Sonntag, 29. Januar 2012

D&D Design Theory - Ein Besuch in der Suppenküche

Ist ja ulkig. Rollenspielkategorisierung und graphische Darstellungen derselben sind ja doch noch nicht gänzlich ausgestorben. Mehr durch Zufall bin ich erst vor ein paar Tagen über den Wizards of the Coast Legends&Lore Artikel von D&D gestolpert, der sich eben genau daran versucht.

http://www.wizards.com/dnd/Article.aspx?x=dnd/4ll/20110614
(Wizard of the Coast, Mike Mearls)

Wie es das Forge Forum damals mit seinem GNS schon versuchte, wird meist versucht, Rollenspiele in grobe Konzepte und Schubladen einzuteilen, die mal gegensätzlich sind und/oder in bestimmten Mischungsverhältnissen vorkommen können.

Mearls benutzt hier
Immersion <-> Abstraction und
Story <-> Tactics

Unter Tactics versteht er hierbei effektives Regelspiel (Minmaxing von Werten zum Beispiel)
Als Antipode sieht er hierzu Story. Dies ist für ihn ein Konglomerat aus strategischer Planung (hört, hört!), Verwaltung von Ressourcen, aber auch das Rollen- und Ausspielen, sowie Charakter- und Spielweltentwicklung an sich. Das Planung und Verwaltung in diesem Sinne mit "Plot" Zusammengeworfen wird, finde ich interessant. Ich denke, das unterstreicht nochmal die Bedeutung dieser Elemente in D&D Abenteuern.

Völlig unbeinflusst davon sieht er Immersion und Abstraction. Unter Ersterem versteht er das, was man spielweltnahe Regeln bezeichnen könnte. Regeln, die direkt Spielweltauswirkungen darstellen, aber eben auch die erste Person Singular beim Ausspielen für den Spielcharakter, was so gar nichts mit Regeln zu tun hat. Unter letzterem hingegen sieht er die Unschärfe von Regelmechanismen, die mehr den Spielverlauf, als das tatsächliche Spielweltgeschehen kontrollieren (Action Points) oder das regellose "Anmalen" von Mechanismen wie z.B. Schablonen für Monster, die in Beschreibungen für unterschiedliche Geschöpfe herhalten.

Vergleiche ich das mit dem Mischungsdreieck, das ich aufgezogen habe, so sehe ich durchaus Parallelen.
Teile des Spielweltrealismus kann ich bei Immersion finden
Teile des Spielverlaufes kann ich bei Abstraction und Story finden und
Teile der Spielbarkeit sehe ich ebenso in Abstraction

Im Grunde kann man darin auch Verwandschaften zu GNS sehen, ohne nun großartig ins Detail zu gehen. Das zeigt schonmal, das die vielen Herangehensweisen häufig gar nicht so weit auseinander liegen, weil immer wieder ähnliche Begrifflichkeiten auftauchen.
Doch wo ich ausschließlich Regeln und deren Umsetzung, Ziele und Auswirkungen betrachte und Aspekte, die sich gegenseitig ausschließen, benutze, würfelt Mearls hier Regeln und Spielverhalten zusammen und rührt einmal gut durch.
Die horizontale (Story-tactics) seines Diagramms beschreibt im Endeffekt das Gewicht und den Einfluss der Spielregeln und die Vertikale (immersion-abstraction) deren Umsetzung. Das klingt erst einmal nachvollziehbar. Nur, seine Vertikale unterscheidet nicht zwischen - und bleiben wir beim neudeutsch - "Rules" und "Roleplay". Man kann darauf nicht einfach das Verhältnis dieser beiden zueinander anwenden, weil sie in Bezug auf "Umsetzung" in keinerlei Zusammenhang zueinander stehen.
Mit anderen Worten:
Mearls Immersion sagt nicht aus, wie ich mit "Rules" und Roleplay" im Einzelnen umgehe. Es ist durchaus möglich, daß ich als Rollenspieler ganz immersive Regeln bevorzuge, das regellose "Roleplay", wie zum Beispiel das Ausspielen, aber ganz abstrakt behandele (das gegenüberliegende Extrem) und kein bisschen immersiv. Die Umsetzung steht in keinem Zusammenhang zueinander.
Wir müssen laut Vertikale annehmen, daß wir mit beiden Elementen immer gleich umgehen. Wenn ich laut Mearls also immersive Regeln bevorzuge, dann spiele ich beim Roleplay auch automatisch aus der Ich Perspektive. So funktioniert das m.E. nicht, das wäre, als würde die Zweite Achse sagen, Immersion: Und ausserdem mag ich lieber blau und Erdbeereis als gelb und Schokolade (abstraction).
Mit einem einfachen Balkendiagramm für unabhängige Variablen oder einem 3 dimensionalem Koordinatensystem wäre er wohl besser gefahren

Story -X <-> Tactics +X
immersive rules -Y <-> abstract rules +Y
immerive roleplay -Z <-> abstract roleplay +Z

Und diese Menschen werden nun auf D&D5 losgelassen. Mir grauts. Ich will hier nicht gehässig sein, aber manchmal denke ich mir: "what were they thinkin'?"

Da möchten wir sie lieber gar nicht erst richtig verwirren:
Jetzt darfst du, Emo-Science-Kid
http://www.youtube.com/watch?v=fcbpfOR0BDA&feature=player_embedded


Seht ihr das weniger eng?
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Donnerstag, 12. Januar 2012

Zwanzigzwölf – Schildwacht bezieht Posten

Auf geht es in die 2012ste Runde. So viel steht ins Haus.

Kurzer Rückblick:
Letztes Jahr war es rollenspielerisch für mich sehr ruhig. Schaffend hingegen ging es hoch her. Die letzten Jahre zeigte sich immer deutlicher, daß ich, und in gewissem Maße auch meine Spielrunden, mit vielen neuen, abstrakten Konzepten in lang ausgelegten Kampagnen nicht gut auskommen. Und während die Retroklonwelle und der "OldSchoolspielstil" durch die Community wütete und Begeisterungsstürme auslöste, loteten wir die Qualitäten des ungezwungenen, klassischen, detaillierten Spieles aus, das keine große Lobby mehr im Internet hat. Auf die ein oder andere Weise waren viele Blogbeiträge diesem Thema gewidmet.
Für mich waren die Kampagnenversuche ein Mißerfolg, was aber nicht an der Spielweise an sich, sondern an der schlampigen Schwammigkeit diverser Prä-Spieldesign-Bollwerke lag. Und es waren keine Alternativen mehr in Sicht. Der unweigerliche Interessenkonflikt spitzte sich dann Anfang 2011 zu, der mich nach 15 Jahren wöchentlichem RPG 10 Monate lang in Klausur trieb, wie ein Mitspieler anmerkte.
Kein RPG, an keinem Tag. Ich habe wohl sogar symbolisch meinen Würfelbeutel an einem geheimen Ort verstaut, den ich nun nicht mehr wiederfinde (Argh!). Das ist schon hart, zeigt aber, wie wenig Freude ich noch an dem Murks hatte. Ich habe diese Monate nun damit verbracht endlich ein Rollenspiel aufzuziehen, mit dem ich selber zufrieden bin. Die eigentliche Planung begann allerdings schon 2010 im Rahmen eines Science-Fiction Settings, das wiederum aus einem Bastei Sci-Fi Romanheftsetting von 2008 hervorging, zu dem ich aber keine Fanerlaubnis erhielt. Das Süppchen kochte also schon einige Jahre und es ist sicher mehr Material verworfen als genutzt worden.


Vorschau:
Das Rollenspiel, das dabei herauskommen wird, ist Schildwacht.
Das ist der Name des Spieles, das in der rauen, weitläufigen, "spätantiken" aber voreiszeitlichen, menschlich dominierten Fantasywelt Ferrabana spielt, die ich dafür aufgezogen habe. Die Völker orientieren sich wie so oft an diversen Erdkulturen. Die Welt ist im Umbruch, sie entwickelt sich technologisch sozusagen rückwärts, Urzeitbestien und ganze Völker ziehen über das Land und eine magische Parallelwelt ergießt sich über die Kulturen.
Alte, dem Verfall ausgesetzte Trutzburgen und Bollwerke der Menschen stemmen sich dagegen und versuchen die Zivilisation aufrecht zu erhalten. Die sehr eingängige Welt habe ich gewählt, um die Spieltests reibungsloser ablaufen zu lassen. Denn klassische Fantasy geht runter wie Öl.

Eine niedrig aufgelöste Karte des Kontinentes Ferrabana

Nicht wenig Aufwand floß in die geographischen/geologischen Verhältnisse, um die Spielwelt glaubwürdiger wirken zu lassen. Einen Eindruck gewinnt man bei der Rückprojektion z.B. auf GoogleEarth
Afrika-Ferrabana-Vergleich
Breitengrade

Das Regelsystem dahinter habe ich Echelon genanntdessen Grundmechanismus auf einem W12 basiert, der die Fähigkeit einer Spielfigur auf einer Stufenleiter modifiziert, die sich alle 12 Stufen verzehnfacht. Das Besondere an diesen Regeln ist der Ansatz, daß die Kosten einer Fähigkeitsstufe direkt in die Berechnung der Vergleichsproben einfliessen, es also buchstäblich offen liegt, wieviel Kompetenz man für seinen Punkt Erfahrung bekommt. Dieser leicht höhere Aufwand bei der Berechnung von Probenschwierigkeiten ist es meines Erachtens wert, ein System zu haben, das auf jeder Fähigkeitsstufe immer gleich skaliert und so unabhängig von einem "Normgeschöpf" ist. Für ein freies RPG ist das sehr nützlich und ich kenne kein Regelsystem mit vergleichbarem Ansatz.


Die Bilder sind aus einer Testversion von Dezember. Die Bindung ist nicht die angedachte und den Seitenrand hat der CopyShop auch nicht hinbekommen.

Das DinA5 Büchlein umfasst bislang 150 Seiten, ich peile ca. 200-250 an. Einen Großteil davon nehmen Zauber, Kreaturen und Fertigkeitenbeschreibungen ein. Die eigentlichen Regeln umfassen bislang ca. 60 DinA5 Seiten. Die Handhabe und Anwendungsbereiche jeder Fertigkeit sind einzeln erläutert. Das Regelbuch versteht sich als Nachschlagewerk, auf das sich Mitspieler bei Mißverständnissen berufen können. Es ist mit diversen Entwicklernotizen versehen, die die Spielweise erläutern und Entscheidungen begründen.
Es ist kein sogenanntes "Universalrollenspiel", sondern auf eine bestimmte, gemäßigte, entdeckerfreudige Spielweise hin ausgelegt. Dies ist kein Rollenspiel für One-Shots. Die Regelmechanismen sind in dieser Spielweise ein Freund und kein Feind. Sobald sich das Rollenspiel einer stabilen Version nähert, möchte ich es auch auf besagtes Sci-Fi Setting übertragen, worüber ich beizeiten erzählen möchte. Jedes neue Genre muss so mit speziellen Settingregeln versehen werden (für Sci-Fi z.B. Schusswechsel).

Ich weiss noch nicht, was das Jahr bringen wird, aber ich hoffe das Rollenspiel im Sommer als PDF gratis zur Verfügung stellen zu können. Mir und Mithelfern gönne ich dann schöne, gebundene Ausgaben.


Das Spiel ist ein persönliches Projekt. Ich mache das in erster Linie für mich. Nicht zuletzt, weil ich ausser Korrekturlesen und Testspielen von Schreiben über Zeichnen zu Layouten alles selbst mache. Aber wenn man will, daß etwas gemacht wird...
Abgesehen von den Elementen, die es hervorheben, ist es eine sehr bodenständige Verbindung vieler Elemente, die ich in anderen Rollenspielen schätze, sei es die klare Verregelung und spielerische Eleganz von D&D, die Detailverliebtheit von GURPS, die Spielgeschwindigkeit von Savage Worlds oder Unisystem und die Bodenständigkeit von Midgard. Ich sage nicht, daß es möglich ist, ein Rollenspiel zu erschaffen, das all diese RPGs in allen Belangen überragt, es sind lediglich die Dinge, die ich als Vorbild nehme. Das ganze Konglomerat ist daher naturgemäß individuell und kann und soll nicht jedem schmecken. Spielrunden sind viel zu individuell, als das ein Fertigrollenspiel die Ansprüche erfüllen könnte. Insofern ist es ohnehin eher der Gleichgültigkeit vieler Spieler geschuldet, daß sich Verlagsprodukte überhaupt verkaufen.
Es soll aber Spieler aufgreifen, die von den Verlagen bei der Entwicklung von spielfertigen, offenen, aber dennoch detaillierten, klassischen Rollenspielen fallen gelassen wurden und die sich dort sofort zurecht finden werden.
Das mögen nicht viele sein. Vielleicht bin es nur ich. Das wäre dann ein echter Heartbreaker.
Aber man lernt auch viel dabei, so oder so.

Soweit ein erster, kleiner Eindruck aus dem Hobbyraum.
Es soll vor allem zeigen, welchen Stellenwert das Selbermachen im Rollenspielhobby hat oder einst hatte. Das Rollenspieler nicht abhängig davon sind, ob irgendein Rollenspiel seine Drucklizenz einer Neuauflage in einem Verlag bekommt. Das Rollenspieler nicht warten müssen, ob sich ein Autor irgendwann bequemt, einen lange überfälligen Quellenband zu Ende zu schreiben. Jeder Pinselstrich, von Spielwelt über Abenteuer über Artwork zu Regeln und zum eigenen Charakterbogen, alles kann man selber machen. Das war schon immer so, und seien es nur die Hausregeln. Wenn das einer alleine kann, was kann eine ganze Spielrunde dann auf die Beine stellen?


Fragen, Ratschläge, Kommentare zum RPG? Es gibt einen Thread im RSP-Blogs Forum.