Mit neuen Rollenspielversionen, dem Thema des Juni RSP-Blogs Karnevals, habe ich so meine eigenen Erfahrungen gemacht.
Ich denke, viele Leute haben eine natürliche Affinität zu dem Wort "neu". Was neu ist, muss gut sein, weckt Interesse, Aufmerksamkeit und Erwartungen. Neu wird hier gleichgesetzt mit "besser".
Zumindest ist das bei mir so. Ich habe diverse Editionswechsel in Rollenspielen mitgemacht, darunter unter Anderem
GURPS 3 zu GURPS 4
DSA 3 zu DSA 4
D&D 3 zu D&D 4
SR 3 zu SR 4
Savage Worlds Revised zu Gentlemen's Edition.
Earthdawn classic zu Earthdawn 2 (evtl. auch andersherum und wieder zurück)
und einige mehr.
Und das zu einem nicht geringen Teil, weil sie neu waren. Und immer auf der Suche nach einem besseren Rollenspiel für meine Ansprüche. Tarin vom Goblinbau wies richtigerweise darauf hin, dass das nicht immer in Erfüllung gehen muss.
Denn je mehr Editionswechsel ich mitgemacht habe, desto öfters ist auch mir aufgefallen, dass die Erwartungen nicht erfüllt und/oder Versprechungen nicht eingehalten wurden. Im Grunde blieb alles immer beim Alten. Die unvermeidlichen Hausregeln glichen die Versionen dann weiter aneinander an. Ja, manchmal hat man sogar den Verdacht, dass einfach der alte Wein in neue Schläuche gefüllt wird, wenn die Publikumsaufmerksamkeit langsam nachlässt. Einfach, um neuen Schwung in die Bude zu bringen. Das, was teilweise als "Neue Version" der Community vorgeworfen wird, geht im Buchhandel gerade mal als neue Auflage durch.
Meine Erfahrung zeigt, dass - nicht selten von Seiten der Fanbasis - viel Energie investiert wird, um dem unbedarften Rollenspieler weis zu machen, dass jede X-beliebige Version eines RPGs schon gut so ist, wie sie ist und jede Herangehensweise ja ohnehin reine Geschmackssache sei, also gar kein Platz für Verbesserungen wäre (eine Behauptung, die allein schon einen RSP-Blogs Karneval wert wäre). Das mag so sein. Das beißt sich jedoch mit der aktuellen Praxis der neuen Versionen. Denn in diesem Falle würde gar keine Notwendigkeit bestehen, eine neue Version herauszubringen, wenn sie vom Entwicklungsziel so gut wie alles genauso löst, wie die Vorhergehende. Es würde dann ja nur Sinn ergeben, in einer neuen Version alles anders, eben neu, zu machen, um auch andere Personenkreise anzusprechen. Und diejenigen, die bei Version 1 blieben, wären dann mit neuen Auflagen - nicht Versionen - für die gerinfügigen Korrekturen vollauf bedient (zum Teil werden diese in Erratas auch angeboten).
Genau das wird aber oft nicht gemacht. Es werden im Grunde dieselben Rollenspiele mit einer neuen Ziffer noch einmal herausgebracht im Versuch, sie zu verbessern (was angeblich ja nicht notwendig ist). Perfektioniert haben dies größere Verlagsrollenspiele, aber in etwas selbsttäuschender Weise auch viele, sogenannte "Old School" Rollenspiele (die anstatt einer Versionsnummer gleich einen anderen Namen verwenden). Und man legt großen Wert darauf, dass diese "neue" Version auch bitte möglichst alles genauso macht, wie die "alte" Version. Also, entweder weiß die Spielerschaft oft selbst nicht, was sie eigentlich will (gerade als Käufer kann man eine fehlerfreie Version erwarten, die auch keine neue Version erfordert), oder die neue Version ist nur ein Taschenspielertrick vom Entwickler, um die Aufmerksamkeit neu zu entfachen, ohne allzuviel Arbeit in das Rollenspiel stecken zu müssen.
Neue Versionen wecken auch heute noch mein Interesse, jedoch nicht wegen des Inhalts. Am ehesten interessiert mich dabei noch das neue Layout oder ein neuer Aufbau. Ob ein "steiler Schusswinkel" nun +4 anstatt +2 Probenerschwernis einbringt oder ein Schurke bei 1350 Erfahrung, anstatt bei 1250 Erfahrung eine neue Stufe bekommt, das erzeugt bei mir keine freudigen Erwartungen mehr. Und es täte der Spielerschaft und dem Hobby im Allgemeinen meines Erachtens gut, wenn sie für sich und von Entwicklern gelegentlich etwas mehr erwarten würden.
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