigenen Masseträgheit gefangen.
Es ist nicht so, als gäbe es kein Entwicklungspotenzial. All die Erkenntnisse, die man aus der Reflexion aufs Rollenspiel in der Theorie gewonnen hat, warten nur darauf auch in komplexen Rollenspielen verarbeitet zu werden. Leichte Spiele und Erzählspiele profitieren schon lange davon. Meiner Beobachtung nach scheinen diese Rollenspiele aber als Ersatz für die "alten, verbrauchten Schwergewichte" vorgeschoben zu werden und nicht als Gewinn.
Eine Kunst ist es, die Rollenspiele so zu gestalten, daß sie beides vermögen, spielerisch interessant sein und trotzdem eine komplexe, glaubwürdige Spielwelt darstellen. Und da wird es dann ganz schnell ganz dünn, wenn man nach geeigneten Autoren und Produkten sucht, weil... das ist ja richtige Arbeit.

Sicher, das sind alles nur Trends und man darf es nicht verallgemeinern. Natürlich gab es auch schon vor 20 Jahren virtuose Spielmechanismen, aber die allgemeine Wahrnehmung und die Schwerpunkte haben sich meiner Ansicht nach schon gewandelt.
Aber so lange sich in der Spielerschaft nichts tut, diese mit dem was sie haben zufrieden sind, wird das wohl auch so bleiben. So lange sind dann für solche Leute Fragen interessanter, ob nun die neue Quellenbuchreihe einen blauen, grünen oder roten Streifen am Einband hat.

Und so lange ist mein Interesse an Fertigrollenspielen auch gleich Null und ich schaue nur flüchtig über die Rollenspielstandboxen der SPIEL.

Was gibt der Fertigrollenspielmarkt für euch heuztutage her?
Der Thread im Rollenspielblogforum
http://forum.rsp-blogs.de/index.php/topic,997.msg4312.html#msg4312