Hier ist der zweite Teil meiner Zusammenstellung von Spielkonzepten, die ich zur Zeit im freien Rollenspiel verwende. Der erste Teil findet sich hier
Hausregeln (einfach zu modifizierende Regeln)
Mit Hausregeln beschäftige ich mich erst seit kurzem. Früher waren sie für mich ein Mittel um Fehler in schlecht geschriebenen Rollenspielsystemen zu beheben und ich glaube, die meisten Rollenspieler komplexer Regelwerke benutzen sie auch so. Gleichzeitig schienen mir simple Regelwerke einfach unvollständig und weniger leistungsfähig als komplexe zu sein. Hausregeln zu benutzen kam mir bei ihnen gar nicht in den Sinn, da ich ja nicht dem Rollenspielautor die Arbeit abnehmen wollte. Und viele Rollenspieler, die ich kenne, bevorzugen leichte Systeme eben weil es gerade kaum Regeln gibt.
Ich stieß dann darauf, daß es zahlreiche Regelsysteme gibt, die absichtlich “unvollständig” geschrieben wurden, deren Grundmechanismus aber darauf ausgelegt ist, mit Hausregeln versehen zu werden. Der Anstoß dazu gab Risus für mich, bei dem das Prinzip bis zum Exzess getrieben wird. Und mir wurde klar, daß Hausregeln nicht als Fehlerkorrektur gedacht sind, sondern als Individualisierungselement und schnelle Stellschraube; Und das so ein, an die Gruppe anpasstes System, wie ein gut sitzender Anzug ist und genau so leistungsfähig und detailliert wie ein komplexes Regelwerk mit Aberhunderten von Seiten ist, aber leichter zu handhaben. Die Regeln passen sich der Spielwelt an, nicht umgekehrt.
Schnell wollte ich auch Hausregeln in anderen leicht zugänglichen Regelwerken benutzen wie D&D4 oder Savage Worlds. Das machte mich endlich unabhängig von Regelmonstern wie DSA oder GURPS.
Detaillierte, unbekannte Spielwelten
Wenn gute Regeln die Knochen des Rollenspiels sind, sind die Spielwelten das Fleisch. Die Charakterbeziehungen sind wesentlich unterhaltsamer, wenn sie eine Bühne haben um sich auszutoben. Gleichzeitig hat man durch viele Situationen mit “Sense Of Wonder” ein charakterunabhängiges Element, mit dem man sich beschäftigen kann. Zudem bieten funktionslose, atmosphärische Details wie Rituale, Legenden, Gepflogenheiten und Kultur im Allgemeinen eine Auflockerung der Charakterprobleme und verschaffen dem Spieler ein tieferes Eintauchen in die Spielwelt. Oberflächlich ausgestaltete Spielwelten hatten für mich seit jeher keinen besonderen Reiz und auch Spielwelten in der Gegenwart meide ich größtenteils wegen des Mangels an Sense Of Wonder. Der einzige Unterschied zwischen früherem und jetzigem Spiel ist, daß ich mehr Wert darauf lege, daß die Spielwelt den Spielern zu Anfangs verschlossen ist, um den Entdeckerdrang als zusätzliche Unterhaltungs- und Motivationsquelle anzutreiben. Als Spieler möchte ich die Spielwelt im Spiel erleben und nicht ausserhalb in Texten oder gar als Unterbrechung mit den Mitspielern rezipieren. Die Gefahr, daß dies zum zentralen Element des Spiels verkommt, ist dabei sehr hoch.
Und dies nur zur Klarstellung: Ich verlange nicht unbedingt ein Verlagsprodukt und lasse mich auch auf Spielwelten von normal sterblichen Rollenspielern ein, so lange es die Welt eines Spielleiters ist, die nur er kontrolliert und leitet! Zum einen vermeidet dies Inkonsistenzen und zum anderen benötigt man auch übrige Spieler, die diese Welt überhaupt entdecken. Zuletzt hat der Spielleiter auch einen Wissensvorschub, der ihm das Spiel in seiner Spielwelt verleiden würde.
Ergebnisoffenheit
Klar, man spielt, um spannende Geschichten zu erleben. (ganz) Früher spielte ich mit dem Gedanken, daß man dies erzwingen müsste, daß überhaupt nur dieses Ergebnis zählen würde und der Abend verloren wäre, wenn man es nicht geschafft hat, die Geschichte umzusetzen. Das führte zu zahlreichen Konstrukten und vielen Fertigabenteuern, in denen es nichts zu tun gab, ausser zu erleben, wie sich die Geschichte entfaltet (die zudem nur selten besonders interessant waren). Da die klassischen Regelwerke dem jedoch im Weg stehen (viele Handlungen von Charakteren sind in den wichtigen Momenten einfach nicht erfolgreich), griff ich in den folgenden Jahren zu Myriaden an speziell gestalteten Erzählrollenspielen, deren Mechanismen sich überhaupt nur darum drehen, eine spannende Geschichte zu erzählen, hauptsächlich indem sie Erzähl- und Gestaltungsrechte verteilen (gleichzeitig eliminierten sie so viele Regeln wie möglich, damit sie nicht im Weg stünden, häufig auch die für mich interessanten Spielereien, siehe Teil1).
Und erst in den letzten Jahren wurde mir klar, daß meine Handlungen als Spieler dadurch völlig belanglos wurden, gleichzeitig machte der Erfolgsdruck jeden zweiten Abend kaputt und ich hatte es dann irgendwann satt die Ergebnisse meiner Spieleraktionen schon vorher zu wissen und spielte stattdessen ergebnisoffen. Das bedeutet, daß jede Aktion unverändert in die Spielwelt übernommen wird, mit allen Konsequenzen die sich daraus ergeben und mehr, daß niemand den Erfolg dieser Aktionen durchwinken darf, sondern allein die Würfel (und im Zweifelsfall ein neutraler Spielleiter) darüber entscheiden. Das bedeutet aber auch, daß der Spielleiter in der Lage ist, den Ereignissen die entsprechende Bedeutung beizumessen. Als Beispiel sei hier die Wildnisreise genannt, die Spielleiter oft überspringen, damit sie schnell zu einem Endkampf gelangen, weil sie nicht erkennen welche Bedeutung die Reise für die Runde hat. Er übergeht den Spieler des Naturcharakters und seine Kompetenzen möglicherweise dabei völlig, der damit kein gleichberechtigter Mitspieler mehr ist, oder der Spielleiter übersieht die Gefahren, wenn solch ein Naturcharakter nicht dabei ist und insgesamt verarmt das Spiel an abwechslungsreichen Erlebnissen.
Eine spannende Geschichte kann, muss aber nicht entstehen. Der Weg ist das Ziel und der Erfolgsdruck fällt völlig weg, wird stattdessen durch Spannung ersetzt
hiermit vervollständige ich die Konzepte, die mir im Spiel (im Moment) wichtig sind. Vielleicht findet der ein oder andere Ideen, die ihm gefallen aber zumindest sollte es keine Unklarheiten über meine Ansprüche in einer Spielrunde geben.
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