Im RSP-Blogs Forum wurde kürzlich von
Zornhau verwundert festgestellt, dass der Diskussionsbedarf zum Thema "Neue Version" in
Rollenspielen (RPG) keinen allzu großen Anklang findet, wo doch im
Allgemeinen viel über neue Versionen zu diskutieren wäre.
Nun, diskutiert wird außerhalb des
RSP-Blogs Karnevals zum Thema "Neue Version - Was nun?" tatsächlich viel, aber niemand zweifelt
wirklich die bekannten Vor- und Nachteile einer neuen
Rollenspielversion an. Diskutiert wird nur konkret über die kommende
Version irgendeines X-beliebigen RPGs. Und die gibt es
immer. Damit ist von der Diskussion im Grunde nicht viel zu erwarten,
es sei denn, man interessiert sich für ein spezielles RPG.
Was ich nicht tue.
Was bleibt, ist etwas aus dem
Nähkästchen der eigenen, praktischen Erfahrung zu berichten.
Neue Spielversionen, sei es die
Veränderung der Spielregeln und/oder der Spielwelt, verfolgen i.d.
R. zwei Ziele oder eine Kombination davon:
- Das RPG soll eine bestimmte Funktion erfüllen und mit einer neuen Version versucht man, sich dieser weiter anzunähern
- Man hat sämtliches Spielmaterial einer Version an den Mann gebracht und versucht nun, dasselbe Material noch einmal an dieselben Abnehmer und im günstigsten Falle weiteren Abnehmern zu verkaufen
In diesem Beitrag möchte ich mich nur
auf das erste Ziel beziehen, also den tatsächlichen,
entwicklerseitigen Willen, sein Werk zu optimieren.
Ich möchte versuchen zu zeigen, warum die (Weiter-)Entwicklung und das Spielen eines
RPGs ein Hobby an sich und untrennbar ist.
Die Frage, ob ein RPG eine neue Version
benötigt, hat sich mir nie gestellt. Natürlich benötigt ein
Rollenspiel neue Versionen. Vornehmlich deswegen, weil RPGs in den
seltensten Fällen handwerklich gut gemacht sind und mehr der
Liebhaberei zuzuordnen sind.
Aber das ist ja gar nicht schlimm, denn
je mehr man sich mit dem Hobby beschäftigt, desto mehr lernt man
dazu und desto stärker wird der Wunsch, ein RPG auf die nächste -
bessere - Version zu heben. Jemand, der euch ein Rollenspiel als
fertige Version verkaufen (oder schenken) will, lügt wahrscheinlich
nicht nur euch, sondern auch sich selbst etwas vor. Ein RPG ist kein
Produkt, sondern ein Prozess und benötigt Pflege und entwickelt sich
weiter, genauso wie das Hobby als Ganzes sich, wenn auch langsam,
weiterentwickelt.
Ein Rollenspiel ist niemals fertig.
Die neue Version eines Rollenspieles
beginnt mit dem ersten Abend seiner Anwendung. Nicht nur können hier
Legionen an Verständnisfragen zu bestimmten Formulierungen auftreten
und Fehler auffallen, sondern die Resonanz der Spieler bringt jeden
Abend neue, weitere Ideen. Selbst lange nach den Testspielen. Und
dann bringt dieser Entwickler sein Spiel in eine neue Spielrunde und
diese sieht wieder alles vollständig anders, ganz zu schweigen
davon, wenn nicht der Entwickler, sondern eine ganz andere Spielrunde
das Rollenspiel verwendet! Und oben drauf gesellen sich in manchen
RPG-Konzepten die Entwicklungen innerhalb der Spielwelt hinzu, die
sich durch das Bespielen ganz natürlich ergeben und die gerade
ältere Spielweltinformationen obsolet machen (das Metaplot-Problem).
Und wenn alle diese Beobachtungen eine
persönliche, kritische Masse erreichen, dann wird der
Rollenspielentwickler vernünftigerweise dem Drang nachgeben und eine
aktuelle Version seines Rollenspieles aufbereiten.
So ein Wechsel sollte mit Bedacht, aber
konsequent abgewickelt werden. Im Vordergrund eines Versionswechsels
darf nicht die Spielmechanik als Solches stehen, auch nicht die
Spielwelt und schon gar nicht die Erwartungen etwaiger, langjähriger
Spieler (oder Kunden), sondern das angepeilte Spielerlebnis und die
damit verbundenen, erzählerischen Gesetzmäßigkeiten des gewählten
Genres. Wie bestimmte Spielmechanismen, sind auch die
Spielwelten schlussendlich nur das Mittel zum Zweck.
Angenommen, ein Entwickler erschafft ein
Rollenspiel im Genre des Horrors, das von Werwölfen und Vampiren
handelt und legt fest, was die Spieler darin zu tun haben, dann kann
sich der Entwickler dabei zwar nicht allzu weit von den
Genre-Standards des Horrors entfernen, wenn er sein angepeiltes
Spielerlebnis nicht verwässern will, jedoch spricht gar nichts
dagegen, diese Standards in Folgeversionen mit unterschiedlichsten
Spielmechanismen und Spielweltinhalten umzusetzen. Es gibt keine
Horror-Konvention, die besagt, dass ein Rollenspiel nur gruselig ist,
wenn man einen W10 einsetzt (wobei das für mich persönlich durchaus
"furchterregend" ist).
Es kann für das Designziel also
durchaus notwendig sein, konkrete System- und Spielinhalte zu ändern
(Würfelmechanismen, Monsterbeschreibungen etc.pp.) und man muss
dabei im Blick haben, ob aktuelle Trends dieses fördern - was vor 30
Jahren gruselig war, muss heute längst nicht mehr so sein.
So lange man den Blick auf das
Designziel hält und dieses klar dem Spieler kommuniziert, so lange
behält ein Rollenspiel auch seinen Widererkennungswert bei und
überhaupt den Sinn mit weiteren Versionen denselben Namen zu tragen.
Nicht deswegen, weil man in allen Versionen mit W10 würfelt. Der
Entwickler muss hierbei nicht nur sein Rollenspiel kennen und über
lange Zeiträume für die Entscheidungen einstehen, die er bei
bestimmten Inhalten in der Vergangenheit getroffen hat, sondern auch
die Entwicklung des Hobbys um ihn herum im Blick haben und die
Konzepte verarbeiten, die seiner Vision am ehesten nutzen.
Das alles kostet viel Arbeit und ist
ein nicht enden wollender Prozess. Einige wenige Entwickler, wie
Wizards of the Coast haben das verstanden mit dem vom Brettspiel
aufgegriffenen Konzept der "Living Rules" (Lebendige
Regeln). Hierbei wird die Resonanz und die öffentliche Testphase
über eine nicht terminierte Zeitspanne verarbeitet und immer wieder
in das Rollenspiel eingepflegt.
Allein aus diesem Grunde ist die
Druckform die denkbar schlechteste Form für ein Rollenspiel.
Vielleicht eignet sich Rollenspiel an sich auch nicht, um als
abgeschlossenes, später nicht mehr nutzbares Produkt irgendwo in einem Sammlerschrank zu
verstauben (außer als Kuriosum). Es gibt wohl kein "Fertigprodukt"
eines Rollenspieles, dass nicht durch unzählige
Notizzettelsammlungen ihrer Anwender (Spielleiter) gestützt wird.
Aber muss es das überhaupt sein? Der nächste Schritt ist, sich die Frage zu stellen: Bin nicht ich selbst (der Anwender) der Entwickler? Kann mir jemand anderes diese Arbeit überhaupt abnehmen? Rollenspiel ist ein neues Medium, es ist kein Buch oder Bild oder
Film. Rollenspielen tut man. Vielleicht ist "neue Version" ohnehin das falsche
Wort für einen kontinuierlichen Prozess. Zeichnen sich
Rollenspielwelten und -regeln nicht dadurch aus, dass sie immer
wieder an die individuelle Spielrunde angepasst werden? Und aus
welchem Grunde sollte man das in einer Version verallgemeinern, was
sich nicht verallgemeinern lässt? Wenn es eine "neue Version"
gibt, dann muss es auch eine "alte Version" geben. Aber
welche soll das sein, wenn sich keine zwei Rollenspiele in zwei
Spielrunden ähneln?
Auf diese Anforderungen kann sich ein Rollenspielersteller (nicht Entwickler) einstellen, um einen Startpunkt für ein Rollenspiel zu setzen, in dem es jeder Anwender als Selbst-Entwickler möglichst einfach hat. Denn Abnehmen kann ihnen diese Aufgabe niemand!
Das nur als Anregung, ob ihr überhaupt
eine "neue" und nicht vielmehr eine "eigene"
Version braucht.
ihr könnt euch im RSP-Blogs Forum bei der Diskussion beteiligen, um eurer RPG weiterzuentwickeln
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