Mittwoch, 21. Dezember 2011

RPG Design: Auf die Mischung kommt es an

Des Öfteren schreibe ich etwas darüber, wie ich mit Spielweltrealismus in Regeln umgehe. Und ebenso regelmäßig kommt es zu Mißverständnissen, was das Wort eigentlich bedeuten kann. Das größe Mißverständnis darunter meiner Ansicht nach ist, daß es sich zwangsläufig um ein isoliertes Phänomen handeln muss, daß man "schlecht" oder "gut" finden oder ablehnen oder annehmen könne (Anmerkung: sehr viele Rollenspieler finden es meinem Eindruck nach heute "schlecht"). Das sind fraglos Relikte festsitzender Streite über die Spielweisen im Rollenspiel, die für mich nun aber keine Rolle spielen sollen. Ich verstehe darunter mehr eine Grundeigenschaft, die man mehr oder weniger verfolgen kann, ohne die ein reibungsloses Rollenspiel aber gar nicht möglich ist. Wie soll man eine Spielfigur in einer Spielwelt interagieren lassen, wenn gar nicht klar ist, was sie bewirken kann (weiter unten dazu mehr)?

Ein Rollenspielentwickler kann sich meiner Meinung nach gut an drei Zielsetzungen orientieren, die er mit einem Rollenspiel oder der Gestaltung einzelner Regeln verfolgen will. Die Zielsetzungen schliessen sich dabei gegenseitig aus. Keine dieser drei Zielsetzungen gibt eine Aussage über die Qualität der Umsetzung, nur über ihr Verhältnis zueinander. Dies lässt sich qualitativ, anschaulich darstellen mit einem Mischungsdreick
Das ist ein Konzept, das sich in vielen, vielen anregenden Diskussionen über die Funktionsweise von Rollenspiel natürlicherweise herauskristallisiert hat. Zumindest aus meiner Perspektive.
Dies ist ein Mischungsdreieck. Es ist ein dreiachsiges Koordinatensystem und denjenigen Lesern, die das Lesen eines Mischungsdreieckes nicht gewohnt sind, kann ich es kurz erläutern.
Das Dreieck stellt Verhältnisse in % dar. Jede Spitze stellt 100% des jeweiligen Begriffes dar. Jede der drei Dreieckskanten stellt 0% des Begriffes dar, welcher der Kante gegenüber steht. Im Bild beispielhaft an Spielweltrealismus gezeigt. 50% Spielverlauf, 50% Spielbarkeit und 0% Spielweltrealismus läge also genau auf der Mitte der Linie von Spielverlauf und Spielbarkeit. 33% von allen dreien Läge genau in der Mitte des Dreiecks.
Daraus ergeben sich alle übrigen Punkte, auch wenn auf den ersten Blicken schwer zu sehen ist, daß auch Punkte, die weit auseinander liegen dennoch dieselben Prozentpunkte eines (und nur eines!) Begriffes haben können. Ein Schwerpunkt auf einen Begriff geht immer zu Lasten zweier anderer.

Was bedeuten die Begriffe nun? Sie stellen Designzielsetzungen dar, die bestimmte Spielregeln oder ein Rollenspiel erfüllen sollen. Ich erläutere sie im Einzelnen.

Spielweltrealismus
Dies umfasst die Zielsetzung, die Funktionsweise der Spielwelt über Verfahren darzustellen. Ihre Naturgesetze, wenn man so sagen möchte. Die Auswirkungen dieser Verfahrensregeln müssen in der Spielwelt plausibel und reproduzierbar sein. Jede Auswirkung so einer Regel in der Spielwelt ist auch einem Bewohner dieser Welt ganz konkret bekannt, wenn auch nicht immer bewusst. Der Spielweltrealismus beschreibt zum Beispiel, ob eine Spielfigur stürzen kann und ob sie dann verletzt wird oder wie stark sie sich verletzt. Sie beschreibt aber auch, ob Spielfiguren altern, wieviel Wert eine Leistung hat oder ob es Magie gibt und wie sie funktioniert. Also einfach alles, was den Inhalt der Spielwelt beschreibt.
Ein Übergewicht an Spielweltrealismus kann zu Verlust an Spielbarkeit führen, das bedeutet, die Übersicht über Auswirkungen geht verloren oder bestimmte Inhalte können objektiv gegenüber anderen einfach von Vorteil sein. Ein Beispiel wären hier zu lange Ausrüstungslisten oder zu viele oder zu komplizierte Zaubereffekte und Gegeneffekte. Wenn man die Fallgeschwindigkeit mit der Beschleunigungsformel berechnen muss, macht es dies ebenfalls ziemlich deutlich.
Gleichzeitig kann ein Übergewicht an Spielweltrealismus den Spielverlauf stören, weil Mitspieler keinen kontrollierten Einfluss mehr auf die Welt nehmen können, das Schicksal der Charaktere und der Ausgang eines Abenteuer hängt dann buchstäblich von den Gesetzen der Spielwelt ab. So, als würde eine Person erfolglos versuchen, ihre Umwelt in der Realität zu kontrollieren (was wir sicher alle gerne könnten).

Spielverlauf
Wie der Name schon sagt, umfasst dies die Zielsetzung der Veranstaltung Rollenspiel einen zeitlich reibungslosen und geregelten Ablauf zu ermöglichen, im weitesten Sinne der "Spielstil". Die Spielbalance oder die Fairness sind hier wichtige Aspekte, aber nicht die Einzigen. Regeln, die diesem Schwerpunkt folgen, legen zum Beispiel fest, ob es einen Spielleiter gibt oder wie die Verteilung der Spielzeit unter den Mitspielern gelagert ist.
Die Zielsetzung beschreibt aber auch die Möglichkeiten der Mitspieler, Einfluss auf die Ereignisse innerhalb der Spielwelt nehmen zu können OHNE, daß Spielweltbewohner sich dessen bewusst sind. Das ist ein ganz entscheidender Unterschied zum Spielweltrealismus und gegensätzlich. Die Zielsetzung beschreibt z.B, ob es unwichtige Nebenpersonen gibt, die eine viel höhere Sterblichkeit haben oder sie steuert den dramatischen Hergang eines Abenteuers. Dazu gehört ebenso, wieviele Erfahrungspunkte Spielfiguren bekommen (wenn sie welche bekommen) oder wofür sie sie nutzen können. Sie dient ausserdem der Aufgabenverteilung der Charaktergruppe oder auch der Festlegung der Anzahl von Fähigkeitsanwendungen und ähnlichem. Wären einem Spielweltbewohner hingegen all diese Regeln bekannt, wären sie automatisch Teil des Spielweltrealismus!
Unter einem Übergewicht an Spielfverlaufsregeln kann der Spielweltrealismus leiden. Nehmen die Mitspieler ihren Charakteren zu viele Entscheidungen aus der Hand, wie z.B. erwähnte, limitierte Anwendung von Handlungen (siehe D&D4), anstatt "durch die Charakere" zu handeln, dann können auf Basis dieser Regeln keine Reaktionen in der Spielwelt mehr abgeleitet werden, da sie keine Aussage über deren Gesetze machen (Charaktere würden auf Gefahren zum Beispiel anders reagieren, wenn sie wüssten, daß sie ein Kampfmanöver nur einmal durchführen könnten).
Unter einem Übergewicht an Spielverlaufsregeln leidet ebenso die Spielbarkeit, wenn die Rechte und Pflichten der Mitspieler über den Einfluss auf das Spiel in einer hundertseitigen Gesetzabhandlung festgehalten wären und dutzende verschiedene Mitspielerposten definiert werden (SL, Co-SL, Vize-SL ...) illustriert es dieses Problem recht anschaulich.

Spielbarkeit
Dieser Schwerpunkt beschreibt die Wechselwirkung der Spielregeln und Spieleraktionen untereinander, sowie das Ausmaß eben dieser. Sie beschreibt, welche Elemente eine sinnvolle Ergänzung für das Spielerlebnis sind und welche Elemente der Regeln verlustfrei gestrichen werden können oder wieviel Funktionalität zugunsten des Spielflusses geopfert werden kann. Ein wichtiger Aspekt ist hier die Abstraktion. Der Entwickler entscheidet, ob zum Beispiel Lebenspunkte eine ausreichende Abstraktion der Verletzungen einer Spielfigur darstellen oder auf welche Auswahl von Fertigkeiten er einen Fokus legt und welche unter den Tisch fallen. Es beschreibt aber auch, wie exakt die Aufgaben und Pflichten der Spieler geregelt sind.
Ein Übergewicht an Abstraktion kann zum Verlust an Spielweltrealismus führen. Wenn es keine Spielregel gibt, die besagt, ob sich eine Spielfigur verletzen kann, dann wird es schwer für die Spielweltbewohner, Konflikte auszutragen. In einem anderen Beispiel könnten alle Waffen denselben Schaden anrichten oder sich Magie genau so wie Fernkampf spielen um das Spiel zu beschleunigen. Dies führt meist zu willkürlichen und mittel- bis langfristig uneinheitlichen Entscheidungen seitens der Mitspieler und damit zu Unsicherheit in der Spielgruppe. Zum Beispiel kann der Sturz einer Spielfigur diese in einer Situation beinahe umbringen und derselbe Sturz an einem ganz anderen Spielabend und/oder nach einem Spielleiterwechsel kaum eine Verletzung verursachen. Auch kann eine Spielfigur oder ein Mitspieler ungewollt die Oberhand über alle anderen gewinnen, einfach, weil es keine verlässliche Entscheidungsgewalt darüber gibt, was sie oder er bewirken kann.
Gleichzeitig geht bei einem Übermaß an Abstraktion der geregelte Spielverlauf verloren. Besonders unerfahrene Rollenspieler kommen so schlecht in das Spiel hinein, da zu viele Fragen über Aufgaben und Pflichten der Mitspieler, sowie Spielstil offen gelassen werden. So sind Anfängerrollenspiele oft dadurch gekennzeichnet, daß sie der Regelung und Erläuterung des Spielverlaufs ein großes Gewicht beimessen.



Ein Rollenspiel ist meiner Ansicht nach immer ein Kompromiß zwischen mindestens diesen drei Zielsetzungen, Punkte auf dem Umriss der Dreiecks (0% eines Begriffes) finden sich nur in einzelnen Regeln wieder. Und es ist nun auch klar, daß es keinen Kleinkrieg gibt, alle drei Zielsetzungen sind wichtig, um ein rundes Rollenspiel zu gestalten. Es gibt hier keinen goldenen Schnitt, auch wenn man diesen in der Mitte erwarten könnte. Es ist eine reine Geschmackssache, welcher Rollenspieler welche Schwerpunkte setzt. Man sollte sich nur immer im Klaren sein, was dies für alle anderen Zielsetzungen bedeutet.

Spielen wir jetzt ein wenig damit herum. Das folgende Bild zeigt diverse Rollenspielsysteme, die ich gespielt habe und über die ich mir eine Beurteilung zutraue. Man kann sich über die genaue Lage streiten und bislang gibt es keine nachvollziehbare Methode Prozentpunkte in Rollenspielregeln zu quantifizieren, aber ich hoffe meine Einschätzung ist halbwegs nachvollziehbar. Was sofort auffällt ist, daß man nun Verwandtschaften festlegen könnte. Man könnte sagen, daß Risus und Inspectres mehr miteinander gemeinsam haben, als mit Savage Worlds. Und das dieses wiederum von seinen Designabsichten mit Liquid verwandt ist. Wer diese Systeme einmal gespielt hat, kann das vielleicht ein wenig nachvollziehen.
Dann gibt es leere Flächen an den Extremen der Spitze und der Basis. Diese nennt man Mischungslücken. Das sind Verhältnisse, die so in der Realität nicht auftreten. Und auch wenn ich nicht ausschliessen will, daß es Rollenspiele geben mag, die zum Beispiel zu 0% aus Abstraktion und zu 100% aus Spielweltrealismus bestehen (das wäre buchstäblich ein perfektes Holodeck einer anderen Welt), so sind mir diese Rollenspiele nicht bekannt und ich halt sie für sehr unwahrscheinlich. Auch 100% Abstraktion kann man sich nur schwer vorstellen. Hier ist nochmal anzumerken, daß dies nicht für einzelne Regeln gelten muss. Eine Regel, die einen Spielleiter und Spieler definiert dient zweifellos dem Spielverlauf, trifft aber keine Aussage über eine Spielwelt.
Die Mischungslücken halte ich in dieser Hinsicht noch als vorsichtige Einschränkung meinerseits.

Dies ist die Art und Weise, wie ich meine kleine Rollenspielwelt ordne. Ich erwarte nicht, daß sie jedem logisch erscheint, aber wenn sie auch anderen Rollenspielern bei der Bewertung oder Wahl ihrer Rollenspiele hilft, dann freut mich das sehr. Ohne Zweifel gehört noch wesentlich mehr dazu, was ein RPG ausmacht. Ich muss zwei Rollenspiele nicht mögen, nur weil sie nahe beieinander liegen. Wie ich schonmal schrieb: Auf das Detail kommt es an. Für mich ist es auch nur ein Ansatz, ein Vorschlag und mich interessiert es natürlich, es auszubauen/zu korrigieren/anzupassen.

Und wenn man nun alles zusammenfügt, was haben wir dann?
Genau.schöne Feiertage.




Konstruktive Kritik oder Anregungen zu diesem Modell? Dann teilt es mir bitte im entsprechenden Thread des RSP-Blogs Forums mit. Kommentare an dieser Stelle lese ich genauso gerne, kann aus technischen Gründen aber zur Zeit nicht antworten.
http://forum.rsp-blogs.de/index.php/topic,1048.msg5340.html#msg5340


KORREKTUR

Jan hat mich in den Kommentaren darauf hingewiesen, daß die Mitte eines Mischungsdreiecks natürlich 33% pro Parameter und nicht 50% sein muss. Asche auf mein Haupt. Das ist natürlich vollkommen richtig und habe es geändert, danke für den Hinweis.

Samstag, 10. Dezember 2011

Prügelknabe Realismus

Es scheint eine Art lang anhaltender Trend zu sein, eine Aussage, mit der viele sich offenbar genötigt fühlen klar zu machen, daß sie auf keinen Fall und nie und nimmer etwas mit Spielweltsimulation zu tun haben. So, als distanziere man sich als politisch korrekter Mensch von einem Anschlag oder derartig Furchtbarem. Es geht um solche Aussagen:
"Realismus ist mir dabei übrigens egal"
"Und ich würfele nicht, um die Spielwelt realistisch darzustellen"

Ich frage mich dann immer, wozu diese unnötige Zusatzinformation? Was möchte mir der Schreiber der Zeilen damit sagen? 'Ich habe nichts gesehen, nein, Realismus kenne ich nicht, ich habe auch nie damit zu tun gehabt, da müssen sie jemand anderen fragen.'
Werden wir etwa doch von der Rollenspielpolizei beobachtet; und, unterdrückt diese etwa den Realismus im Rollenspiel? Ich dachte bislang ja immer, das Gegenteil wäre der Fall. Aus dieser Sicht wäre die Aussage also wieder eine rebellische, unabhängige und avantgardistische. Es wäre also eine schnelle Methode sich als etwas besseres darzustellen, als jemand, der sich gegen die Unterdrückung des Realismus erhebt und sich bereits von diesem antiquierten Ding "Realismus" gelöst hat.
Fragen wir uns kurz, was mit Realismus gemeint ist. Dies sind alle Vorgänge in einer Spielwelt. Alles, was in einer Spielwelt Naturgesetz ist, ist realistisch in dieser Spielwelt. Hierzu zählt auch Magie oder Übernatürliches. Aus diesem Grund ist das Wort Glaubwürdigkeit eher angebracht, konnte sich aber leider nie durchsetzen.
Warum also gegen die Spielwelt ankämpfen? Natürlich, Spalter wird es immer geben, dennoch frage ich mich, welchen Mehrwert es hat auf Realismus zu verzichten und ich bezweifle, daß es wirklich jemand tut.

Des Öfteren habe ich erwähnt, daß ich bei Spielregeln zwischen zwei Extremen unterscheide, eines, das in erster Linie die Spielwelt simuliert und ein anderes, welches das Miteinander am Spieltisch regelt.
Letzteres wäre so etwas wie:
- Wer bringt die Chips mit?
- Wird mit Miniaturen gespielt?
- Wieviele Charakterbaupunkte bekommt man?

Erstes sind Regeln, die direkt eine Handlung in der Spielwelt abbilden
- Ein Spielcharakter lernt etwas und erhält Erfahrung (als Punkte)
- Jemand haut einen Gegner mit dem Schwert und dieser blutet und wird schwächer
- Jemand klettert auf einen Baum und fällt.

Die Spielregeln lassen sich selten eindeutig auf beide Extreme aufteilen und das ist auch gar nicht sinnvoll, denn wir haben hier keinen Kleinkrieg, in dem nur der eine oder andere Recht haben kann. Meist sind die Regeln ein Kompromiß zwischen beiden. Nehmen wir die Regeln
- Etwas Spannendes passiert immer dort, wo sich die Charaktere befinden oder
- Ein unwichtiger Handlanger wird immer nach einem Treffer aus dem Spiel genommen

dann kann man zwei Absichten darin erkennen. Die eine Absicht ist ein spassiger, spannender Spielabend, in dem garantiert etwas Aufregendes passiert. Die andere Absicht ist das Geschehen in der Spielwelt darzustellen. Die unwichtigen Handlanger fallen nach einem Treffer um, sie werden nicht etwa geheilt oder duplizieren sich. Und die spannenden Dinge treten ein und haben Konsequenzen, sie werden nicht ungeschehen. Dennoch möchte man nicht auf die Aufregung verzichten, es ist also ein Kompromiß zwischen "Realismus" und "Miteinander am Tisch".

Mit einem Blick kann man also schnell sehen, daß nicht alle der genannten Beispiele gleich "realistisch" sind. Viele Rollenspiele benutzen für die Bewegung der Charaktere zum Beispiel Miniaturen und Kästchen, man kann sich dort nur schwerlich und mit Zuhilfenahme von Ausnahmeregeln diagonal bewegen, aber, und das ist der Punkt, die Regel dient dazu, die Figur von A nach B zu bewegen, weil es die Gesetze in der Spielwelt so ermöglichen. Sie geht nicht von oben nach unten oder reist zurück in die Zeit. Es ist also eine weniger realistische Regel, die versucht, die Bewegung in der Spielwelt dazustellen. Wenig heisst nicht gar nicht realistisch, sondern ein wenig realistisch.
Und das ist schlussendlich ihr Zweck, der Entwickler möchte die Bewegung der Figur so realistisch wie möglich darstellen, ohne das Miteinander am Spieltisch zu stören, zum Beispiel den Spielfluss, also geht er diesen Kompromiß ein, denn eine vollständig realistische Bewegungsregel wäre am Spieltisch kaum durchführbar. Die Absicht dahinter ist aber häufig, daß der Spieler sich vorstellen kann, was sein Charakter in der Spielwelt tut. Die Spielregel simuliert also etwas. Sie simuliert den Realismus in der Spielwelt.

Und dann frage ich mich wieder, wie laufen diese Runden ab, die keinen Realismus und keine Simulation haben? Wenn dort die Kanonen schiessen, wachsen dann Rosen aus den Läufen? Wenn ein Charakter dort über eine Mauer klettert, wird diese dann kleiner, wenn er es schafft? Läuft die Zeit dort rückwärts oder alle Menschen auf den Händen? Fällt man dort nach oben? Und das unterstützen die Regeln dann? Wie machen sie das denn?
Es muss sehr verwirrend sein, ein Rollenspiel zu spielen, wenn einem Realismus in den Regeln völlig egal ist.
Glücklicherweise sehen das die meisten Rollenspielentwickler anders, weil sie den Grundgedanken von Rollenspiel nicht aus den Augen verlieren: Sie bieten Regeln an, die darstellen, was und wie ein Ereignis in einer Spielwelt abläuft und das so spielkomfortabel wie möglich. Mal mit dem einen, mal mit dem anderen Schwerpunkt, aber wenn dort eine Waffe niedersaust, dann richtet sie auch immer Schaden an. Man muss dort nicht rückwärts gehen, um vorwärts zu kommen und Eis schwimmt dort immer noch oben, sofern eine Magie der Spielwelt oder ein Spielweltnaturgesetz nicht etwas anderes diktiert. Aber das ist in dieser Welt dann ja auch wieder realistisch.

Eure Meinung zum Thema Realismus interessiert mich sehr. Da die Kommentarfunktion dieses Blogs zur Zeit nicht einwandfrei funktioniert kann man auf den Thread im RSP-Blogs Forum ausweichen.
http://forum.rsp-blogs.de/index.php/topic,1032.msg4914.html#msg4914

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Jetzt hat das Rollenspiel Karneval - Moral beim Rollenspielen

Ich könnte mich jetzt fragen: Was sitzt du hier bei dem spätsommerlichen Wetter (im Dezember!) vor deinem Computer herum und schreibst so vor dich hin, wo du doch auch produktiv sein könntest und bei dem spätsommerlichen Wetter vor dem Computer herum sitzen könntest, um dein Rollenspiel weiterzuschreiben.
Das hat etwas mit Moral zu tun. Und damit auch der Grund, warum ich das als Ausrede für eine Pause nutze. Spielleiten hat in seinem Blog vor Kurzem die amerikanische Sitte des "RPG Karnevals" aufgegriffen, ihr erfahrt dort, worum es sich dabei genau handelt. Das RSP Blogs Forum wird zur Zeit zur Organisation benutzt. Ich mag den Begriff Karneval eigentlich nicht, 1. weil ich deutschen Karneval nicht mag und 2. weil es ein Mangel an ernsthaftem Interesse suggeriert, aber kurz gefasst sind das Themenwochen, zu dem sich jeder äussern kann der mag und damit eine gute Sache.
Und im Dezember'11 geht es um Moral im Rollenspiel. Und da ich nicht ausschliesslich Werbung für das Projekt machen möchte und ich immer mal wieder zum Thema Moral etwas geschrieben habe, fällt es mir nicht schwer, ein paar Dinge einzubringen.

Daher ein paar Ratschläge aus der Mottenkiste der guten Manieren und des funktionierenden Miteinanders:
Moral verstehe ich in diesem Zusammenhang als Motivation, Disziplin oder Verantwortungsbewusstsein, speziell der Mitspieler einer Rollenspielrunde. Deswegen schreibe ich Moral "beim" Rollenspielen nicht "im Rollenspiel". Das ist ein kostbares Gut und ich habe das Glück, mit weitestgehend moralisch starken Spielern spielen zu können. Doch was sind Spieler ohne Moral? Das sind solche, die zu spät kommen, solche, die in letzter Minute den Termin absagen - oder auch mal unentschuldigt mit Abwesenheit glänzen - auch diese, die die Spielregeln nicht beherrschen und sich auch nicht bemühen, sie zu lernen. Genausowenig, wie sie sich in die Runde einbringen und die Mitspieler beim nicht geringen Aufwand einer Rollenspielrunde unter die Arme greifen. Kurzum, rücksichtslose und selbstsüchtige Zeitgenossen, da sie sich auf Kosten ihrer Mitspieler unterhalten lassen und rumfläzen ohne eine Gegenleistung zu bringen.

Es gibt diverse Ausweichstrategien solcher Persönlichkeiten, um Spielrunden unter dem schwarzen Drakuladeckmantel von "Spielstil" wie Vampire auszusaugen, bis diese kraftlos das Handtuch werfen. Nur die Standhaften können sich solcher Spieler erwehren, in dem man sie gemeinsam ausläd (Wem es am nötigen Selbstbewusstsein mangelt, ein strategischer Tip: Rollenspielrunde im allgemeinen Verständnis auflösen und die Woche drauf neu gründen ;) ).
Hier exemplarisch zwei Ausweichstrategien am Pranger.
Eine Ausweichstrategie lautet "Casual Gamer", ein Schlagwort, dessen diese Leute sich bedienen, um sich in Runden zu schleichen und sie blutleer zu saugen, daher warne ich explizit vor dem Mißbrauch dieses vollwertigen Spielstiles. Ein "casual" oder Gelegenheitsspieler ist ein solcher, der in seiner Freizeit nicht die notwendige Zeit und Hingabe aufwenden will, um richtig tief ins Rollenspielhobby einzutauchen. Und das ist auch völlig in Ordnung, es gibt genügend Angebote um der seichten Form des "Bier und Bretzel" Rollenspiels zu frönen. Es gibt keinen Grund, deswegen unzuverlässig oder eigennützlich zu sein, denn das ist gar kein Spielstil.
Eine andere Ausweichstrategie ist die eigene Wichtigkeit heraus und über andere zu stellen. Als Grund für Nichterscheinen, Regelunkenntnis etc.pp. werden dann Dinge nach vorne geschoben wie Uni, Arbeit, Familie.
"Ich hatte so viel in der Kanzlei zu tun, deswegen bin ich nicht gekommen".
Diese Strategie ist besonders perfide, denn mit Nennung dieser gewichtigen Themen lässt man sich schnell in die Defensive drängen. Doch Moment! Schauen wir genau hin. Was zum Teufel hat Uni, Arbeit und Familie mit Rollenspiel zu tun? Und schauen wir noch genauer hin. Haben wir nicht selber auch Uni, Arbeit, Familie, also auch mehr als genug zu tun? Es geht hier um regelmäßige oder kontinuierliche Unzuverlässigkeit. Was will uns dieser Mensch also eigentlich sagen? Na, daß seine Belange vor denen der Gruppe stehen, daß er fleissiger ist, wenn er mal wieder raus muss, um "mal kurz die Welt zu retten". Lasst euch davon nicht einschüchtern. Natürlich können einem diese Dinge ins Gehege kommen, aber ist das deswegen ein Grund, verantwortungslos, unzuverlässig und egoistisch zu sein? Verhindert dies sogar Anrufe? Wir leben (offiziell) nicht in einem Sklavenstaat, die meisten Menschen haben mehrere Stunden des Tages frei.
Man nimmt sich die Zeit für etwas, was einem wichtig ist. Wenn man viel zu tun hat, aber trotzdem echtes Interesse am Rollenspielhobby (oder auch nur an irgendeinem Hobby) hat und daran interessiert ist, sich einzubringen, dann setzt man sich eben gemeinsam zusammen und überlegt sich eine Strategie, die auch mit vielbeschäftigten Personen funktioniert und sei es nur, daß man dem Mitspieler die Freiheit einräumt. Oder man bietet es dem "Vielbeschäftigten" selber an, gemeinsam findet man immer eine Lösung. Rollenspielen heisst auch Zusammenhalten. Das Ausbleiben oder Ablehnen solcher Vorschläge ist ein ganz heisses Indiz dafür, daß es sich bei dem "Mitspieler" um einen Motivationsschädling handeln könnte, einem Spieler ohne Moral, der selbst natürlich daran interessiert ist, sein Desinteresse und geringe Priorität an Runde und Mitspieler zu verschleiern, um "seine" Runde, seine "Spaßquelle" für "Notfälle" auf Abruf haben zu können. Erschwerend kommt hinzu, daß viele Rollenspieler so verzweifelt Mitspieler suchen, daß sie alle möglichen Gestalten in ihren Runden dulden.

Das sind vielleicht harte Worte aber ich verstehe in der Hinsicht auch keinen Spass mehr. Viel zu lange habe ich diese grundlegenden Bedingungen naiverweise einfach vorausgesetzt. Heute achte ich darauf und ich möchte Anfängern helfen, diese Riffe zu erkennen, um sie zu umschiffen. Rollenspiel ist nur "spielen", ja. Davon bekommt man kein Essen auf den Tisch und es gibt Wichtigeres, das verstehe ich. Aber ehrlich, hilfsbereit, offen zu sein und zu seinem Wort zu stehen, seinen Mitspielern zu helfen, das ist unabhängig vom Objekt. Das gilt immer!
Und Rollenspiel ist eben keine Spielkonsole, die man an und ab schaltet oder auf einen anderen Schrank stellt, wenn sie im Weg steht, wie es einem beliebt, sondern ein Gesellschaftsspiel! Und wie immer, wenn man nicht alleine spielt, gelten mindestens implizit gewisse Regeln, also Einschränkungen, an die sich jeder halten muss, damit die Veranstaltung funktioniert. Jemand sagte mir in einem Forum vor Kurzem, Spielen sei die Definition von regellos, doch das halte ich für Kokolores. Wir lernen durch das Spielen mit anderen sogar unsere allerersten Regeln. Und Personen, die sich auch im Trivialen nicht an Regeln halten können, so vermute ich, haben allgemein nicht viel in Gesellschaft spielen können und mussten sich selten auf Einschränkungen einstellen. Die verhalten sich dann auch im Alltag so!
Entgegen der Gerüchte ist auch Rollenspiel kein Wunschkonzert und auch kein Nerdsumpf, sondern funktioniert nur mit sozial gesellschaftsfähigen Personen. Moral bedeutet also erst einmal Verzicht. Moral ist Rücksicht auf Andere. Es zieht sich über weitere Aspekte des Rollenspiels, die aber alle Ableitungen derselben Ursache sind. Die Moral gebietet, daß man beim Spielen nicht schummelt (das völlig legitime "Schummeln unter Mitspielerwissen" heisst einfach "Regel brechen"), daß man als Spieler gruppentaugliche Charaktere baut und keine Egomanen, daß man die Wünsche der Mitspieler berücksichtigt und das man den Spielern als Spielleiter nicht vorspielt, ihre Charakterhandlungen hätten Konsequenzen, man diese aber gleichzeitig manipuliert. Rollenspiel ist also auch ein wenig Arbeit.

Ich bin ein "ernsthafter Hobbyist", mich scheut das nicht. Ich stecke fast die gesamte Freizeit (die Freizeit ohne Familie meine ich ;) ) in und um Rollenspiel. Und genauso habe ich gewisse Ansprüche, was die Mitarbeit betrifft, denn ich lasse mich nicht gerne ausnutzen. Es muss nicht jeder ein "Hobbyist" sein, um Rollenspiel spielen zu können, das erwarte ich auch gar nicht. Aber ich erwarte, daß ein Mitspieler mir zeigt, daß ich mich auf ihn verlassen kann, daß er seine Energie einbringt, daß er die Regeln kennt und sich daran halten kann oder konstruktive Vorschläge machen kann, um etwas zu verändern. Das ist nicht viel und es benötigt in der Regel nicht lange, bis ich merke, ob jemand echtes Interesse zeigt oder nur vorheuchelt und dann ist Land unter.

Deswegen: Moral zeigt sich immer zuerst am Spieltisch, bevor man überhaupt darüber nachdenken kann, wie die Charaktere in der Spielwelt damit verfahren. Darüber können sich andere Blogger in diesem Thema auslassen.
*grummel grummel*

Weitere Themenbeiträge zu Moral im Rollenspiel findet ihr im Gemeinschaftskarnevalszelt des RSP-Blogs Forums.
http://forum.rsp-blogs.de/index.php/topic,1026.msg4711.html#msg4711

Dienstag, 8. November 2011

Die Einseitigkeit der Rollenspiele. Eine Frage der Perspektive

Und zwar der Regelperspektive. Ja, ich weiss, die meisten Rollenspieler interessieren sich mehr für die Vielfalt der Spielwelten, die Möglichkeiten der Abenteuer, alles andere interessiert sie nicht, besonders wenn es so ein trockenes Thema wie Spielregeln ist. Doch für mich ist das erst der zweite Schritt. Zunächst brauche ich doch erstmal ein Werkzeug, bevor ich anfangen kann, das Haus zu bauen.

Immer wenn ich, wie heute Morgen, kurz durch Rollenspielforen stromere, muss ich wiederholt feststellen, daß ich zu einer sehr seltenen Spezies gehören muss. Ich lege Ansprüche an ein Rollenspielregelsystem, die sonst niemand daran zu legen scheint, mit dem ich Kontakt habe. Da stellt sich einem schon die Frage, wo nun die Vielfalt im Rollenspiel sein soll, die jedem Geschmack etwas bietet, wenn man selbst aussen vor bleibt.
Ich meine damit nicht, daß ein Rollenspielregelwerk für mich auf die Spielwelt anwendbar sein muss, anstatt nur auf das direkte Handlungsumfeld der Charaktere, um überhaupt damit spielen zu können. Eine Alternative dazu ist natürlich, daß der Spielleiter alles Abseitige frei nach Schnauze entscheidet und "handwedelt", wie es viele RPGs tun oder ein weiteres System daran hängt. Im Falle von D&D4 z.B. alles nicht kampfbezogene mit GURPS löst und wenn es um das Handeln geht, das Travellersystem verwendet.
Nun, eigentlich meine ich schon genau diese Restriktion auf Spielercharaktere, aber es geht um Wahrscheinlichkeiten und das hat erstmal gar nichts mit irgendeiner Spielweltdarstellung zu tun, gilt somit für alle Rollenspiele.
Wenn ich ein Rollenspielsystem benutze, dann möchte ich, daß die Erfolgschance entsprechend der Kosten, die ich investierte, im gleichen Maße ansteigt. Ich möchte auch, daß sich der Anstieg der Erfolgschancen für alle Spielfiguren gleich verhält, gleich, ob ich die Stärke eines Menschen oder zum Beispiel die eines Drachen verdoppele. Denn wie sonst sollte man unterschiedliche Spielfiguren darstellen und sie in Vergleichen aufeinander hetzen? Dafür gibt es Lösungen, die lassen sich nur nicht mit Attribut+Fertigkeit+W20 umsetzen. Schaut man genau hin, finden sich in den meisten Rollenspielen (die ich kenne) aber nur Lösungen, die sich auf unterschiedlich mächtige Menschen beziehen. Der Drache hat dort also nicht die Werte eines Drachen, sondern die eines sehr starken Menschen. Und ein starker Drache ist demnach ein noch stärkerer Mensch, was, wie man sich denken kann, seine "Erfolgskurve" weiter abflachen lässt, als dies zwischen einem schwachen und einem starken Menschen der Fall ist. Die relative Stärke des Menschen ist dann sozusagen das, was die scheinbare Stärke einer Ameise für uns ist. Das kann passieren, wenn man immer nur dieselbe Größe von Würfel mit fester Zahlenspanne für Proben benutzt. D&D hat das mal mit logarithmischen Stufenkosten ausgebügelt, seltsamerwiese aber nur für die unteren Stufen, hat dann aber trotzdem mit linearen Erschwernissen gearbeitet, so daß im Grunde nichts gewonnen wurde, der Drache musste für seinen +1 Bonus nun einfach NOCH mehr arbeiten als der Mensch. Eine andere Herangehensweise ist eine relative Zahlenspanne von "Traits" wie in Risus, dort ist ein Mensch mit Stärke 3 eben entsprechend schwächer als der Drache mit Stärke 3. Natürlich bleibt die Vergleichbarkeit hier völlig auf der Strecke, will man nicht frei interpretieren.
Mit anderen Worten: Diese Arten von Vereinfachungen eignen sich aussschließlich nur dazu, gleiche Spielfiguren untereinander zu vergleichen, meist sind dies menschenähnliche Spielercharaktere. Und das finde ich für die meisten Fantasyspielwelten doch arg unbrauchbar und nicht ausreichend. Ich mache da kaum mehr Unterschiede, für mich ist das dieselbe Soße, da können sich GURPS, D&D4, Savage Worlds, Traveller, Fate und wie sie alle heissen gleichermaßen einreihen.
Verwirrend? Nun, die meisten Rollenspieler scheint so etwas ohnehin nicht zu stören. Ich lese häufiger Kommentare, die aussagen, das Regelsystem sei gut genug, wenn die Spielfiguren "nur irgendwie" oder noch anspruchsloser "gefühlt" besser werden. Mit anderen Worten: Der Entwickler hat einen Freibrief, so lange sich die Zahlen in seinem Rollenspiel einfach irgendwie verändern. Man könnte es sich einfach machen und vermuten, daß die meisten Spieler die Quintessenz überhaupt nicht sehen können, geschweige denn die Wahrscheinlichkeiten berechnen. Aber so garstig wollen wir nicht sein, es müssen einfach andere Spielschwerpunkte sein, wie zum Beispiel "Spielatmosphäre". Schwerpunkte zu haben scheint zu bedeuten, daß einem alles andere egal ist. Also einfache Gemütlich- und Gleichgültigkeit. Denn es ist aufwändig, sich über Zahlen Gedanken zu machen und lenkt vom Spielen ab und kann, muss aber nicht, gar das Spiel verlangsamen. Und tatsächlich bin ich auch jahrelang gut damit gefahren, Rollenspielregeln einfach hinzunehmen und deren Auswirkungen zu akzeptieren, wie sie kommen. Zu dieser Zeit ging ich naiverweise aber auch davon aus, daß dort Entwickler am Werk waren, die ähnliche Ansprüche haben und denen ich meine in ihre Hände legen könnte. Würden alle Rollenspieler dieselben Ansprüche an Zahlensysteme in Rollenspielregeln stellen, wären diese Regeln nicht nur "unansehnlicher", z.B. mit Multiplikationen, dann gäbe es auch nicht mehr so viele "Entwickler", die diese Ansprüche überhaupt erfüllen können. Wäre ja auch viel aufwändiger. Ich dachte früher sogar mal, daß sich die Autoren von DSA3 etwas gedacht hätten. Weit gefehlt, heute springt mir die einseitige Anwendbarkeit der meisten Grundmechanismen sofort ins Gesicht, so daß ich mit diesen keinen Spass haben kann. Die Regeln verkommen zu reinem Selbstzweck. So als würde man Poker spielen, während man Rollenspiel spielt.
Und das erklärt vielleicht auch die Seltenheit der kritischeren Spielerspezies und das Fehlen passender Regeln, da Rollenspiele vielleicht für ein ganz anderes Klientel gedacht sind. Für ein bisschen Unterhaltung schalten wir eben gerne mal ab, um die Sorgen zu vergessen. Und dann tauschen wir lieber 45 Minuten echte Spielzeit mit konfusen Spielregeln gegen 30 Minuten echte Spielzeit mit nachvollziehbaren Spielregeln.
aber wie sagte schon ein schlauer Mensch:
Was ist eine Unterhaltung wert, die nur Zeit vertreibt und der Zerstreuung dient?


gibt es da doch noch Spieler, die sich nicht mit "irgendetwas" zufrieden geben? Dann meldet euch im RSP-Blogs Thread. Gerne auch mit Rollenspielvorschlägen
http://forum.rsp-blogs.de/index.php/topic,1012.msg4538.html#msg4538

Dienstag, 1. November 2011

Das FAINT - RPG. Mein definitives Erzählspiel

V.0.5
Dieses Rollenspiel wird ohne festen Spielleiter gespielt. Es wird zwischen Mitspieler (MSp), Spieler (Sp) und Konfliktleiter (KL) unterschieden. Im Spiel werden die Figuren zwischen Charakter (SC) und Konfliktleitercharakter (KLC) unterschieden. Mitspieler meint jede Person am Spieltisch, die letzteren Begriffe werden in den Regeln erläutert.

Charaktergenerierung
Jeder Mitspieler ist auch ein Spieler, das heisst, er führt einen Charakter, der Stellvertreter seiner selbst in einer fiktiven Spielwelt ist. Jeder Spieler erhält 12 Punkte, die er auf beliebig viele Fertigkeiten verteilen darf. Fertigkeiten beschreiben das Können des Charakters in bestimmten Gebieten und können beliebig benannt werden. Das Maximum einer Fertigkeit ist 12. Der Charakter benötigt ausserdem einen Namen. Jeder Charakter hat die Ausrüstung, die er gerade benötigt.

Die Probe
Die Probe entscheidet, ob eine Entscheidung des Spielers für seinen Charakter in Kraft tritt. Dazu würfelt er einen zwölfseitigen Würfel (W12) + die Punkte in einer passenden Fertigkeit. Das Ergebnis muss 12 oder höher betragen, damit die Entscheidung in Kraft tritt. Vor dem Würfelwurf muss jedem Spieler klar sein, welche Auswirkung ein positives oder negatives Ergebnis hat. Der Spieler darf jede Handlung seines Charakters bestimmen, so lange er nicht das Ergebnis des Würfelwurfes vorwegnimmt.

Eine Probe kann für einen bestimmten Charakter in einer bestimmten Situation schwieriger oder leichter sein.
Eine Erschwernis modifiziert das Endergebnis um -2
Eine Erleichterung modifiziert das Endergebnis um +2
Über die Erschwernis entscheidet der KL (siehe unten).

Aktionspunkte
Jeder Spieler besitzt eine bestimmte Menge an Aktionspunkten (AP), zu Beginn 12. Jeder Probenversuch einer beliebigen Fertigkeit kostet beginnend bei 1 ein AP mehr als der vorhergehende Versuch. Es wird also immer teurer, proben zu würfeln. Der Spieler sollte eine Strichliste führen. Der Spieler kann ausserdem zusätzliche AP im Verhältnis 2:1 ausgeben, um das Endergebnis seiner Probe um je 1 zu erhöhen.

Der Topf
Der Topf ist ein Menge an AP, von denen sich jeder Spieler, nicht KL, bedienen kann, um seine Proben zu bezahlen oder zu verbessern. Zu Beginn jedes Spielabends enthält der Topf 6 AP pro Mitspieler. Er wird aufgefüllt, indem Aktionen von anderen Spielern geblockt werden. Jeder Spieler kann auch ohne AP handeln, jedoch kann so eine Aktion von jedem Mitspieler abgewehrt werden, indem dieser in den Topf die Hälfte (aufrunden) der eigentlichen Aktionskosten zahlt. Das Blocken von Aktionen kann nicht mit AP aus dem Topf bezahlt werden.

Aktionspunkte verdienen
Jeder Mitspieler kann der Reihe nach in aufsteigender AP-Höhe AP in Höhe seiner gegenwärtigen Probenkosten verdienen, wenn er ein spannendes Ereignis beschreibt, welches das Abenteuer voranbringt. KLC, die er dabei einbringt, werden von ihm gespielt. Er entscheidet auch, ob eine Probe erleichtert oder erschwert ist. Ist das Ereignis überwunden geht die Kontrolle der KLC auf den nächsten KL über (dies kann auch derselbe Mitspieler sein).
Möchte der Mitspieler kein Ereignis einbringen oder fällt ihm keines ein, kann er auch passen.
Der Mitspieler erhält das Doppelte an AP, wenn das Ereignis an das Vorhergehende anknüpft.
Üblicherweise wird ein Ereignis mit einer Probe überwunden. Der KL erhält sogar das Dreifache, wenn das Ereignis gleichzeitig ein Konflikt ist (siehe unten).

Konflikte
Ein Konflikt ist ein bedeutendes Ereignis innerhalb des Abenteuers, welches mehrere Proben benötigt, um überwunden zu werden. Dies kann ein Kampf, eine Diskussion oder zum Beispiel ein Einbruch sein. Der Konflikt hat eine Schwierigkeit in der Höhe, die vom Mitspieler festgelegt wird, der sie einbringt. Dies sind die Konfliktpunkte. Der KL kontrolliert die Gegner, also KLC. Sein eigener Charakter befindet sich nicht im Konflikt, er könnte sich z.B. an einem anderen Ort aufhalten.
Die Schwierigkeit wird an die gegenwärtige AP-Summe der Spieler angepasst. Ein leichter Konflikt hat bis zu der Hälfte der Summe der gegenwärtige AP der Spieler als Schwierigkeitspunkte, ein normaler Konflikt bis zur Summe der Spieler-AP und ein schwerer Konflikt sogar das Doppelte.
Jeder Spieler hat pro Runde einen Angriff in absteigender AP Höhe, ansonsten handeln die Spieler gleichzeitig. Jeder Spieler kann immer in jedem Konflikt angreifen. Diese Angriffe kosten keine AP, aber sie verursachen 1W6 x 10% der niedrigsten Spieler-AP an Schaden an der Schwierigkeit des Konfliktes. Der Faktor ist mindestens 1 und die Nachkommastelle fällt dabei weg.

Beispiel
Ron hat 20 AP
Greg hat 18 AP

Fred hat 16 AP

Dan bringt einen normal schweren Konflikt ein. Die Schwierigkeit des Konfliktes beträgt (20+18+14) 52AP. 10% von Freds AP betragen 1,6. Jeder Angriff jedes Mitspielers beträgt also 1W6 x 1.

Der Konfliktleiter hat zwei Angriffe, kann sie aber nur gegen zwei unterschiedliche Spieler richten. Er erzeugt 1W6 x Faktor Schaden gegen die AP eines Spielers.
Die Auswirkungen der einzelnen Angriffe ergeben sich je nach Situation. Im Kampf verletzt der Charakter seinen Gegner, in einem Streit überredet er ihn ein Stück weit. Bei 0 Konfliktpunkten ist die Situation überwunden und das von den Spielern intendierte Ziel wird erreicht. Bei 0 AP ist der entsprechende Spieler aus dem Konflikt ausgeschieden. In einem Kampf kann der Charakter bei 0AP sterben, wenn sich der KL dazu entscheidet. Nach dem Konflikt erhält der Spieler einen neuen Charakter, der die gleiche Menge an Fertigkeitspunkten besitzt.

Gute Ausrüstung, wie zum Beispiel ein magisches Schwert , eine gute Rüstung oder Druckmittel in einem Gespräch gewährt +2 Schaden.

Schurken
Der KL kann eine beliebige Menge an Konfliktpunkten abtrennen und besonders bedrohlichen Widersachern zuweisen. Diese Widersacher besitzen wie Charaktere eigene Fertigkeiten, die sie im Konflikt jeweils einmal für einen Angriff einsetzen können. Die Höhe und Anzahl der Fertigkeiten entspricht dabei seiner Gefährlichkeit und Bedeutung im Abenteuer. Der KL erhält aber keinen weiteren Angriff.

Manöver
KL und Sp haben unterschiedliche Manöver zur Verfügung, um ihre Taktik anzupassen. Jeder Spieler kann sich in jeder Situation jede Runde immer zusätzlich für eines dieser Manöver entscheiden:

Unvorsichtig:
Der Mitspieler bewirkt +1W3 x Faktor Schaden, er verliert aber 2AP oder Konfliktpunkte.
Vorsichtig:
Der Mitspieler verteidigt nur und erhält 1W3 x Faktor an AP oder Konfliktpunkte.
Unterstützend:
Der Spieler macht einen Angriff mit halbem Schaden (aufrunden), überträgt aber die volle gewürfelte Menge AP oder Konfliktpunkte auf einen Verbündeten und verliert dieselbe Menge.
Talentiert:
Mitspieler können pro Angriff eine ihrer Fertigkeiten einmalig in einen Konflikt einbringen und erzeugen zusätzlichen Schaden x Faktor in Höhe der Fertigkeitspunkte. Die Fertigkeit sollte dabei zu der entsprechenden Handlung passen.

Nach jedem Konflikt werden die AP jedes Beteiligten, der den Konflikt überstanden hat, vollständig auf den ursprünglichen Stand aufgefüllt. Verletzungen können künftige Proben erschweren und heilen nach angemessener Zeit.

Heldentat
Einmal am Abend kann ein Spieler für seinen Charakter eine Heldentat ausrufen. Er kann dabei den W12 so oft wiederholen, wie er 1AP nach der ersten, mißglückten Probe zahlt. In einem Konflikt kann er beliebig viele W6 würfeln und aufaddieren, verliert aber selbst die Summe an AP, ausgenommen gewürfelte Sechser. Der Charakter kann dabei auch sterben.

Charaktersteigerung und Belohnung
Nach siegreichem Konflikt verteilt der KL die Belohnung des Konfliktes an die Mitspieler. Dies können Wertsachen sein, magische Gegenstände oder einfach nur das erreichte Ziel, je nach eingebrachtem Ereignis. In jedem Fall bekommt jeder Mitspieler immer dieselbe Belohnung, erhält ein Mitspieler also ein magisches Schwert, bekommen es auch alle anderen Mitspieler, inklusive des Charakters des Konfliktleiters.

Am Ende jeden Abends vergibt jeder Mitspieler an jeden anderen Mitpieler Steigerungsversuche in bestimmer Höhe. Das bedeutet, ein Mitspieler würfelt für einen Versuch mit 1W12. Übersteigt der Wurf eine vorher gewählte Fertigkeit, so steigt sie um einen Punkt. Die Anzahl der Versuche wird aufgeschrieben und geheim gehalten, bis alle Mitspieler eine Anzahl für jeden Mitspieler ausgewählt haben. Die Anzahl der Steigerungsversuche kann begrenzt werden, je nachdem, wie schnell die Progression der Charakterfähigkeiten stattfinden soll.
Ein langsames Spiel begrenzt die Versuche auf 3 pro Mitspieler-1
Ein normal langes Spiel begrenzt die Versuche auf 5 pro Mitspieler-1
Ein schnelles Spiel hat die Grenze bei 7 Versuchen oder mehr pro Mitspieler-1
Zusätzlich erhält jeder Mitspieler 1 Versuch mehr.
Ein Mitspieler muss die so erhaltene Menge auf seine Mitspieler verteilen, daß alle Versuche verbraucht werden. Sich selbst kann er dabei keine Versuche zuweisen.
Nun hat noch jeder Mitspieler die Möglichkeit jede seiner Fertigkeiten beliebig umzubenennen.
Mit den gesteigerten Charakteren kann nun das Abenteuer fortgesetzt werden.

Dem Spiel liegen drei globale Regeln zugrunde, die immer gelten und denen alle anderen Regeln untergeordnet sind.

Die Samtene Regel
Ungeachtet der Regeln muss jede Entscheidung eines Mitspielers von allen anderen akzeptiert werden, bevor sie ausgeführt wird.

Die Goldene Regel
Die Regeln müssen nicht angewendet werden, wenn sie die gegenwärtige Situation nicht zufriedenstellend umsetzen können.

Die Platinregel
Es steht jedem Mitspieler frei, für jede Regelausführung einer Aktion eines Charakters oder Konfliktleitercharakters eine Deutung anzugeben.


Anregungen oder Kommentare zu FAINT - RPG?
Es gibt einen Thread im RSP-Blogs Forum
http://forum.rsp-blogs.de/index.php/topic,1007.msg4454.html#msg4454

Montag, 31. Oktober 2011

Der Besuch auf der SPIEL 2011

Wie war die SPIEL 2011? Natürlich hat die Zeit und das Geld wieder nur für einen Besuch ausgereicht, obwohl ich mir jedes Jahr zwei vornehme. Aber alleine hinzufahren ist ja auch langweilig.
Und eines war es vor Allem: Wieder alles viel viel zu viel und stressig. Und wie immer gab es viel zu wenig Platz, Spielfläche schon gar nicht, alles war zugestellt und die Leute spielten auf dem Boden. Ich habe die SPIEL Samstags noch nie so voll erlebt. Nie wieder Samstags! Das die Rollenspielhalle 6 kleiner aufgestellt war, rund die Hälfte sich um LARP drehte und beinahe nur noch die großen, üblichen Verlagsverdächtigen vertreten waren, fiel da kaum ins Gewicht. Denn traditionell besuchen wir ja alle Hallen.
An einem Tag!
Ausser Comics, die lassen wir immer aus.
Da bleibt nur wenig Zeit zum Verschnaufen, geschweige denn zum Spielen. Ich habe durch den Zeitdruck vor Ort mittlerweile den Tunnelblick. Ich habe einen ungefähren Laufplan, eine Einkaufsliste und sehr gute Informationen über die jeweiligen Spiele, noch bevor ich zur SPIEL fahre. Ich steuere dann direkt die Ziele an, die mich interessieren. Ausprobieren muss ich die meist nicht mehr. 80% blende ich gleich aus, weil es alt ist und ich es schon kenne. Die meisten Neuerscheinungen finde ich uninteressant, da sie simple Familienspiele sind und die wenigen, interessanten Neuerscheinungen, die ich nicht kenne, schreibe ich mir nur auf, um sie zu Hause zu recherchieren, da vor Ort sowieso die Zeit für einen tiefen Einblick fehlt. Da ist nur Zeit für einen flüchtigen Blick, für den Fall, daß einem etwas entgeht. Für Dinge, die mich nur perifär interessieren, aber die einen netten Eindruck machen, bleibt dann GAR keine Zeit. Das ist sehr schade. Ich weiss dann bei dem Druck häufig gar nicht, an welchem Stand ich eigentlich gerade stehe und auch nicht, wen ich alles besucht habe, mit wem ich geredet habe oder wer überhaupt da war oder wieviele Spiele und Gimmicks ich übersehen habe. Vermutlich das Meiste.
Wirkliche Entdeckungen passieren da selten.

Aber sie passieren. Gefunden hatte ein Begleiter ein frühes Rollenspiel, in dem Gygax und Mentzer ihre Finger im Spiel hatten. Man erlebt doch immer wieder Überraschungen.

Ich kannte Cyborg Commando jedenfalls nicht. Es hat wohl ein 2W10 Multiplikationssystem. Naja, das erklärt wohl die geringe Verbreitung.

Überrascht war ich auch Mare Mediterraneum mal wieder zu sehen, ein sehr gutes, historisches Strategiespiel von '89, auf edler Lederrolle in einer stabilen Kartentrommel. Wir haben uns mit dem Designer kurz unterhalten, interessant zu erfahren, wie groß der Aufwand von selbstproduzierten Spielen ist und spannend zu wissen, daß der Bekanntenkreis im Besitz eines der wenigen Exemplare ist.

Eclipse, ein Science-Fiction Strategiespiel in der Tradition von Twilight Imperium, hätte ich mir gerne gekauft, nur haben sie vor Ort wieder mal die Internetcommunity unterschätzt, denn auf Boardgamegeek.com war das Spiel DER Renner, so daß sämtliche Exemplare ausverkauft waren.

Eine Entdeckung, die wir letztes Jahr machten, war Phantom League, ein Traveller- oder Elite-artiges Brettspiel aus Finnland, das dieses Jahr eine Erweiterung erhalten hat: Mostly Harmless. Wir haben das Grundspiel bereits einige Male gespielt ... und es ist mit "unberechenbar" und die Regeln mit "uneindeutig" sehr wohlwollend umschrieben. Wir haben das Spiel noch nicht aufgegeben, denn die spielerische Freiheit und die Möglichkeiten sind wirklich immens hoch, an Hausregeln kommt man aber wohl nicht vorbei. In Finnland handelt man offenbar nicht gerne, weil Dragon Dawn ihre Spiele dort zu unverschämten Preisen verkauften und keinen Cent abwichen (wie letztes Jahr).
Jedenfalls trafen wir eine Vereinbarung. Ein Mitspieler meiner Runde darf das neue, zweite Addon in unserer Runde "betatesten". Na, wenn das nichtmal ein guter Handel ist.

Was heutzutage bei Brettspielen als Mogelpa.... äh, gutes Preis-/Leistungsverhältnis angesehen wird, kann man an der Phantom League Erweiterung für 25 Euro gut sehen. Man beachte die Einlage.
Stolzer Preis!
A Pro Pos unverschämte Preise. Das Wort "Messepreis" kennt man bei vielen Ständen leider nicht mehr. Dort ist man der Meinung, man müsse ein Spiel zum Ladenpreis verkaufen oder auch gerne mal 10-15 Euro darüber. Die Standpreise waren wieder einmal Schuld, die Armen. Natürlich mit der Versicherung, daß man auf keinen Fall und nie und nimmer tiefer gehen könne, denn "so etwas müsse dann schon vom Laster fallen". Und nur, um dasselbe Spiel dann eine halbe Halle weiter günstiger zu bekommen oder am Ende des Tages an demselben Stand plötzlich doch für 20-40% weniger. Gerne werden auch Raritäten zu leicht überhöhten Preisen angeboten, die man, "Hand drauf", nur ganz ganz selten bei Ebay zu horrenden Preisen bekäme, um dann selber später doch noch 4-5 andere Exemplare aufzutreiben. Den Ständen fehlt eben häufig selbst der Überblick.

Seltsam, seltsam. Das sind solche Erfahrungen, die man mit der SPIEL macht. Sich nicht veräppeln lassen und die Herrschaften immer dezent daran erinnern, daß man sich im Jahre 2011 die Spiele zur Not auch mit etwas Wartezeit von jedem beliebigen Ort der Welt über das Internet bestellen kann und ALLES über ein Spiel erfahren kann, was man mit dem Handy schnell überprüfen könne, wäre mein Rat. Dann klappts auch mit den Verhandeln.
Richtige Hammerpreise findet man - das weiss jeder - sowieso nur am Heidelberger Verlagsstand. Des Weiteren scheinen sich immer eine Hand voll einst überteure, 2-3 Jahre alte Spiele zu finden, die allenorts zu kriminell günstigen Preisen rausgehauen werden. Bei Runewars, Descent für je 50 Euro und Westeros für 40 und Android von FFG für 20 Euro kann mir keiner erzählen, daß jemand daran auch nur noch einen Cent verdient, kosteten sie doch ein Jahr zuvor noch 70-80 Euro.

In meiner Tasche landete unter anderem Warlords of Europe. Ein richtig klassisches Eroberungsspiel im Axis&Allies Stil, das wirklich wenig Experimente wagt, aber eben auch wenig falsch macht und einfach gut aussieht.

Etwas ägerlich ist es schon, wenn die Begleiter meiner Meinung soweit vertrauen, daß einfach nur meine Einkaufsliste abgeguckt wird. Aber immerhin hat es Dorn so in unsere Spielrunde geschafft, das auch vor Ort gespielt wurde. Dies ist in der Welt der Helden-Quest-Abenteuerspiele wie Runebound, Prophecy oder Talisman wirklich etwas Besonderes, denn es benutzt keinen einzigen Würfelwurf. Jeder Held kann bestimmte Aktionen unternehmen und einen bestimmten Schaden verursachen, ebenso die Monster. Dazu diverse Spezialfähigkeiten. Das einzige Zufallselement kommt über gezogene Schätze hinein, die aber nur einen geringen Einschlag im Spiel haben, "that's it". Das macht das Spiel zu einem unglaublich taktischen und superschweren Strategiespiel mit dem "sofort noch ein Versuch"-Syndrom. Und mit dem dezent antiquierten 80iger Jahre Fantasyartwork sieht es auch noch wunderschön aus. Da macht auch verlieren Spass.

Ich hoffe der Leser findet ein paar Anregungen unter den vorgeschlagenen Spielen. Ich hatte wie schon letztes Jahr nur noch eingeschränkt das Gefühl, daß sich die SPIEL lohnt, preislich sowieso kaum noch, allenfalls, wenn man sich nichts anderes vornimmt, ausser Schnäppchen zu finden. Die globale Kommunikation ist eben schon zu weit fortgeschritten, als das sich der Eintritt und die Anfahrt einer Brettspielemesse noch lohnt. Zum Teil lockt mich nur noch die Atmosphäre.
Ein Tag reicht allenfalls, um sich einen groben Überblick zu verschaffen. Selbst beim dritten, vierten Besuch derselben Stände kann man noch Neues entdecken. Wenn man denn die Ruhe hat, sie auch wahrzunehmen und nicht einfach hektisch darüber fegt.
Nächstes Jahr muss ich mir daher wirklich zwei Tage vornehmen. Wie immer.

Samstag, 15. Oktober 2011

Die SPIEL und die Gleichgültigkeit

Nächste Woche startet die SPIEL 2011 in Essen (Juhuu) und ich gehe auf jeden Fall wieder hin, das ist für mich wie Weihnachten und Ostern zusammen. Aber dieses Mal ist es wieder etwas anders, etwas, was sich schon im Jahr davor abgezeichnet hat (und davor). Ich gehe aussschliesslich nur noch wegen der Brettspiele dorthin.
Die Rollenspielabteilung gibt mir nur noch wenig, und bei der Größe der Messe gibt sie ein gutes Bild, was Allgemein im Rollenspielland vor sich geht. Nicht nur, daß ich die Kisten mit den abgegriffenen alten Büchern, die mich nicht interessieren, fast auswändig kenne, nein, auch die neueren Rollenspiele interessieren mich wenig bis gar nicht. Entweder sind sie mir zu abstrakt (Malmsturm) oder zu regelleicht (Aborea) und halbgar (Dungeonslayers). Es werden einfach nicht mehr die Rollenspiele gemacht, an denen ich Interesse habe, ich bin als Zielkunde irrelevant geworden.

Meiner bescheidenen Wahrnehmung nach haben beschreibende, naturalistische, "simulationistische" Systeme, also die, die mich interessieren, in den letzten Jahren einen schweren Stand, unabhängig von der Qualität. Das heisst nicht, daß sie nicht erfolgreich wären, wie zum Beispiel Das Schwarze Auge, das beste Beispiel für ein qualitativ minderwertiges, naturalistisches System. Es heisst aber, daß sich in dem Sektor nichts Neues mehr tut. Man sieht dies auch an der geringen Zahl der etablierten, komplexeren Rollenspiele. Wer sich für "Rules-Heavy-Systems" interessiert, hat nicht wirklich viele Alternativen. Herrje, selbst bei den WARGAME Brettspielen tut sich aktuell mehr, als im klassischen Rollenspielsektor.
Wo sich seit langen Jahren eine Menge Neues tut, ist bei spielmechanisch raffinierten Systemen. Rollenspiele, in denen die Spielregeln für einen schnellen, spassigen, fairen Abend sorgen sollen, wenn man sie einfach nur anwendet, die aber auch den Spieler direkter ansprechen und zur Mitarbeit motivieren. Regeln, bei denen die konsistente Spielweltdarstellung zweitrangig ist. Die Gruppe selbst hat dort weniger Eigenverantwortung einen erfolgreichen Spielabend zu gestalten, wohingegen es bei regelschweren Rollenspielen viele soziale Stolpersteine und nur wenig Hilfen gibt. Probleme, an denen viele Rollenspielrunden zu Grunde gegangen sind und die von der Spielrunde selber gelöst werden müssen (und daher auch bewusste, informierte, aufmerksame, interessierte Mitspieler benötigen). In diesen neuen Spielen kann man jedoch nicht im Kampf "einfach mal so stehen bleiben" während sich ein anderer Mitspieler langweilt, unabhängig davon, ob das nicht vielleicht sogar die sinnvollste Entscheidung wäre, die eine Spielfigur in dieser Situation treffen könnte. Denn das widerspricht der Einbindung und Dauerbespassung. Ein Spiel darf heute keine Minute mehr Leerlauf haben, weil die Leute sonst das Interesse verlieren, so die Meinung. Und die Spiele funktionieren so hervorragend in dem was sie tun. Ein gutes Beispiel ist D&D4, schon fast ein Paradigma der ganzen Bewegung.

Aber das Alles entfernt sich von dem, was ich als klassisches Rollenspiel bezeichne. Für mich steht bei den Regeln im Vordergrund, was die Spielfigur tut, welchen Grund sie hat irgendetwas zu tun und das dann in der Spielwelt durchzuführen, nicht welcher Mitspieler nun wieviel Zeit geredet hat oder das jeder Charakter dreimal am Abend etwas Spannendes tut, um die Spassformel zu erfüllen. Ich habe dann auch mittlerweile kein Problem mehr damit, wenn es mal streckenweise etwas langatmiger wird, eine Sache, die mich früher wahnsinnig gemacht hat. Das heisst bei mir heute dann "Gemütlichkeit". Das, meiner Erfahrung nach, wird als altmodisch angesehen, flotter, schneller, gleichberechtigter "instant"-Spass, wird als modern angesehen.
Der Grund ist meiner Meinung nach die Art und Weise, wie "simulationistische" Rollenspiele angesetzt sind: Man spielt damit nicht zwischendurch an drei Abenden eine Kampagne durch und wechselt dann zum nächsten Rollenspiel samt neuer Spielwelt. Man spielt es langjährig, man hängt sich richtig tief rein. Manche komplexeren Rollenspiele benötigen erst einmal ein halbes Jahr Vorwärmzeit, bevor die Spielregeln überhaupt reibungslos laufen, während man sich gleichzeitig durch hunderte Seiten Spielweltbeschreibung arbeitet. Und die Leute wollen das so. Sie werden damit mit einem umfassenden Gesamterlebnis "Rollenspiel" belohnt.
Und das ist das Problem: Es besteht keine Notwendigkeit, neue, komplexe Rollenspiele zu schreiben, denn die Spieler haben diese langjährig betriebenen Rollenspiele schon. Wer soll die neuen denn spielen und woher sollen sie die Zeit nehmen? Es ist auch nicht so einfach, ein bestehendes, komplexes Rollenspiel neu aufzuziehen, denn meistens geht damit auch die Kompatibilität verloren. Also begnügt man sich mit den undurchdachteren, mindertwertigen Vorläuferversionen. Die etablierten sind in ihrer eigenen Masseträgheit gefangen.
Es ist nicht so, als gäbe es kein Entwicklungspotenzial. All die Erkenntnisse, die man aus der Reflexion aufs Rollenspiel in der Theorie gewonnen hat, warten nur darauf auch in komplexen Rollenspielen verarbeitet zu werden. Leichte Spiele und Erzählspiele profitieren schon lange davon. Meiner Beobachtung nach scheinen diese Rollenspiele aber als Ersatz für die "alten, verbrauchten Schwergewichte" vorgeschoben zu werden und nicht als Gewinn.
Eine Kunst ist es, die Rollenspiele so zu gestalten, daß sie beides vermögen, spielerisch interessant sein und trotzdem eine komplexe, glaubwürdige Spielwelt darstellen. Und da wird es dann ganz schnell ganz dünn, wenn man nach geeigneten Autoren und Produkten sucht, weil... das ist ja richtige Arbeit.

Sicher, das sind alles nur Trends und man darf es nicht verallgemeinern. Natürlich gab es auch schon vor 20 Jahren virtuose Spielmechanismen, aber die allgemeine Wahrnehmung und die Schwerpunkte haben sich meiner Ansicht nach schon gewandelt.
Aber so lange sich in der Spielerschaft nichts tut, diese mit dem was sie haben zufrieden sind, wird das wohl auch so bleiben. So lange sind dann für solche Leute Fragen interessanter, ob nun die neue Quellenbuchreihe einen blauen, grünen oder roten Streifen am Einband hat.

Und so lange ist mein Interesse an Fertigrollenspielen auch gleich Null und ich schaue nur flüchtig über die Rollenspielstandboxen der SPIEL.

Was gibt der Fertigrollenspielmarkt für euch heuztutage her?
Der Thread im Rollenspielblogforum
http://forum.rsp-blogs.de/index.php/topic,997.msg4312.html#msg4312

Mittwoch, 28. September 2011

RatCon 00/11 - Aventurischer Alltag

Ich habe mir die DSA-Diskussionsrunde der "Names and NoNames" auf der RatCon über das Thema "Alltagsleben oder Abenteuer - Wie viel Detail braucht Das Schwarze Auge?" zu Gemüte geführt. Da es doch einer der allgemeinen Hauptkritikpunkte an Aventurien ist, versprach das interessant zu werden. Ich kann nicht deren Aufgabe übernehmen und ein Protokoll anfertigen, das zu einer gewillten Aufarbeitung nötig wäre, daher eine paar rausgegriffene, kommentierte Punkte, die mir aufgefallen sind.
Wie zu erwarten war, gehen die Meinungen zum Thema Detailgrad weit auseinander. Bemerkenswert, aber nicht überraschend, ist, daß die ältere Riege einen eher moderaten Detailgrad bevorzugt, während die junge Generation scheinbar vollständig in der künstlichen Welt aufgegangen ist.

Doch schnell hat sich herausgestellt, daß es gar nicht darum ging, wieviel Detail Aventurien "braucht", sondern wie die persönliche Meinung jedes einzelnen zu dem Thema ist, was natürlich zu keinem nennenswerten Erkenntnisgewinn und schon gar nicht zu Konsequenzen führen wird. Langweilig.

Interessant war aber, daß "Aventuriendetail" mal wieder damit gleichgesetzt wurde, wieviel Detail in die offiziellen Quellenbücher gehören soll. Das man eine Spielwelt wie Aventurien auch mit geringerer Anzahl weniger detaillierter Quellenbücher nichtsdestotrotz mit vielen Details versehen kann, indem man sie selber gestaltet, wie in so vielen anderen Druckrollenspielen auch, das wurde gar nicht zum Thema gemacht. Munter wurde hier "Detailliertheit" mit "Das kann ich Nachlesen" in einem Satz hin und her jongliert.
Man merkt eben doch, daß der RatCon eine große DSA Werbeplattform ist.

So wurde gesagt, es sei ein Problem, wenn man zum Beispiel die Edelsteine eines Kristallomanten benennen müsse, es aber nichts gäbe, wo man sie nachlesen könne. Ja, wo ist denn hier bitte das Detailproblem? Wieso nachlesen? Ist das Problem nun, das nicht Vorhandensein der Details, dann macht man sie eben selbst - "Feldspat, Quarz und Glimmer, die drei vergess' ich nimmer" Und fertig ist der Kristallomant - oder wird hier nicht vielmehr das Fehlen einer Verlagsantwort nach vorne gerückt?

Es ging eben nur darum: Wieviele OFFIZIELLE Details braucht Aventurien und welchen Vorteil haben offizielle Details gegenüber eigener Kreativität. Es ging also ausschliesslich um die gedruckten Details! Wieviel Details denn Aventurien nun in einer Spielrunde braucht, das war nicht wirklich Gegenstand des Gesprächs.

Ich nenne die offiziellen Details mal Verlagsdetails.
Und da kam man dann zu diversen Vorteilen von Verlagsdetails, als da wären:

- Verlagsdetails sind wichtig für Wiederholungen und Konsistenz. Das ist naheliegend. Wer sich allein auf sein Gedächtnis stützt, dem können schonmal eigens erstellte Details abhanden kommen, so daß die Frage eines Spielers im ungünstigsten Fall zweimal unterschiedlich beantwortet wird. Das nagt an der Glaubwürdigkeit der Spielwelt. Dies war das Argument. Nun frage ich mich: Wer spielt denn so? Wenn ich mir eigene Details selber notiere, welchen Vorteil hat demgegenüber dann das Quellenbuch noch beim Erinnern?

- Recherche wird begrenzt. Je höher die Ansprüche an eine glaubwürdige Spielwelt sind, desto aufwändiger wird die Recherche der Inhalte. Verlagsdetails haben hier den Vorteil, diese Recherchearbeit abzunehmen. Das klingt einleuchtend. Jedoch frage ich mich: Wenn ich abertausende Seiten durchforsten muss, im schlimmsten Fall als Neuling - in der Diskussion wurde von Neulingen 8-9 Tage abverlangt! - worin unterscheidet sich dann der Aufwand zu einer Wikipediarecherche für eine eigene Spielwelt, über deren Niveau Rollenspieldetails ohnehin nicht hinausgehen müssen? Zudem drängt sich die Frage auf: Reden wir nicht über Aventuriendetails? Inwiefern ist fertige Recherche ein Vorteil von Details? Das ist doch nur ein Vorteil von Quellenbüchern! Ach ja, um die ging es ja eigentlich.
Ausserdem frage ich, welchen Wert hat die Vorarbeit der Verlagsdetails, wenn hier eine in der Diskussion erwähnte Botanik durch Autoren Glaubwürdigkeit abverlangt wird, aber zum Beispiel die Geographie Aventuriens nichtmal den grundlegendsten Ansprüchen der Glaubwürdigkeit genügt? Es ist leicht zu sehen, das "Recherche" nur soweit reicht, wie der eigene Bildungshorizont und die eigenen Interessen. Verlagsdetails sind kein Garant für Glaubwürdigkeit, was nützt mir dann die fertige Recherche?
Was hier zu beachten ist, ist doch nicht die Menge an Details, die man vorgekaut bekommt, sondern deren Qualität bzw. die Ansprüche der Runde. Das die derzeitigen DSA Autoren einen inkonsistenten Klotz von Spielwelt hinter sich herziehen, den sie niemals wieder ins Reine werden schreiben können, und das auch kein Hardcore DSA Spieler will, sei mitleidig erwähnt. Aber dafür können wir diese fragwürdige Qualität an Vorarbeit in Quellenbüchern nachschauen, ohne glaubwürdigere Informationen selber recherchieren zu müssen. Ist doch auch was.

- Ein echter Vorteil von Verlagsdetails ist der bei mangelnder Kreativität. Das kann man so stehen lassen.

- Verlagsdetails bieten Informationen, die man nicht schildern muss, weil sie jeder abseits der Spielabende selber lesen kann. Das gilt vor allem für neue Mitspieler oder Runden auf Cons. Das ist in der Tat ein nicht zu vernachlässigender Vorteil und wirkt sich positiv auf den gemeinsamen Vorstellungsraum und damit auf den Spielfluss aus, insbesondere wenn die Illustrationen konsistent verwendet werden (das Gegenteil wurde auf der Produktvorschau übrigens angekündigt!). Ich möchte jedoch auch hier über die andere Seite der Medaille aufklären. Wenn jeder Spieler jedes beliebige Detail nachlesen kann, dann gibt es für die Spieler weniger Neues, Aufregendes zu entdecken, als bewegten sie sich durch die Überraschungen einer Spielwelt, die nur dem Kopf des Spielleiters entspringt, aber ebenso detailliert sein kann.

- Das Improvisieren über einen langen Zeitraum wird sehr einfach. Um es mit anderen Worten zu erklären: Man muss nicht die Verlagsdetails eines ganzen Rollenspieles auf einmal lesen. Man kann sich dies in kleinen Dosen über einen langen Zeitraum zuführen. Je länger man dies tut, desto einfacher wird es, Inhaltslücken spontan zu füllen oder Fragen zu beantworten, und zwar so, daß sie in das Konstrukt der Spielwelt passen, ohne noch viel lesen zu müssen. Ja schön und gut. Inwiefern ist das ein Vorteil fertig geschriebener Details? Ein Spielleiter, der eine selbstgenerierte Spielwelt "on the fly" entwirft, wird mit fortschreitender Spielerfahrung auch besser im Improvisieren dieser Welt werden und hat zudem noch den Vorteil, daß es sein eigenes Konstrukt ist, das er kennt, wie seine Westentasche.

Die Vorteile von Verlagsdetails für sich betrachtet, kann man allenfalls als fragwürdig bezeichnen. Erst im Zusammenspiel aller Punkte kann man einen wirklichen Mehrgewinn gegenüber eigens erstellten Details ausmachen. Zu diesen Vorteilen gesellen sich jedoch Nachteile, die von der Diskussionsrunde, vornehmlich durch das aufmerksame, kritische Publikum, erarbeitet wurden:

- Der detaillierte Metaplot. Auf dem neuesten Stand zu sein wird durch eine fortlaufende Geschichte extrem erschwert, da sich die Informationen in den Quellenbüchern überholen und schlussendlich in neueren Auflagen widersprechen. Der Rat, der dem Zuschauer seitens der sitzenden Runde, neudeutsch "Panel", an die Hand gegeben wurde, war: Man kann im Spiel auch zu einem früheren Zeitpunkt spielen, somit blieben die Quellenbücher (ging es nicht eigentlich um Details?) innerhalb der Kampagne aktuell. Soso, aber wie hilft mir das Format eines Quellenbuches nun dabei, dem Metaplot zu folgen? Darauf gibt es keine Antwort, da gedruckte Quellenbücher hierfür einfach ein überholtes, wenn denn jemals geeignetes, Medium sind. Auf die Eigenheiten unterschiedlicher Medien wie Romane, Abenteuer, Quellenbücher, Handyspiele etc.pp. machte auch Mario Truant aufmerksam. Allein, bleibt die Frage, wieso man die unterschiedlichen Stärken der Medien bei DSA gegeneinander ausspielt? Was nützt mir ein Quellenbuch mit einem regelmäßigen aventurischen Boten im Schlepptau? Die Antwort, wenn man abhängig von wechselnden Mitspielern (z.B. auf Cons) ist, ist: Man braucht die neuen Bücher. Das Letzte, was deshalb in DSA seitens des Verlags passieren wird, wird das Abschaffen des Metaplots sein.
An diesem Punkt sei darauf hingewiesen, daß es zum Beispiel ganz und gar kein Problem und auch gar nicht wichtig st, auf dem neuesten Stand einer von einem Spielleiter erdachten lebendigen Kampagne zu bleiben! Ganz ohne Kaufprodukte.

- Verlagsdetails würden eigene Entwicklungen verhindern. Nun, auf den ersten Blick ist dies kein wirkliches Problem, denn schliesslich kann man Verlagsdetails auch ignorieren, so daß Panel, in diesem Fall scheinen Details also tatsächlich hinderlich zu sein. Nun, die Kritik aus dem Publikum bezog sich jedoch vornehmlich auf neue Mitspieler. Werden diese mit vielen Verlagsdetails gefüttert, entstehen auch gewisse Erwartungen, die erfüllt werden wollen. Man kann diese Verlagsdetails also gar nicht ignorieren, wenn man regelmäßig mit anderen Personen spielen, oder sich nur austauschen will. Dies schränkt natürlich die Gestaltungsfreiheit des Spielleiters entsprechend ein.
Das ist jedoch kein Nachteil von Spielweltdetails, es ist allein ein Nachteil von gedruckten Verlagsdetails.


Immer mal wieder schwankte die Diskussion, angeregt durch das Publikum, darauf, daß das Problem im Grunde nicht die Spielweltdetails sind, die eine fest installierte Spielrunde schliesslich verändern kann, wie sie mag, sondern die Regeln. Aufgefallen ist mir, daß sich selbst die Offiziellen zum Teil durch die Regeln Inhalte diktieren lassen. So wurde gesagt, Achaz, also Echsenmenschen, würden zum Beispiel häufig als Spielercharaktere ausgeschlossen werden, weil die Regeln und Inhalte zu komplex seien. Das zeugt meines Erachtens von gewisser Unselbstständigkeit. Es brauchte dann schon einen Mario Truant, um klar zu machen, daß man sich von keiner Version 4 im Ausleben der angebotenen Inhalte einschränken lassen sollte und notfalls zu einfacheren oder älteren Regeln greifen müsse. Bravo!
Auch fiel das unvermeidliche Argument: "Der Meister hat immer Recht, sollten Detailfragen auftauchen, auch wenn er mal etwas Falsches erzählt". Soso, soweit ist es also mit der Konsistenz und Glaubwürdigkeit bestellt. Nun, ein Mitautor machte auf die Möglichkeit aufmerksam, daß sich ein Spielleiter auch die Kompetenz seiner Mitspieler zu Nutze machen kann, sollte er mal nicht weiterkommen. Wieder Bravo! Hoffen wir, daß diese Rollenspielstandards des Jahres 2011 auch im Meisterdenken des DSA Einzug halten werden.

Es ist klar, daß diese ganzen Vorteile nur von Personen angeführt werden, die aus der Position jahrelanger DSA Erfahrung argumentieren und auf das Lesen der Quellenbücher kaum noch angewiesen sind. Der Detailgrad spielt für erfahrene Spieler natürlich kaum eine Rolle. So ist es verständlich, wenn Mario Truant mit 25+ Jahren DSA Erfahrung anführt, er bräuchte keine dicken Wälzer, weil er Aventurien viel mehr improvisieren würde. Nun, das ist nicht wirklich ein Vorteil, auf den viele von uns zurückgreifen können.
Und es ist klar, daß Details hier in erster Linie als spezifische, gedruckte Informationen und als Kanon einer ganzen Gemeinschaft von Spieler verstanden werden sollen, nicht als allgemeine Gestaltungsmittel einer DSA Rollenspielrunde.
Es geht schon lange nicht mehr darum, ob die Details einen positiven oder negativen Eindruck auf das Spiel haben, man kann sie nicht mehr entfernen, insofern ist eine Diskussion, wieviel Details Aventuriens Produkte brauchen müßig. Aventurien ist schon detailliert. Im Hobby DSA werden Details um ihrer selbst Willen rezipiert, weil man die Entwicklung einer scheinbar lebendigen Welt verfolgen kann. Es hat sich längst verselbstständigt. Und das ist ein Punkt, der auch explizit vom Publikum angeführt wurde. Diese trennen zwischen dem rezipierenden Spieler, der sich abends mit einem Quellenbuch auf den Sessel haut und dem spielenden Rollenspieler, der in erster Linie seinen Charakter ausleben will. Auf das Spiel selbst haben die ganzen Artikel im Aventurischen Boten und Romane scheinbar kaum einen Einfluss.
Man muss verstehen, daß DSA in erster Linie ein Hobby im Hobby ist, daß eine Faszination vor allem auf langjährige Spieler ausübt und solche, die es werden wollen. Die Details dienen hier nicht nur dem Spiel, sondern dem gemeinsamen Austausch.Leichte Kost ist es in keinem Fall, so sehr sich die Macher auch anstrengen zu versichern, wie leicht es ist, dort herangeführt zu werden (eine Ansicht, in der sich die Offiziellen übrigens auch nicht einig sind) und wer sich auf DSA einlässt, der hat in der Regel wenig Zeit, sich auf weitere Rollenspiele zu konzentrieren.

Ratschläge, die dabei helfen, die Auswirkungen von allgemeinen Details in individuellen Runden einzuschätzen, waren rar gesäät. Details sind für eine Runde dann gut, wenn sie das Spielerlebnis verbessern und die Stimmung fördern. Nunja, was kann man auch mehr dazu sagen? Dies ist hochgradig subjektiv und, wie erwähnt, auch vom eigenen Wissensstand abhängig. Welche Schwerpunkte in einer Runde wichtig sind, wurde angeführt, spiegele sich bei DSA oft in Charakteren mit besonderem Spezialwissen wider. Hat sich der Chemie studierende DSA Spieler einen hochspezialisierten Alchemisten gezüchtet, so werden ihm vorrangig Details in diesem Bereich auffallen, wohingegen er andere womöglich völlig ignoriert, bewusst oder unbewusst, selbst wenn sie unglaubwürdig und inkonsistenz sind. Und in diesem Fall wird ihm ein noch so dichter Detailgrad in Alchemie nicht negativ auffallen.
Wie wichtig welche Details sind, ist schlussendlich also eine persönliche Sache.

Die Kritik an DSA war doch nie ernsthaft die Dichte der Details, es war die Qualität der Details und die starke Veränderung der Details (Metaplot), sowie die restriktiven Spielregeln, die bei Anwendung selbiger, Spielinhalte erschweren.
Vielleicht sollte sich die Diskussionsrunde das nächste Mal auf diese akuten Themen stürzen. Einer Andeutung nach wird es das Thema "die Kompliziertheit der DSA Regeln".



Und so kam die Diskussionsrunde nach 1h47m zu dem vordefinierten Schluss: Wieviel Details jede Runde in ihr Spiel lässt, muss sie selbst erwägen und abschätzen.

Und das geht - zur Not - auch ganz ohne gekaufte DSA Quellenbücher.



Wie wichtig sind von Verlagen zentralisierte Spielweltinformationen und ausgelagerte Kreativität für eure Spielrunden?

Der Thread im RSP Blogs Forum
http://forum.rsp-blogs.de/index.php/topic,992.msg4268.html#msg4268

Freitag, 16. September 2011

Spieltoleranz - Aber der Herr Somuncu hats doch schon erklärt

Ich bin mal wieder leicht enttäuscht, weil sich meine Erwartungen wieder bestätigen. Es ist häufig nicht so einfach, sich in Forenland, abseits von Refugien, frei über Rollenspiele zu unterhalten.

Jörg.D hatte in einem Rollenspielforum, ich glaube nicht zum ersten Mal, das interessante Phänomen erwähnt, daß es viele Ratgeber für Spielleiter, aber kaum welche für Spieler gibt. Hier in Deutschland ist die Rolle des Spielers ja mit "Couchkartoffel" meist allumfassend beschrieben. Das aber auch der Spieler ein Mindestmaß an Pflichten zu einem erfolgreichen Spielabend hat, das ist noch nicht so weit verbreitet. Über die Punkte will ich mich gar nicht auslassen, mich stört etwas Anderes.
Es ist dabei egal, ob Jörgs Regel gelautet hätte "Kenne die Regeln des Spieles" oder "Haue deinen Mitspielern nicht mit schweren Gegenständen auf den Kopf", die Reaktion darauf musste so oder so lauten: Objektive Beurteilungen von Spielerverhalten sind nicht politisch korrekt, das sei Geschmackssache und jede Runde muss das individuell lösen, um den Spielbetrieb fliessend zu halten. Gerne wird dabei auch mal das wehrlose Wort "Spielstil" missbraucht, denn Stile, die können ja nicht schlecht sein.
Unter diesen Maßstäben falsch verstandener Toleranz, die einfach gar nicht mehr differenziert, leiden theoretische Überlegungen zum Rollenspiel schon länger. An manchen Orten darf man nicht oder traut mancher sich gar nicht mehr, je nachdem wieviele Freiheiten man dort geniesst (Wer entdeckt den Widerspruch?) etwas vermeintlich Intolerantes zu sagen. Es ist verzwickt mit der Toleranz, denn Toleranz heisst nicht automatisch alles zuzulassen. Diese umständliche Differenzierung wird in Internetforen aber gerne mal der Einfachheit halber übergangen, zumindest, wenn es um Rollenspiel geht. Hinter der Rollenspieltoleranz stecken meist gar keine Argumente, sie ist reiner Selbstzweck. Es wird dann manchmal gar nicht mehr darüber nachgedacht, was eigentlich das Anliegen des Themenstellers ist.

Oder mit den Worten des Herrn Somuncu. Der hats nämlich schon gesagt:
Toleranz ist manchmal auch differenzierte Intoleranz
http://www.youtube.com/watch?v=xCqaU-cAi1o&feature=player_detailpage#t=42s

aber dazu muss man auch mal zuhören können.

Ein kleiner Tip: Wenn man sich als Leser nun gar nicht mehr sicher ist, ob man einer Aussage zustimmen darf oder ob man Buh rufen muss, weil die Forenmenge oder die Moderatoren mit der verbalen Toleranzkeule hinter einem stehen (wer findet diesen Widerspruch?), dann kann man sich einfach mal überlegen, ob der Themensteller die Rollenspielgemeinschaft untergraben will oder vielleicht etwas Nützliches schaffen will und es daran bewerten.

In diesem speziellen Beißreflex zum wichtigen Thema "Besserspieler" stecken gleich zwei Gedankenfehler.

1. Objektive Bewertung gibt es nicht beim Rollenspiel.
Rollenspiel ist in erster Linie nur eine gesellschaftliche Veranstaltung und alle Dinge, die das Miteinander erleichtern, sind natürlich erstmal objektiv gut. Mit anderen Worten, man kann sich an den Zielen orientieren, die sich eine Spielrunde setzt und anhand dessen Regeln festlegen. Die sind dann objektiv gut. Regeln, die diese Ziele behindern, die sind objektiv schlecht. Natürlich sollten Regeln auch Freiheiten lassen, aber das ist ja auch wieder eine Regel. Man sollte sich vielleicht manchmal ins Gedächtnis rufen, daß häufig nur die öffentliche Gesetzgebung allein auch im Jahr 2011 die Natur Mensch davon abhält, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen und sich dann zu fragen, wie nützlich Regeln zum Miteinander nun sind, wenn man dies tun dürfte.

2. Man kann das alles ohne Regeln zum Miteinander spielen.
Diese Aussage ignoriert natürlich vollständig, daß die Verfasser die notwendigen Regeln ja schon lange beherrschen und, offensichtlich unwillkürlich, auch anwenden. Man kann sich eben nicht einfach mal so hinsetzen und "irgendetwas" tun. "Irgendetwas" wäre ja die Konsequenz daraus, keine Regeln zu haben. Man braucht Regeln zum Miteinander wie z.B. "Höre hin, wenn jemand etwas sagt". Ja, das schränkt die persönliche Freiheit etwas ein. Was sind wir doch arm dran.

Natürlich macht auch der Ton die Musik. Ob man eine effektivere Spielweise nun unbedingt "der bessere Spieler" nennen muss, sei mal dahingestellt. In diesem Fall schiesst sich Jörg natürlich selber ins Knie. Viele Leute sind nicht in der Lage unter die Oberfläche zu gucken, daher ist man wohl gut beraten, solche Begriffe zu vermeiden. Dennoch ist es meist vergebliche Liebesmühe, bewertende Themen in breiten Foren diskutieren zu wollen, da war nichts anderes zu erwarten.

Wie seht ihr das mit den Toleranzkeulen?
Der Thread im RSP-Blogs Forum

Montag, 12. September 2011

Dawn of Worlds Hausregeln - Sim of Worlds

Dawn of Worlds ist ein kooperatives Weltenbausystem von N. Bob Pesall, in dem jeder Spieler eine Gottheit (oder Pantheon) übernimmt.
Die Originalregeln finden sich unter
http://www.clanwebsite.org/games/rpg/Dawn_of_Worlds_game_1_0Final.pdf

Ich habe auch bereits von einem vergnüglichen Testspiel berichtet.
http://hochistgut.blogspot.com/2011/07/testspiel-dawn-of-worlds-das-spiel-der.html

Die Grundversion des Spieles basiert zum großen Teil auf der Kreativität der Spieler. Viele Handlungen haben somit keine spielmechanischen Auswirkungen, obwohl sie dennoch Machtpunkte kosten. Dies schien uns zu beliebig zu sein und schränkte die Aktionen der Spieler massiv ein (nämlich auf die spielmechanisch relevanten Aktionen), so daß wir detailliertere Regeln entwarfen. Es ist aufgrund der schier unendlichen Möglichkeiten schwer, überhaupt allgemeingültige Regeln für das Spiel zu entwerfen. Die vorliegende Version soll einige Anregungen für einen organsisierteren Spielverlauf anbieten. Die Hausregelvariante setzt Kenntnis der Grundregeln voraus. Die entsprechenden Regelbegriffe wurden in Englisch beibehalten.

Ich habe die Hausregelnotizen teilweise umgearbeitet und neu organisiert, aber ein Großteil der Mühe ist unserem Mitspieler "Todesblub" zu verdanken. Die Fehlerkorrektur hält sich aufgrund meiner knappen Zeit im Moment noch in Grenzen. Obwohl Dawn of Worlds grundsätzlich in jedem Technologiestand der Völker spielbar ist, orientiert sich Sim of Worlds in erster Linie an archaische Völker. Für moderne Völker ändert sich hauptsächlich die Mobilität um ein Vielfaches.

zur Datei
http://dateiupload.com/3d9

Wenn es Probleme mit der Datei gibt, dann hinterlasst einen Kommentar. Ihr könnt auch im RSP -Blogs Forum darüber diskutieren.
http://forum.rsp-blogs.de/index.php/topic,975.msg4070.html#msg4070

Auch Anregungen und Vorschläge sind willkommen. Besonders freut es uns natürlich, wenn die Regeln weiter getestet werden.


Mittwoch, 31. August 2011

Designsackgasse Rollenspiel

... oder die Geschichte der arschfaulen Rollenspielentwickler

Es ist erstaunlich, wie wenig man zu berichten hat, wenn man kreativ im Hobby ist, anstatt nur darüber zu diskutieren. Ich werkele nun schon seit einigen Monaten an einem einfachen, klassischen Regelsystem (genaugenommen meinem zweiten) für meine Bedürfnisse im Rollenspiel und zeichne Skizzen dafür, um es aufzuhübschen, denn nur der erste Eindruck zählt. Das kleine Bild daraus weist ein wenig in Richtung des Beitragsthemas.
Kurzum, alles Dinge, die für den Aussenstehenden weniger interessant sind.
Aber das ist nicht nur hilfreich gegen die Unzufriedenheit mit dem Hobby, sondern schafft immer wieder tiefe Einblicke in die Vorgänge, Probleme und Stolperfallen und schärft den Blick auf andere Rollenspiele, selbst, wenn das Eigene dann gar nicht gespielt oder fertig wird.
Und das ist dann wieder interessant.

Denn was ist überhaupt eine Rollenspielregel? Eine Rollenspielregel ist ein Verfahren, das ich auf andere, ähnliche, unbekannte Situationen übertragen kann. Das klingt banal, scheint aber nicht allgemein verinnerlicht zu sein. Wenn ich vor der Frage stehe, wie ich den Schutzwert von Rüstungen bestimmen kann und ich dafür keine Regel im Grundregelwerk finde, mir ein Rollenspieler dann sagt, die stünden doch schliesslich bei den Ausrüstungstabellen, dann ist das keine Regel. Das sind Zahlenangaben. Mit anderen Worten, es werden also einfach Beispiele angegeben, anhand deren der Spielleiter willkürlich eine vergleichbare Situation abwägen soll. Eine Spielregel wäre es, wenn ich für jede Art von Material und Dicke seinen Schutzwert gegen bestimmte Einwirkungen ableiten kann. Aber welches Rollenspiel hat das schon? Und braucht man das?

Dem Zugrunde liegt das uralte Dilemma zwischen Plausibilität und Spielbarkeit. Das ist eine Designsackgasse, da die Aspekte gegensätzlich sind. GURPS wäre ein Beispiel mit Schwerpunkt auf ersterem, D&D eines mit Schwerpunkt auf letzterem. Zwei Qualitäten, die ein Rollenspielentwickler so hoch ansetzen möchte wie möglich und doch nie vollständig erreichen kann. Spielbarkeit aus dem einfachen Grund, weil das Abhandeln von Regeln dem Fortführen des Abenteuers im Wege steht, Plausibilität, weil es ohnehin die einzige Existenzberechtigung von Rollenspielregeln ist. Natürlich können Rollenspielregeln auch dramatisch, spannend oder rein spielmechanisch interessant sein, mal sind es Charakterregeln, die eine Spielfigur steuern, mal Hintergrundregeln, mit denen man das Schicksal der Spielwelt lenkt, aber schlussendlich versuchen sie immer das Geschehen in eben dieser Spielwelt darzustellen. Darum geht es schliesslich im Rollenspiel.
Nun wird mit diesem Dilemma meist konfliktscheu umgegangen. Wie alle Menschen machen es sich auch Rollenspielentwickler am liebsten einfach, orientieren sich an den Standards, Traditionen oder notgedrungen an ihrem eigenen Kompetenzhorizont.
Es werden dann Spielregeln so entworfen, wo sie bei den Vorbildern immer gleich entworfen werden und es werden dort nur Zahlenangaben gemacht, wo das eigene Entwicklerwissen an die Grenzen stößt dieses Dilemma auf repoduzierbare Weise, eben mit einer Spielregel, zu lösen.
Ich kenne zum Beispiel nur vereinzelte Rollenspiele, die Regeln für Wurfweiten von Objekten haben, abhängig von Stärke des Werfers und Gewicht des Objektes, was ein sehr geringer Plausibilitätsanspruch ist. Aber ich kenne über hundert Rollenspiele, die mir sagen, wieviel Schaden mein Charakter mit einem Hammer mehr anrichtet, wenn er stärker ist als andere.
Warum ist das so? Rollenspielentwickler geben immer dann gerne auf, wenn es zu kompliziert wird. Das Werfen von Gegenständen ist so ein Fall (und wir reden hier noch von einfacher Mechanik!). Das Aufschlagen eines schweren Gegenstandes hingegen lässt sich relativ leicht abstrahieren.
Warum nun ausgerechnet das Wurfbeispiel? Ein Rollenspielapologet würde nun sagen, daß ein Rollenspiel das nicht alles können muss. Man könne auch mal Fünfe gerade sein lassen. Mehr als die Tradition hat dieser dann als Argument allerdings meist nicht zu bieten. Und die Frage steht im Raum, wozu ich dann das Rollenspiel brauche, wenn es mich im Stich lässt.
Dabei hat er nicht vollkommen Unrecht. Rollenspielregeln müssen nicht alles leisten können. Es genügt, wenn alle gängigen Fälle, die im Spielbetrieb vorkommen können, abgedeckt werden. Dazu sollten natürlich die grundlegendsten Tätigkeiten gehören, die eine Spielfigur durchführen kann. Das Werfen von Objekten wäre nebenbei so ein Fall.

Es gibt nun mehrere Möglichkeiten als Rollenspieler, mit diesem Scheitern umzugehen. Man arrangiert sich mit dieser inkonsequenten Durchschnittskost aus mal einer Regel hier und mal einer Zahlenangabe dort. Das werden wohl die meisten Rollenspieler tun und sicher sind sie damit auch glücklich geworden. Es gibt sogar Rollenspieler, die das Dilemma Plausibilität gegen Spielbarkeit komplett auf den Schwerpunkt einer der Seiten auflösen. Aber wenn ich anmerke, was das dann noch mit Rollenspiel zu tun hat, gibt es ohnehin nur wieder Haue.
Die andere Möglichkeit ist, das Prinzip Willkür ins Extrem zu treiben. Das man also die Unfähigkeit zur Auflösung des Dilemmas auf alle Spielregeln ausweitet. Das Rollenspiel Risus - Risus kann man eigentlich nicht oft genug erwähnen - hat das mit sehr großem Erfolg getan. ALLES was ein Ereignis in der Spielwelt betrifft, muss dort vom Spielleiter willkürlich fesgelegt werden, da das Spiel nicht mehr anbietet als einen einfachen Würfelmechanismus. Ähnliches verlauten auch die Travellerspieler mit ihrem sehr einfach gestrickten Regelwerk. Plausibilitätsabwägung heisst das dort. Ob das nun eine Kapitulation vor der detaillierten Spielregel ist oder aus Überzeugung gemacht wird, sei mal dahingestellt. Ich persönlich kann keinen einzigen Nachteil an einer spielbaren Regel sehen, die gleichzeitig auch noch eine Grundplausibilität besitzt.
Aber die kann eben nicht jeder entwickeln.
Ich auch nicht.

Was bleibt, ist der Wunsch, daß sich auch das detaillierte Rollenspiel einmal weiterentwickelt und aus der Stagnation ausbricht, daß sich RICHTIGE Spieleentwickler und kluge Köpfe daran setzen, um auch schwierigere Zusammenhänge in spielbare Verfahren umzusetzen. Die sich der Herausforderung stellen, anstatt sich auf halbgarer Vorarbeit auszuruhen und die nächste 08/15 Sau durchs Dorf treiben. Vor aller Vereinfachung steht das Wissen um die wirklichen Zusammenhänge, nicht andersherum.
Aus dem Grunde kann ich mit den meisten Rollenspielen auch nichts anfangen, da sie für mich nur ein inkonsistenter Flickenteppich sind. Aber vielleicht sind diese Ansprüche auch zu hoch, manche Zusammenhänge lassen sich durch Regeln womöglich nicht lösen. Vielleicht ist Rollenspiel eher ein organischer Prozess, wie Sprache, in dem sich bewährte Methoden durchsetzen. Wenn ich jetzt auf meine eigenen "Spielregeln" schaue, ist da auch nur ein Flickenteppich aus Regeln und Beispielangaben, die die Lücken füllen, für die mir die Regeln fehlen. Es wird noch eine Weile dauern, bis ich mich damit arrangieren kann.

Der Thread im RSP-Blogs Forum
http://forum.rsp-blogs.de/index.php/topic,962.msg3983.html#msg3983


Richtigstellung:

Ich wurde darauf hingewiesen, daß sich eine Umgereimtheit eingeschlichen hat. Ich wollte nicht verstanden wissen, daß jede Rollenspielregel der Plausibilität dienen soll. Es gibt auch Regeln, die sich um den Spielverlauf am Tisch drehen und trotzdem ihre Existenzberechtigung haben, das sei auch niemandem genommen. Ich habe dort unbewusst die strikte Trennung vorausgesetzt, die ich zwischen Spielweltregeln und reinen "Metaregeln", die sich unter Anderem auf den Spieltisch beziehen, ziehe. Ich bezog mich allein auf erstere. Tur mit Leid, das Verwirrung aufkam.

Freitag, 12. August 2011

Super 8 - Eine Meinung

Ich machte hin und wieder auf aktuelle Kinoblockbuster aufmerksam, an denen mir persönlich etwas liegt, sei es, weil sie mich schwer enttäuschten oder weil sie meiner Meinung nach unterbewertet sind oder mir einfach nur gut gefallen.

Ich hatte mich diese Woche eher kurzfristig dazu entschlossen, doch noch Super 8 zu sehen, was in jedem Fall eine sehr gute Entscheidung gewesen ist, nachdem ich den Film über ein Jahr lang konsequent ignorierte und mich dementsprechend nicht informierte.
Zum Einen hätte die Prämisse des Films durch die Teaser (Zugunglück - Alien entkommt – Kinder - schnarch) langweiliger nicht sein können, zum Anderen nahm ich J.J. Abrams extrem übel, daß er nach dem, im Großen und Ganzen hervorragenden, Star Trek sich nicht sofort an eine Fortsetzung machte (damn you, Abrams!).
Aber im Angesicht dessen, was er hier abgeliefert hat, verzeihe ich ihm, habe doch selbst ich am Ende der Marketingkampagne auch endlich begriffen, daß er genau das tat, was ich wollte, nur noch mehr. Mehr Achtziger Kinoherrlichkeit, mit gemäßigtem Erzähltempo, tragenden, unterscheidbaren und liebenswürdigen Charakteren (nicht zu verwechseln mit tiefen Charakteren) und dieser fast greifbaren Aura von Hollywoodglamour, der so gut wie jedem der Kinoblockbuster der letzten 15 Jahre so völlig abgeht.

Den Filmplot durchzugehen macht bei so groß beworbenen Filmen eigentlich gar keinen Sinn, daher kurz. 1979: Eine Clique von Jungendlichen erlebt beim Hobbyfilmen ihres Zombiestreifens ein Zugunglück. Einem der Waggons entflieht eine mysteriöse Bedrohung, welches die nahe liegende Kleinstadt durch Entführungen in Aufruhr versetzt und die Air Force auf den Plan ruft. Doch Kleinstadtbewohner müssen auch diesmal wieder einmal feststellen, daß ihre eigenen Streitkräfte eher weniger "gut" und stattdessen wohl doch eher "schlecht" sind. Den Tag retten können nun nur noch die Kinder, die allein die Hintergründe der Ereignisse aufdecken können.
Dieser scheinbar sehr dominante Plot ist im Grunde jedoch nur der Aufhänger, um die Beziehung zwischen den Jugendlichen auszuleuchten und sich im Vorbeigehen vor sämtlichen großen Abenteuerfilmen der späten Siebziger und Achtziger zu verbeugen. Und das gelingt ihm auch in weiten Teilen der angenehmen Laufzeit.
Die Kinderdarsteller, die die meiste Screentime belegen, und ihre Chemie untereinander können hier ebenso überzeugen, wie die detailverliebte Ausstattung und die altmodische Bühnenbildausleuchtung. Man merkt im Grunde zu fast jeder Zeit, daß die Interaktion der Figuren hier im Vordergrund steht und diese auch wirklich stattfindet und nicht nur dem Drehbuch nach runtergespult wird. Man kann den Kindern minutenlang zuschauen, ohne das es langweilig wird und ohne, daß ein Riesenroboter durch das Bild läuft, um die Aufmerksamkeit hoch zu halten.
Fehlerlos ist der Film selbstredend nicht. Der Soundtrack fällt ein Stück zurück. Ich kann die unaufhörlichen Vergleiche mit John Williams nicht nachvollziehen. Ja, Giacchino hat versucht Williams zu huldigen, aber nein, es gelingt ihm nur in Ausnahmefällen (das sind die mit der Gänsehaut).
Die CGI Effekte wirken zum Teil albern und man sieht förmlich die billige Bluescreentapete, vor der die Schauspieler stehen. Und wer bei dem CGI- Zugunglück der Marke "Atombombenangriff" nicht ungläubig die Augen reibt und komplett aus der Filmwelt gerissen wird, der sitzt trotzdem im falschen Film. So eine Szene hat in einem Film, der sich in allen anderen Aspekten nicht die geringste Mühe gibt, etwas "Neues" zu machen, gar nichts verloren.
Ausserdem scheitert der Versuch, Super 8 gleichzeitig eine ernste und andererseits unbekümmerte Atmosphäre zu verschaffen. Die Vorbilder haben diesen Spagat eben häufig genau hinbekommen und zwar, weil sie wussten, was wann angebracht war. In Super 8 scheint dies aus dem Zufallsgenerator zu kommen. Natürlich, damals in den 80ern wurden Kinder auch durch von Ausserirdische gegrabene Tunnel gejagt, aber nur in den seltensten Fällen hätte eines davon, nachdem der Ausserirdische einen Nebencharakter gefressen hatte, so eine Szene mit "boah, krass" abgeschlossen. Mit dieser Tolpatschigkeit kann man in Super 8 aber rechnen. Es kommen einfach zu viele Menschen um, als das es mit der naiven Haltung der Hauptcharaktere an unpassenden Situationen noch ein glaubwürdiges Gesamtbild ergeben würde (geschweige denn ein Lustiges). Der Film ist sozusagen der Temple of Doom der Indiana Jones Filme und sogar Temple of Doom war sich bewusst, wann es an der Zeit ist, den Klamauk kurzfristig einmal stecken zu lassen.
Der Film erfindet buchstäblich rein gar nichts neu, weil er das ja auch gar nicht will. Das ist auf der einen Seite gut, wo er die guten Seiten des 80er Kinos imitiert und auf der anderen schlecht, wo er ihre Schwächen gleich mit kopiert, wie der sehr vorhersehbare Plot. Daran hätte man differenzierter gehen können, dann wäre sicher etwas ganz Großes, Neues, herausgekommen. So ist Super 8 eben "nur" eine (überfällige) Erinnerung oder ein Heranführen für jüngere Kinogänger.
Selten sehe ich über Schwachstellen so wohlwollend hinweg, wie in diesem Fall. Das finde ich deswegen wichtig, weil ich hoffe, daß noch viele Trittbrettfahrer folgen.

Der Film ist gut, wenn man sich auf die Abstriche einlässt. Viele Dinge kann man ohnehin nur wert schätzen, wenn man die alten Vorbilder kennt, aber so ist das eben mit Nostalgie. Lustig fand ich die ein oder anderen Easter Eggs, die man im Hintergrund der Kulissen entdecken konnte. Und wo sonst wird einem in einem Film erklärt, wie man Miniaturen anmalt? Das sind klar plumpe Anbiederungen ans alte, aber nicht erwachsene Publikum. Und auch wenn der Film manche Zwischentöne und immer wieder die richtigen Knöpfe trifft, wirkt alles zusammen noch nicht authentisch genug und teils unbeholfen oder einfach nur gewollt. So leicht bekommt ihr unsere Herzen nun auch wieder nicht.
Super 8 ist kein Film, der ein "realistisches" Bild der späten Siebziger versucht abzubilden. Es ist ein Film, der die FILME und das Filmemachen der späten Siebziger und Achtziger versucht abzubilden. Aus diesem Grund fallen die unvermeidlichen Lens Flare Effekte von J.J. Abrams auch dieses Mal nicht so störend ins Gewicht, da sie zu den technischen Einschränkungen passen, die man versucht, zu imitieren. Allein deswegen muss er aus sich heraus natürlich künstlich wirken.
Ich sehe ihn eher als Lehrstück eines aktuellen Regisseurs, der, auch schon zuvor mit Star Trek, lernen will, wie man mal große, unbekümmerte Kinoblockbuster mit Langzeitwirkung gemacht hat.

Es ist schon traurig, daß Filmemacher so viele Jahre gebraucht haben, um wieder herauszufinden, daß man Geschichten auch in Hollywoodblockbustern in Ruhe und mit Seele erzählen kann. Meinem Empfinden nach schreien die Leute ja mindestens seit ebenso langer Zeit danach (vielleicht sind das nur die Nerds), aber womöglich kann das heute auch wirklich nicht mehr jeder. Wobei ja immer wieder aktuelle Filme wie zum Beispiel Batman Begins zeigen, daß Leidenschaft für die Arbeit bei den Leuten gut ankommt. Ich darf gar nicht daran denken, wie gut Indiana Jones 4 geworden wäre, wenn er mit derselben Attitüde produziert worden wäre. Stattdessen haben sie ihn ja gar nicht gedreht, wie wir alle wissen.

Ich möchte jetzt sehen, was sie aus diesem ausgegrabenen Filmwissen machen. Super 8 ist ein guter Einstand aber für sich selbst bedeutungslos, wenn er keinen Trend setzt. Für mich auf jeden Fall einer der interessantesten Hollywoodfilme der letzten zwei Jahre.

(Poster via Hollywoodreporter.com)