Freitag, 7. August 2009

Der Zauber von DSA - verflogen

Ich bin bekanntermaßen kein Freund von Das Schwarze Auge und Aventurien, da es mir so gut wie nichts bietet, es aber omnipräsent in der Rollenspiellandschaft ist, dadurch sowohl das Ausleben meines Steckenpferdes als auch die Entfaltung des Rollenspiels als Freizeitbeschäftigung an sich lähmt. Kurzum, wenn die Welt DSA spielt, ist es nicht so einfach etwas anderes zu spielen.

Dabei war ich langjähriger DSA Spieler und habe alle Untiefen ausgelotet; es gibt wohl wenig Spieler bei denen Dauer des Spiels und Abneigung gleichermaßen hoch ausgeprägt sind (ausser in der Redaktion vielleicht) und,

ich kann die Faszination für Aventurien gut nachvollziehen!

Denn was mir wesentlich mehr zu schaffen macht: Aventurien besetzt eine Nische, die ich gerne spiele. Ich mag das ganze heimelige, deutschtümelige, mythische Spielgefühl, welches Aventurien versucht zu vermitteln. Die Vorstellung einer idyllischen, begehbaren Welt, die man auf der nach Benzin stinkenden Hauptstrasse vor der Tür nicht findet und die sich so anfühlt, als wäre man schon mal da gewesen. Ich bin mir sicher, daß es den meisten DSA Spielern so geht und es ist auch der Grund, warum es im Ausland niemals erfolgreich sein wird, da diese romantische, oftmals naturverbundene Träumerei sicher selten so ausgeprägt ist, wie bei uns1 2

Aventurien ist dabei nur so schrecklich unsauber gestaltet, daß es einen am laufenden Band aus dem Spiel reisst, wenn nicht die bei langjährigem Spiel einsetzende Abstumpfung und Trägheit von Geist und Körper einsetzt, die jedes kritische Denken und kreativen Antrieb zugunsten von leicht zugänglichem Wohlbehagen überlagert. Man nimmt die Fehler zwar wahr, kann sich aber nicht über sie hinweg setzen. Dasselbe empfinden wir, wenn man es nicht schafft sein, eigentlich seit 10Jahren ausgelegenes Lieblingssofa auf den Spermüll zu schaffen.
Dieses Gefühl wollte sich bei mir in Bezug auf DSA offenbar nie ergeben. Denn im Grunde wollte ich mehr, ich entfernte mich eigentlich nicht von der Philosophie von Aventurien, sondern die Unfähigkeit der Spielwelt seine Ansprüche zu erfüllen führten zu vollständiger Verneinung.

Es wurde viel geschrieben darüber, was Das Schwarze Auge ausmacht und wie sich die Spielerschaft an belanglosen Regelmechanismen aufhält, bei der zweifelhaften Suche nach einer Definition, dabei bin ich mir sicher, dieses Sehnsuchtsdenken und Fernweh ist die eigentliche Essenz von DSA. Das Schöne daran ist, sie ist leicht zu reproduzieren, denn sie ist nicht abhängig von Aventurien. Je näher sie an den Vorstellungen der Romantik gelehnt ist, deren Ähnlichkeiten man schwer leugnen kann, desto authentischer das Spielgefühl. Vielleicht kann man die DSA Spielerschaft sogar als eine der letzten reaktivierten Bastionen der Epoche bezeichnen.

Doch Aventurien selbst würde ich in dieser Hinsicht nur als Notlösung bezeichnen, ein Ersatz, dessen man sich bedient, wenn nichts anderes zur Hand ist oder von dem man sich wegen zuvor erwähnter Gemütlichkeit nicht mehr lösen kann. Denn Aventurien als (zufälliger) Optimalzustand der eigenen Wünsche ist aufgrund der Vielfalt der Parameter beinahe ausgeschlossen. Und welchen Grund sonst könnte es haben einen nicht idealen Zustand zu bewahren?
Die vermeintliche Zufriedenheit kann man demnach mehr als betäubtes Arrangieren bezeichnen, denn als Erfüllung der Freizeit. Schaut man sich die Akribie und fehlende Eigenständigkeit an, mit der die Spielerschaft (inklusive Autoren) versuchen ihren “phantastischen Realismus„ darzustellen, bekommt man schnell den Eindruck, daß viele DSA Spieler im Grunde gar nicht in Aventurien spielen wollen, denn jede Abweichung vom diesem phantastischen Realismus (was im Grunde nur ein anderer Name für die Romantik ist), verfremdet ja das Erlebnis (es ist ja nicht mehr "realistisch"), Aventurien selbst kann demnach nur ein Kompromiß sein, schon allein, weil es an Alternativen mangelt. Ich denke der nostalgisch verklärte Blick vieler DSA Spieler auf ihr Rollenspiel fußt in Wirklichkeit tiefer, auf die Motive besagter Kulturepoche, nur wird die mit Aventurien fälschlicherweise gleichgesetzt, wozu auch die Monopolstellung beiträgt.

Das Gefühl “angekommen„ zu sein, auf das viele DSA Spieler schwören, stellt sich sehr leicht auch in anderen, ähnlich gelagerten Spielwelten ein, vielleicht sogar besser, sofern man sich das reflektierte Denken zurückerkämpft und sich diesen neuen Platz in einigen Monaten erspielt. Diese Geduld muss man aufbringen, um erkennen zu können, daß Aventurien in der Hinsicht kein Alleinstellungsmerkmal besitzt.

Die Dominanz von DSA verhindert dabei jedoch die Abwechslung, die seine Nische nötig hätte. Veröffentlichungen, die dieselbe Nachfrage bedienen, gibt es im Grunde nicht. Glücklicherweise weiß sich der erfahrene Rollenspieler zu helfen. Was könnte besser die Ansprüche einer Runde erfüllen als eine eigene Spielwelt? Diese hat zudem den Vorteil, daß sie, von einem Spielleiter geführt, durch die Fremde auch das Reisemotiv und den Entdeckerdrang viel besser aufgreift als das unzählige Male durchgekaute Aventurien. Im Grunde können diese neuen phantastischen Welten sogar eine größere Nähe zu unserer Welt wagen, die eine stärkere Vertrautheit bewirken, was eines der zentralen Motive von Aventurien ist. In dem Moment muss ich immer an Thomas Finns Buch über die Nebelkriege denken, das so eine beispielhafte Welt illustriert. Ich empfinde dieses “Klauen aus der Realität„ auch nicht als einfallslos, wenn es stimmig und stringent umgesetzt ist (was nicht leicht ist), also daß, was es in der Welt des schwarzen Auges nicht ist.

Leider scheint diese Selbstständigkeit etwas eigenes zu schaffen in deutschen Landen nicht mehr sehr verbreitet zu sein, was nicht verwundert; oder die Ergebnisse werden unbesehen als “Heartbreaker„ verschrien, obwohl sich darunter vielleicht gute Ansätze verstecken. Dabei ist dies eine Chance, dieses urdeutsche aber verarmte Rollenspielgenre zu bereichern, damit Elan, Erfinder- und Entdeckergeist in diese Sparte des Hobbies zurückkehren, die von dem Schwarzen Auge schon zu lange okkupiert wird und sich auf seinem Erfolg ausruht.


1 : Siehe z.b. Stichwort: “der deutsche Wald„ und “Wanderlust„
2 : Studien wie www.menschwald.de/startseite.html zeigen, daß 40% der Erwachsenen sich eine enge Bindung an den deutschen Wald bewahrt haben, wohingegen 33% Distanz halten und der Rest pragmatisch denkt.

3 Kommentare:

  1. Das mit dem "heimisch fühlen" ist wohl auch der Grund, weshalb ich auch immer wieder nach Aventurien zurückkehre. Aber zuhause ist es halt nicht immer am schönsten.

    "schrecklich unsauber gestaltet"; "man nimmt die Fehler war"
    Oh, oh. Das schreit ja förmlich nach Kommentaren, die dir voll und ganz widersprechen :P.

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  2. Sohn des Südens8. August 2009 um 08:30

    Als ich mit Rollenspiel angefangen habe, kannte ich erst nur "Das Schwarze Auge". Mein Material hatte ich von Freunden bekommen oder aus Karstadt. Es hat bestimmt ein Jahr gedauert, bis ich erfahren hatte, dass es überhaut noch andere Rollenspiele als DSA gab. Als ich dann das erste mal einen Rollenspiel-Laden betreten habe (Spiel und Fantasy, gehörte dem jetzigen Besitzer von Tellurian und war ganz ähnlich aufgeräumt) war das für mich eine Offenbarung. Ich konnte STUNDEN in diesen Läden verbringen und neugierig herumschauen. Ich kaufte mir auch Rollenspielmagazine (Wunderwelten, Ringbote), da ich durch die Rezensionen und Abenteuer zu anderen Systemen hier noch einfacher mehr kennen lernen konnte. Die Rollenspiele, die ich mir dann auch gekauft habe, habe ich ebenso neugierig verschlungen wie die DSA-Bücher.
    Eine besondere Qualität hatte DSA nicht, außer, dass man dafür am leichtesten Spieler finden konnte. Ich glaube auch nicht, dass, als wir mit 13-18 Jahren DSA gespielt haben, bei uns groß romantische Motive herumwerkelten. Wir haben ja auch immer viel anderes ausprobiert, dabei gingen wir nach dem vor, was angesagt war. Problematisch wurde es erst, als die ersten Leute mit Nischen-Systemen ankamen, die wollten die ersten dann nämlich nicht mehr ausprobieren, und der Freundeskreis sich stark erweiterte, da wurden die Rundenabsprachen komplizierter. Wir spielten seltener, dafür mit mehr Leuten und abgefahrenere Abenteuer.
    Das heimische Gefühl kam erst später. Wenn man sich erstmal 10 Jahre mit einer Sache beschäftigt hat. Bei Earthdawn hat es sich bei mir inzwischen auch ein wenig eingestellt.

    DSA hat in den letzten 15 Jahren übrigens einiges getan, um von dem von dir beschriebenen Spielgefühl wegzukommen. Der Krieg gegen die Novadis oder der Orkensturm 17 Hal, das waren noch "kleine" Ereignisse. Aber mit der Borbaradkampagne ging es dann rund und mit Jahr des Feuers oder jetzt der Drachenchronik wird es nicht kleiner. Die Einläutung des Karmakothäon hat in Aventurien die Zeit des High Fantasy, die Zeit der epischen Schlachten und Kriegen und großer Magie eingeläutet. Ein wenig im Vorgarten wildern, das ist nicht mehr drin. Dein Romantik-Genre wird von DSA nicht mehr besetzt, du kannst dich freuen.
    Schon mal an Midgard gedacht?

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  3. ich schrieb ja, das Gefühl stellt sich erst nach einiger Zeit des Spielens ein.
    Am Anfang kann niemand damit rechnen. Aber da es von Anfang an auch bei DSA nicht so ist, zeigt es ja, daß man das heimische Gefühl auch in anderen Spielwelten erreichen kann (und wer sagt, daß es in DSA am Besten ist, wenn man es von kaum einer anderen Spielwelt kennt?). Allein was fehlt ist oft der Wille.
    Mit ED hat du ja auch gute Erfahrungen gemacht. Ich zielte jetzt aber auf Spielwelten ab, die sich explizit an Aventurien orientieren, bzw. von denselben Stellen klauen wie Aventurien. Spieler die sowas mögen, aber keine Alternative haben kommen darin bestimmt gut zurecht. Im quietschbunten High-Fantasygenre mitzumischen wird Aventurien bestimmt auch nicht guttun.
    An Midgard habe ich schon mehrmals gedacht.

    @David: ich glaube nicht, daß es da Probleme gibt, denn die DSA Spieler wissen ja, daß es wahr ist.

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