Donnerstag, 27. August 2009

Karten einer Sandkastenkampagne [Teil3]

Im letzten Beitrag zu meinem Erfahrungsbericht über die Ausgestaltung einer Sandkastenkampagne habe ich berichtet, welche spielinhaltlichen Konzepte ich meiner Welt zu Grunde legen will. Teil1 findet sich hier, Teil2 ist hier zu finden.
Doch wie jeder Handwerker sollte man, bevor es losgeht, sich eigentlich die Werkzeuge zurechtlegen.


III. Karten einer Sandkastenkampagne (Dauer ~6Wochen, Ende offen, Gesamtdauer: 9 Wochen+)
Ich habe mich offensichtlich nicht stur an den guten Handwerker gehalten, aber es ist sicher nichts ungewöhnliches, daß einem erst eine Spielwelt im Kopf herumschwirrt, bevor man sich daran setzt, sie zu bauen.
Gut gefahren bin ich mit der Methode, mich erst auf die Suche zu machen wenn ein entsprechendes Problem auftrat (bei anderen Dingen habe ich mir dagegen gewünscht mich lieber besser vorbereitet zu haben bevor es losgeht, das muss anderen ja nicht wieder passieren).

Die Karte:
Das erste Problem "zeichnete" sich sofort ab. Wie sollte ich was zeichnen? Ich wollte mich ja auf Gratisangebote beschränken, also Griff ich (wieder mal) zu Autorealm. Das erste Anzeichen für die einfache Bedienung des Programmes ist, daß ICH es bedienen kann. Wer trotzdem noch Probleme damit hat, dem seien diese Einführungen angeraten, der Rest kommt dann von alleine.

Ich erkläre die folgenden Schritte also für Kartenzeichner, die mit den grundlegenden Funktionen zurecht kommen. Das Praktische an Autorrealm ist der nahezu unbegrenzte Vergrößerungs/Verkleinerungsfaktor. Theoretisch lässt sich allein mit Autorealm alles von Kontinentalgröße bis zum Vorgarten auf eine Karte zeichnen. Es stellte sich aber nicht ganz unerwartet heraus, daß mein Rechner (AMD2500, 1Gig Ram) damit überfordert ist, dazu später.

Bevor man anfängt irgendetwas zu zeichnen, sollte man sich ein paar Gedanken zu den Skalierungen machen. Wie in Teil2 beschrieben mache ich meine Spielwelt “von Oben herab„, fange also bei groben Details an. Auf die Karte bezogen wäre das der Kontinentalmaßstab. Ich beschränke mich dabei auf einen Kontinent, bzw. einer Kontinentgruppe, 4000km Durchmesser sind ein guter Durchschnitt. Es hat mich einige Mühe gekostet durch Herumprobieren die Skalierung in den Griff zu bekommen und beschreibe es zum evt. Nachmachen so, als wenn ich von Anfang an gewusst hätte was ich da tue. Mein Ziel war, eine Weltkarte mit Hexfeldern vernünftiger Größe direkt auf eine DINA4 Seite zu drucken, wenn ich es brauche. Wenn es eine einfachere Methode dafür gibt: zu spät!

1. Um anfangen zu können habe ich mir ein Gitter aus Hexfeldern gesetzt (Toolbar->Graphpaper) und den Wert Wert Hexes/cm auf 2,5 gesetzt. Die Hexfelder liegen flach, nicht hochkant (drittes Symbol)

2. Nun definiert man unter (File->Properties->Measurements) die Größe eines Hexes in der Längeneinheit “Units:Centimeters„ unter dem Wert C mit 0,5 (cm)

3. Autorealm bietet die Funktion “Place Push Pin„ an (das Pfeilwerkzeug auswählen->Rechtsklick->Place Push Pin). Damit lassen sich Orientierungspunkte setzen. Mit dem Fenster “PushPins„ (Toolbar->PushPins) kann man sich die Abstände zwischen allen Pushpins, die man gesetzt hat und dem Mauszeiger, anzeigen lassen (Das ist auch für später praktisch um ein Gefühl für die Entfernungen zu bekommen. Man platziert nun 4 Push Pins in den Dimensionen einer DINA4 Seite (Breite 29,70cm, Höhe 21cm). Das ist unser Sandkasten!

4. Damit hat die Skalierung des Hexfeldgitters für diesen Zweck ausgedient. Man ändert die Größe eines Hexes wie bei 2 beschrieben (nicht der Hexes/cm -Wert!) nun auf B=50km. Die Welt hat nun ein Ausmaß von ca. 3700*2700km, mehr als genug Platz um sich auf einer beliebigen Vergrößerungsstufe auszutoben. Ich empfehle nicht die Einheiten nachträglich noch zu ändern, da Autorealm scheinbar bei der Einheitenumrechnung durcheinander kommt. Man kann die Werte natürlich von Hand wieder auf die Ursprungswerte setzen, aber man sollte sich nicht auf die Umrechnung verlassen, also nach jedem Wechsel kontrollieren.

5. Grundsätzlich kann man nun anfangen seine Welt zu gestalten. Man sollte mit den Symbolen sparsam umgehen, daß sie den Rechner sehr schnell in die Knie zwingen (jede Aktion auf meiner Karte dauert z.b. 4Sekunden!). Mein Startpunkt, eine große Stadt, habe ich in eine weit ins Land ragende Meeresbucht gesetzt, da ich nicht auf die Möglichkeit verzichten will, daß Spieler mit dem Schiff schnell große Entfernungen zurücklegen, aber gleichzeitig einen zentralen Startpunkt haben, von wo sie sich aus in jede Himmelsrichtung bewegen können.

6. Autorealm liefert die Funktion “Hyperlink„ (Toolbar->Drawing->Hyperlink). Mit diesen lassen sich sozusagen “Nadelpinne„ auf die Karte setzen und man kann sie mit Text versehen. Ich habe sie dafür genutzt, um die Orte wichtiger Begegnungen mit Erfahrungsbelohnung, Monster, Ortsbschreibung usw. zu versehen. Vorsicht: Man kann sie nicht einfach editieren, nicht mal nachträglich bewegen. Will man nachträglich etwas ergänzen, muss man sie mit dem Pfeilsymbol markieren und dann erneut das Hyperlinkfesnter öffnen. Der alte Text wird nun zum Editieren angezeigt, allerdings kann damit nur einen neuen Hyperlink mit dem nun editierten Text setzn. Der alte, markierte sollte von Hand gelöscht werden.

Ergänzung zu 5.
Für das Beleben einer Spielwelt hatte ich mich ja zuvor besonders für die Gesellschaften und das Leben zu den Zeiten der entsprechenden Vorlagekulturen meiner Spielwelt interessiert. Hier geht es nun mehr um die reinen Naturphänomene. Die geologischen und geographischen Einzelheiten bereiteten mir dabei weniger Probleme, da ich die nötigen Vorkenntnisse besitze und es fällt mir schwer all das wiederzugeben, worauf man achten kann. Deswegen möchte ich auf ein paar gute Einführungen verweisen.

Matris Terrea
Zunächst Rollenspielmaterial. Das Dragonsfootforum hat eine schrittweise Anleitung zur Erschaffung einer Spielwelt. Ehrlich gesagt konnte ich mit der Anleitung wenig anfangen, da ich sämtliche Hinweise als selbstverständlich erachte und sie zudem inkomplett ist. Aber ich weiss, daß die Anleitung in den Foren geschätzt wird, deswegen gebe ich sie an.

Viel eleganter und freier dagegen lässt sich an einer Welt bauen, wenn man ein paar Grundkenntnisse über Klimatologie und Geomorphologie besitzt. Die Konzepte sollten eigentlich Schulstoff sein aber die Schulpolitik ist offensichtlich der Ansicht, daß Kenntnisse über die Funktionen der Erde in der heutigen Ausbeute-Leistungsgesellschaft keinen Zweck erfüllen, obwohl es unser Leben bestimmt. Naja, das ist ein Anderes Thema. Ich habe mir Mühe gegeben einfache Einführungen anzugeben und vieles kennt man sicher aus dem Allgemeinwissen:

Plattentektonik hat einen großen Einfluss auf die Topographie einer (unserer) Welt
Geolinde
dies ist eine einfache, deutsche Einführung.


U.S. Geological Survey
und diese hier eine etwas detailliertere

Teaching Geophysics in the 21st Century
und eine sehr bekannte, meiner Meinung nach völlig konfuse, Anlaufstelle mit Lehrmaterial der Geophysik. Ich habe die wichtige Seite direkt verlinkt. Darunter finden sich auch Seiten mit Animationen.

Denn wem das alles zu mühselig ist, kann sich einfach anhand der Animationen zu den platten- tektonischen Mechanismen orientieren
Savage Earth
Die, wie sollte es anders sein, SAVAGE Earth Animationsseite gibt schonmal einen guten Überblick über die Prozesse, mit der man seine Welt nachvollziehbar verformen kann.

Scotese
Das Palaeomap Project hat sich zur Aufgabe gemacht die Plattenbewegungen der Erde in Vergangenheit und Zukunft zu Rekonstruieren/Extrapolieren (und dafür Lizenzgebühren zu kassieren). Viele der gängigen Bilder und Animationen basieren auf den Arbeiten des Projekts. Ich hatte die Gelegenheit die Animations in voller größer zu bewundern, frei zugänglich sind aber immerhin kleine Formen davon, wie die Folgenden. Für Rollenspieler mag vor allem die Extrapolation bis 250Mio. Jahre in die Zukunft interessant sein.
Scotese Animationen

Wenn man sich ein wenig in die Thematik einliest, stößt man immer wieder auf abwechslungsreiche Landschaftsformen, mit der man seine Spielwelt verzieren und aufwerten kann und die diversen, künstlichen Phantasiestrukturen in anderen Spielwelten in nichts nachstehen. Warum nicht mal ein echter, terrassierter Lavasee, unwirkliche Schwefelquellen oder Kristallhöhlen , ohne sich den platten "High-Fantasy-Kitsch" Vorwürfen auszusetzen?


Wetter und Mesoklima
Den ein oder anderen mag es interessieren wo auf seiner Welt Bäume wachsen und wo Wüsten entstehen. Die Klimazonen (die auch in der Anleitung von Matris Terrea angegeben sind) sind eine gute Stütze aber im Grunde auch langweilig und im wahrsten Sinne des Wortes oberflächlich, denn sie ignorieren zum Beispiel die Topographie fast vollständig. Es gibt viele andere regionale Klimaeffekte, die interessante Landschaftsstriche hervorrufen, auch an Orten an denen man sie nicht erwartet und mit denen man seine Spieler überraschen kann. Wie wäre es zum Beispiel mal mit einer Nebel wüste?

Ich kann und muss das auch gar nicht vertiefen. Es genügt ein grundsätzliches Verständnis lokaler Strömungen, sowie das Zirkulationssystem der Erde, um darauf basierend relativ frei eine Welt gestalten zu können.

Deutsche Einführung
Eine gute Einleitung gibt es hier, ich habe die wichtige Seite bereits aufgeschlagen.

Im Grunde kann man aber schon sehr viel erreichen wenn man sich allein mit dem Einfluss der Berge, Stichwort “Föhnwind„ vertraut macht:
Föhnwind
Diese Seite ist zudem eine erstaunliche, umfangreiche Einführung in Klimatologie im Allgemeinen.


Ergänzung zu 4.
Die menschliche Vorstellungskraft verlässt uns bei so großen Dimensionen wie den globalen in der Regel. Wem Glaubwürdigkeit nicht wichtig ist, dem kann das natürlich egal sein, in meinem Fall wollte ich aber mehr Sorgfalt walten lassen. Um ein Verständnis für die Entfernungen und der tatsächlichen Dichte, Kleinräumigkeit und Vielfalt einer Weltoberfläche zu gewinnen genügt, sollte man darin keine Übung haben, schon ein Vergleich mit der tollen Google Maps Seite (vorher auf "Satellit" umstellen). Man vergrößert/verkleinert einfach auf den Bereich, den man in Autorealm gleich Vergrößerung gestalten will und lässt sich von den Ausdehnungen der Landschaftsformen leiten.
Häufiger Gebrauch und Abmessungen mit dem “Ruler„ Werkzeug (z.b. beim Setzen zweier Städte) verschafft einem ebenso ein Gefühl dafür, wenn man sich zum Beispiel überlegt was es für Personen der Spielwelt bedeutet die Entfernungen zwischen zwei gesetzen Punkten zurück zu legen. Zu Anfang wird man immer alles zu weit voneinander ansetzen, Gebirge und Wälder zu groß gestalten, das ist normal und man will ja schliesslich die Karte vervollständigen. Irgendwann kommt man dann zu der Erkenntnis, welch ein Riesenhaufen Arbeit es ist, eine glaubwürdige Welt kleinräumig zu gestalten. Intelligenterweise beginnt man nach dem groben Skizzieren natürlich am Startgebiet und bereitet nur so viel vor, wie die Spieler in 2-3Wochen Reisezeit erkungen können. Aber was für die Fehleinschätzung im Groben gilt, gilt auch im Kleinen: man gestaltet am Besten ein paar hundert Quadratkilometer (was sich nach viel anhört, kann selbst ein moderner Städter in wenigen Tagen durchwandern).
Die Hexfelder unserer Autorealmkarte sind gut für Überlandreisen, für einen großen Überlick geeignet, für eine Abenteuerregion ist es aber zu grob, für diesen Zweck habe ich ein anderes Programm benutzt

Die Regionalkarte mit Hex GIMP
GIMP ist ein Freewarezeichenprogramm, daß sehr viele Funktionen seiner großen (kostenpflichtigen) Brüder beinhaltet. Auf die Einführungen kann ich hier nicht eingehen, weil es weit den Rahmen sprengen würde. Für GIMP gibt es eine Erweiterung: HexGIMP
Damit lässt sich aus dem Zeichenprogramm ein Hexfeldeditor mit vielen vorgenerierten Landschaftssymbolen machen. Die Installation ist sehr leicht und in der Liesmich-datei gut erklärt. Wichtig ist die Funktion Magnetisches Raster (Ansicht->Magnetisches Raster), da der Zeiger sich so nur von Hexfeld zu Hexfeld bewegen kann, was das Ausfüllen erleichert. Ich habe mir Schlüsselpositionen auf der Weltkarte gesucht und das entsprechende Areal in Autorealm mit einem Rahmen versehen und durchnummeriert. Es gibt zwar im Moment nur das Startgebiet, aber dabei bleibt es schliesslich nicht, denn ich nehme an, jedes Hexfeld in HexGimp beträgt 10km, eine Heldenrunde, die zu Fuß unterwegs ist schafft also ungefähr 3 Felder pro Tag. Eine 40*50 Felder große Karte, die ich ausgefüllt habe, deckt also 400*500km ab oder 200.000 km² . Meine gesamte Spielwelt hat ~10.000.000 km². Ich brauche also 50 Detailkarten um die Welt vollständig zu beschreiben. Über einen langen Spielzeitraum verteilt ist das eine Arbeit, die man durchaus bewältigen kann, vor allem wenn man berücksichtigt, daß vermutlich keine Runde jemals alles erkunden wird (aber da man nunmal nicht weiss, welche Regionen es sein werden, habe ich die Welt zumindest Überregional bereits vorbereitet), man also niemals in Verlegenheit kommt 50 Hexkarten zu zeichnen.
Mit den Ebenen (Shift+L) lassen sich ganz wunderbar die Informationen filtern. So kann man sich eine Ebene mit Markierungen für Begegnungen und Abenteuer und eine weitere zum Beispiel mit dem abgedeckten Bereich anlegen, den die Spieler bereits kennen und den man problemlos editieren kann ohne die Karte zu ruinieren, so daß man ihnen die aktuelle entdeckte Karte jederzeit zeigen kann.

Kommen wir kurz zum detailliertesten Schritt:

Der Stadtkarte
Diese habe ich tatsächlich von Hand gezeichnet, denn es sind Informationen, woran die Spieler relativ schnell gelangen können. Ich habe vor die Stadtkarte offen auszulegen damit die Spieler vertraut mit ihrem Startgebiet werden. Für die Ausmaße hat mir wieder einmal das Domesdaybook geholfen. Dies gibt für meine Großstadt von 8000 Einwohnern 0,54km² an, die ich auf eine DINA4 Seite kariertes Papier gezeichnet habe (1Kästchen=20m ist ein hervorragender Maßstab). Die Karte lässt sich in Klarsichthüllen stecken, die man wie die Ebenen eines Zeichenprogrammes mit Zusatzinfos versehen kann. Eine Folie kann z.b. die Unterschlüpfe der Diebesgilde zeigen, eine andere die Kanalisation mit Ausstiegen, sollte die Stadt eine haben usw. Je nach Informationsstand kann man den Spielern die Folien aushändigen aber die Karte selbst ist grundsätzlich erst einmal ihre.


In Anbetracht der Beitragslänge werde ich die Namensgeneratoren, Gewölbekarten, Charakterporträts, sowie Regelsystem und Hausregeln usw. nun auf die folgenden Teile verteilen. Zur Erinnerung, ich habe nun ein Areal, daß ich grundsätzlich bespielen kann, habe Volk um es zu beleben aber habe weder Abenteuer, noch Persönlichkeiten, noch nicht einmal ein angepasstes Regelwerk um darin zu spielen aber bereits 9Wochen investiert (mit ~2 Stunden pro Tag).

Mittwoch, 19. August 2009

Das Beleben einer Sandkastenkampagne [Teil2]

Im ersten Teil meines “Tagebuchs„ zur Planung einer Sandkastenkampagne habe ich einen Großteil der Quellen verlinkt, die ich zum reinen Theorieverständnis von freien Sandkastenkampagnen gebraucht habe. Dadurch wurde mir klar, daß ich eine ganz neu zu entdeckende Spielwelt brauchte, die selbst die Spielcharaktere nicht kennen, um die maximale Motivation durch Entdeckerdrang aus den Spielern zu holen. Vorgefertigte Spielwelten fielen dadurch natürlich schon einmal raus.


Nun wurde es Zeit für ein paar konkrete Vorstellungen. Wie soll ich mich nur kurz fassen? Ich disponiere ein wenig um und schiebe diese Gedanken zur Spielwelt nach vorne (die ohnehin vor dem Herumschrauben passiert sind), bevor ich im nächsten Beitrag auf Werkzeuge eingehe, da es für einen Beitrag sonst zu viel wird und ich mich hierauf beziehen muss.

Es ist klar, daß ich hier nur noch schwer etwas Allgemeingültiges präsentieren kann, sondern nur Beispielhaftes anhand meiner Vorlieben für bestimmte Spielwelten, von daher wird der ein oder andere Link weiter unten für den Interessierten nicht zu gebrauchen sein, aber vielleicht sind es Hinweise für die Themen, an die man anecken kann.

Wer über die Spielwelt selbst nichts lesen will kann das ganze Geschwafel getrost übergehen, vor Allem, da es niemanden verschrecken soll.


II. Den Sandkasten mit Leben füllen. (Dauer ca.2 Wochen, Gesamt: 3Wochen)
Was langjähriges Spiel betrifft bin ich Purist. Ich brauche eine Welt, die nicht zu fern von irdischen Vorlagen entfernt ist, in die man sich schnell einfühlen kann, die durch Vertrautheit Sicherheit schafft, und damit überhaupt ein Anreiz ist, sich gedanklich über längere Zeit dort einzurichten. Denn gemeinsame Erfahrungen kann man am ehesten mit den Mitspielern teilen. In allzu abgefahrenen, abwegigen Spielwelten gibt es viel schneller Geschmacksverwirrungen und viele Spieler würden sich auch bei beliebig langer Spielzeit nie wirklich “heimisch„ fühlen.

Der Weltenbastler in mir ist an Glaubwürdigkeit und Stilsicherheit interessiert. Je glaubwürdiger die Spielwelt, desto größer die langfristige Neugier und desto weniger Spielprobleme entstehen während der Abende. Glaubwürdigkeit spielt in einer Sandbox meiner Meinung nach eine größere Rolle, da das sogenannte Handwedeln, die Probleme, die der Spielvorstellung im Weg stehen, nicht wirklich beiseite wischen, wie es bei einer einmaligen Abenteuergeschichte möglich ist, sondern nur verlagern.

Denn die Regel Nummer1 für Spielerfreiheit ist:
Alles was in der Spielwelt passiert, bleibt in der Spielwelt.

und das bezieht alle wegen Inkonsistenz beiseite gewischten Probleme mit ein. Man kann versuchen einen Kompromiß zu finden, dies muss man früher oder später wegen der Komplexität jeder Welt sowieso tun, aber man macht es sich nur auf den ersten Blick einfacher wenn man meint, jedes Logikproblem in eine Ecke verdrängen zu können. Früher oder Später leiden die freien Entscheidungen der Spieler darunter, da die Tatsachen immer weniger Gültigkeit besitzt. Weniger Arbeit ist es, sie gar nicht auftreten zu lassen. Aus diesem Grund setze ich auf gute Vorbereitung.

Stilsicherheit dagegen hat etwas mit Erwartungen zu tun, und die Enttäuschten sind meiner Meinung nach die Hauptursache für den Zusammenbruch von Spielrunden oder Ausstieg von Spielern. Mit Stilsicherheit meine ich einfach, daß ich ungerne verschiedene zeitliche und kulturelle Elemente miteinander vermische (wobei eine gute Mischung auch etwas Neues hervorbringen kann), so wissen die Spieler in welchen Sphären sie sich bewegen, was sie erwarten können, ohne, daß ich wirklich viel verraten muss, denn ein Großteil der Spielwelt wird vorab natürlich geheim bleiben. Ich verzichte lieber auf Elemente zugunsten einer funktionierenden Spielwelt als Stilelemente aus reinen Geschmacksgründen miteinander zu vermischen (ja, Piraten,Wikinger und Hopliten wird es in meiner Welt parallel wohl leider nicht geben).

Nun könnte man diese mangelnde Vielfalt als Nachteil sehen (und viele Fäntelalterspielwelten basieren wohl auf diesem Irrtum), allerdings sind irdische Vorlagen selbst innerhalb einer Zeitspanne und Region so vielfältig und tiefschichtig, selbst in heimischen Landen, daß sie bonbonbunte Mischungen blass aussehen lassen können, wenn man sich nur mit ihnen beschäftigt (was zweifellos Zeit kostet, was in der Tat ein Nachteil ist).
Ausserdem: lieber gut klauen als schlecht neu machen.

Nach persönlichen Interessen entschied ich mich also für die klassische Mittelalterfantasywelt, genau genommen eine leicht magische, frühmittelalterliche, Eurozentrische Fantasywelt mit Einflüssen der Völkerwanderung und Spätantike. Dies umfasst ca. 1000 Jahre vielfältige Geschichte, aus der man sich bedienen kann, ohne daß die Zusammenstellung zu fremdartig wirkt. Viele Sagen und Mythen nehmen dort ihren Anfang und dienen als Vorlage für magische Elemente.
Diese Epoche war düster und wild, jeder sich selbst überlassen, die Gemeinschaften klein und sie wurde von großen Namen gestaltet; und dies ist meiner Meinung nach wichtig für einen Sandkasten, denn die Spielcharaktere werden ebenfalls große Namen und Macher sein und dies funktioniert besser in einer Welt, die keine Helden hat, aber diese umso nötiger (vergleiche Aventurien oder Forgotten Realms, in denen sich die Helden auf die Füße treten).

Auch um auf das Interesse an den eigenen Kulturursprüngen zu bauen basieren die ersten beiden Völker der Spielwelt auf spät Inselkeltischen, sowie germanischen Stämmen und schlussendlich, für den exotischen Flair fernab des Startgebiets, bediene ich mich beim sagenumwobenen alten Reich Ghana (oder Gana).
Wobei ich vereinfachen und verfremden werde, wo es nötig ist, da man sich beliebig tief in jede Kultur versinken kann, man die Spielbarkeit (und den Aufwand) aber im Blick haben sollte.

Über weit mehr als 3 Völker würde ich nicht gehen (obwohl ich 2 weitere im Hinterkopf habe), wenn man sich in die entsprechenden Kulturen einlesen möchte. Diesen Mangel an Kulturen überdecke ich mit dem Spielprinzip von Wizards of the Coasts Point of Light, das zudem gut in die Zeit passt: Eine dünn besiedelte Welt, in der Wildnis und übernatürliche Herausforderungen (sprich Monster) ein entscheidendes Element ist. Nochmal erwähnt sei hier, daß ich die übernatürlichen Elemente der Kulturen für das Spiel als real betrachte.


Ich entschloss mich diese Spielwelt von oben herab zu gestalten, das heisst grobe Anlagen wie Küstenverläufe, Ländergrenzen, Gebirge usw. werden im Vorfeld gestaltet, bevor man sich ein eng begrenztes Areal (zur Größe Hilfsmittel siehe nächster Eintrag) detaillierter ausschmückt. Normalerweise wird einem angeraten von unten nach oben zu arbeiten, also mit einem kleinen Startgebiet zu beginnen und alles andere offen zu lassen bis es benötigt wird.

Dies hat ganz klar den Vorteil, das es weniger Arbeit bedeutet, aber mit jedem nachträglichen Element ist es schwerer es in einen sinnvollen Zusammenhang zu setzen, was im Endeffekt mehr Arbeit beschert hätte, da ich ohnehin schon viele konkrete, globale Vorstellungen hatte. Da meine Welt von vornherein “funktionieren„ sollte, habe ich mich also entschieden sie erst grob fertig zu stellen und zuletzt das Startgebiet zu gestalten.


Der verklärte Blick der Fantasy darf wiederum natürlich nicht fehlen, da er quasi eine Art Heimvorteil des Rollenspiels ist und an sich schon Vertrautheit weckt, denn es geht hier immer noch um ein Rollenspiel und keine Realnachstellung. So lange etwas funktioniert und passend wirkt, genügt das völlig. Das möchte ich dadurch erreichen, daß die Spielercharaktere selbst aus einer Welt kommen, die Helden kennt, d.h. sie werden zu den Wenigen gehören, in deren Denken auch verankert ist, die Probleme anzugehen, die diese neue Welt plagen. So viele Klischee muss zur Funktionalität einer Fantasykampagne schon sein.
Zudem ist es eine ungeheure Erleichterung für Spieler, denen man sagen kann, ihr Charakter stamme aus einer generischen Heldenhaften Fantasywelt, die die meisten Spieler in dieser Art (durch D&D, DSA usw.) schon kennen, so daß sie sich nicht erst mit der neuen Spielwelt beschäftigen müssen um ihren Charakter dort einbauen zu können.
Als Einstieg werden ich wohl diese nicht definierte, generische Heldenfantasywelt, die die Spieler für ihren Hintergrund beliebig ausschmückenen können, an eine weit entfernte Küste setzen, so daß sie für die Kampagne keine weitere Rolle mehr spielt.

Im Folgenden möchte ich nur noch die Links, die ich unter anderem genutzt habe, um mich in die Inhalte dieser Art von Welt einzulesen, auflisten:

Für die Grundlagen zu einer Rollenspielkampagne sei gesagt, das allein Wikipedia eine ausreichende Quelle ist um sich in Burgenbau, Lebenweise usw. des Frühmittelalters einzulesen oder sich über die Quellenlinks weiterführen zu lassen, zudem sind auch die Einträge zu Fabelwesen sehr gut. Diese offensichtlichen Quellen spare ich mal aus. (wer Bücher dazu zu hause rumliegen hat, umso besser). Weitere links, die mir etwas gebracht haben sind zumindest:

Lebensweise:

Deutschland im Mittelalter

Eine hervorragend aufgearbeitete Seite, in der alles Wichtige in einem Überblick eingedampft ist.

Leben im Mittelalter
Oft und gerne nutze ich die Google Büchervorschau. Es fehlen zwar immer ein paar Seiten, das ändert aber nichts daran, daß 80% der Bücher einwandfrei zu lesen sind. Dieses war leicht verständlich und hilft mir sehr.

Reisekönigtum
Die Seite beschäftigt sich kurz gebunden mit dem Reisekönigtum, die natürlich auch ein wichtiger Teil der Spielwelt sein wird (und zudem wesentlich spannender als ein spätmittelalterlicher König, der sein Gesäß platt sitzt)

Tacitus Germania
Viele Hundert Jahre zuvor war Tacitus an der Reihe, also sollte man ihn und die Germania auch zu Wort kommen lassen.

Sagen&Mythen
Mythen dürfen natürlich nicht fehlen. Hier sind eine Vielzahl von unterhaltsamen, österreichischen Sagen.

Religion:

In meiner Spielwelt hat es das Christentum nie gegeben, was wäre wenn sich das keltische Druidentum ausgweitet hätte?
Ich sage gleich vorweg, daß es mir zu aufwändig und einfallslos ist die Götterwelt einfach zu übernehmen und bleibe bei einem einfacheren System mit überschaubarer Götterzahl. Zudem sind viele der Informationen zum Druidentum (bis hin zum Wort Druide) höchstgradig phantasievoll verklärt, aber das soll uns für eine Fantasywelt ja nicht weiter stören, so lange es ein glaubwürdiges Gesamtbild vermittelt.
Interessant zu erfahren war zumindest, daß es auch in der mitteleuropäischen Eisenzeit eine überregionale, koordinierte Priesterschaftsstruktur gab, wie man sie vom Bischoftum, dem Papsttitel und der Konklave kennt und keineswegs vor sich hinritualisierte, wobei ich da keine unsachgemäßen Parallelen ziehen will, das tun Andere. Zumindest ist die Struktur in jeder Beziehung fähig auch größere Ansiedlungen und ein ganzes Volk zu verwalten.

Mir genügen zur Zeit auch wenige grobe Überblicke, wie diese Vorschau zur Germanischen Religionsgeschichte in Quellen


Ein Überblick auf Wissen.de und eine weitere Büchervorschau

doch mehr von Interesse sind die Priesterstrukturen, wie in dieser, sehr ergiebigen “Vereinsseite" zum Neuheidentum
die, wenn schon nicht zwangsäufig einen authentischen, doch zumindest einfach aufbereiteten und mehr oder weniger durchdachten Überblick geben, der fürs Spielen allemal genügt.

Sprachen:

Sprache ist die Identität einer Kultur, von daher nehme ich sie auch wichtig um ein Fantasyreich darzustellen. Namensgebung allein vermittelt schon eine Menge Atmosphäre einer Region.
Für meine Zwecke habe ich mich zum Einen ein Weilchen mit Althochdeutsch und Germanisch (sofern man überhaupt sagen kann, daß es das gibt) beschäftigt, was für sich genommen schon hochinteressant war.

Dazu gibt es diese wundervollen Wörterbücher von Gerhard Köbler, (der wahre Initiator im wörtlichen Sinne von ARS, mal recherchieren)

Althochdeutsche Wörterbuch

Germanisches Wörterbuch

Die Althochdeutsch stämmigen Namen vervollständigen den Einstieg

Für die zweite Kulturregion habe ich mich zum Anderen mit schottich-Gälisch und Irisch beschäftigt (was ich zeitweise sowieso tue, von daher war der Aufwand nicht allzu groß).
Folgende zwei gute Einführungen sind leicht verständlich:

Schottisch-gälisch Einführung (deutsch)

schottisch gälisch einführung (englisch)

Ebenso wie die folgenden Wörterbucher, die mir bei der Namensgebung geholfen haben.

Schottisch gälisches Wörterbuch

Was irisch betrifft haben folgende beiden Wörterbücher hergehalten wobei Ersteres das weitaus umfangreichere ist.

Irish Dictionary1

Irish Dictionary2



Auch wenn dies keine konkrete Hilfe für andere Sandkastenwelten bietet, sollte es zumindest zeigen auf was man sich mit gewissen Ansprüchen beim Bau einer Spielwelt einlässt. Wie man sieht geht es allein um Spielhintergrund, ohne bislang auch nur einen Pinselstrich zum wirklichen Spielmaterial wie Abenteuern und Herausforderungen, Konflikten und NSCs getan zu haben! Und wir befinden uns in der dritten Woche.

Beim nächsten kann nun wirklich darauf eingehen, welche Werkzeuge ich zum Bau der Spielwelt und welche Spielhilfen ich mir zusammengesucht und gebastelt habe.

Montag, 17. August 2009

Planung einer Sandkastenkampagne

Eine meiner langjährigen Vorhaben, eine für die Spieler frei zugängliche, plotlose Welt, die vom Spielleiter mit Herausforderungen und Zufallsereignissen bestückt wird, ist ja unter dem Begriff Sandbox in aller Munde. Das hat mir auch den Anreiz gegeben, das Spiel endlich in die Tat umzusetzen. Vor einigen Jahren hätte ich selber nicht dauerhaft geleitet und andere "Dauerspielleiter" standen nicht zur Verfügung, mittlerweile würde ich es mir zutrauen.
Im Gegensatz zu diversen fertigen Angeboten wie Traveller oder Goodman Games Points of Light wollte ich mir aus so vielen Quellen wie möglich das Nötige zusammen suchen und den Rest selber machen (eigene Spielwelt, eigene Zufallstabellen...)

Ich möchte nach und nach berichten, wie ich vorgegangen bin (bzw. vorgehe) und welche Hindernisse mir dabei aufgefallen sind, vielleicht hilft es anderen dieselben Fehler zu vermeiden.
Ausserdem halte ich die ungefähre Zeit fest, die ich dafür benötigte.


I. Wie machen das denn die Anderen? (Dauer: ca. 1Woche)
Untypischerweise hab ich das Zusammentrommeln von Spielern soweit nach hinten gestellt, bis ich wirklich Material habe, mit dem ich sofort einsteigen könnte. Das ist eine riskante Handhabe mit potentieller Enttäuschungsgefahr wenn ich auf der ganzen Arbeit (und das ist sie) sitzen bleibe, aber andererseits ist die Aussicht größer Spieler wirklich damit zu binden anstatt sie mit Versprechungen und einer langen Wartezeit zu lotsen (und man bekommt selten eine zweite Gelegenheit). Und dafür lege ich gerne etwas Arbeit vorraus.
Denn am Anfang steht natürlich das Sammeln von Informationen. Viele (gerüchteweise) wohl gute Anleitungen sind leider vergriffen, nur als Sammlerstücke zu finden oder kosten generell Geld, und bei meiner notorischen Sparsamkeit begnüge ich mich daher mit frei zugänglichen Spielhilfen.
Im Gegensatz zu Spielhilfen zum Ausspielen, Abenteuer vorbereiten, Aufbauen von Atmosphäre und Übungen für gute Beschreibungen sind brauchbare, das heisst konkrete Spielhilfen, die mehr sind als Propaganda des wahren Rollenspiels (also heisse Luft), für den Sandkasten im Internet nur schwer zu finden. Es gibt unzählige Artikel und Spielhilfen zum Aufbau und der Kontrolle von dramatischen Geschichten aber die Sandkastenfraktion hält sich mittlerweile insgesamt bedeckt. Vor allem unterschätzen sie allesamt den Aufwand für jemanden, der keine Erfahrungen damit hat.

An diesen Stellen habe ich mich gerüstet bevor ich mich an das Projekt gewagt habe, ein paar der Links sind mir auch durch hilfreiche Rollenspieler im Internet zugekommen:

West Marshes
Der allseits bekannte Artikel zum Aufbau der sogenannten West-Marshes Kampagne. Eine unverzichtbare Erklärung zur terminlichen Organisation, sowie Vorschläge für den Aufbau einer Spielwelt. In dieser Hinsicht ist er aber sehr theoretisch und bietet wenig praxisnahe Tipps. Vor allem gibt es kein Beispielmaterial (Tabellen,Karten..)

Kopikala Kampagne
Eine, soweit ich es verstanden habe, aus der WestMarshes Idee geborene, deutsche Sandbox vom Forenaktiven Skyrock. Im Grunde gibt es keine Tipps aber es ist ein schönes Beispiel und zudem gibt es eine Karte mit Verweis auf die Herstellungsmethode (mit der ich zugegebenermaßen wenig anfangen kann).

Grenzmarken Kampagne
Noch eine Beispielkampagne, die kürzlich einjähriges Jubiläum gefeiert hat, wenn ich micht nicht irre. Das Schöne an der Seite ist, daß hier wirklich alles online steht. Es gibt Spielweltinfos, Karten, Geschichten und Charaktere und insgesamt einen guten Eindruck in welcher Detailtiefe man sich als SL bewegen kann.

Dungeoncraft Dragon Artikel
Eine Reihe gut geschriebener Artikel aus dem Dragon Magazine. Eine wirkliche Schritt-für-Schritt Anleitung, die vor allem dadurch überzeugt, daß sie viele Beispiele gibt.

Oldguyrpg Blog - Sandbox Vorbereitung
Ein guter Blogeintrag, der versucht mit dem Mythos der Vorbereitung aufzuräumen. Das Ulkige an dem Eintrag ist, sein Anspruch ist die Widerlegung des Vorwurfes der aufwändigen Ausgestaltung der Spielwelt im Vorfeld des Spiels, ignoriert diesen dann aber nahezu vollständig, gibt stattdessen aber gute Hinweise, wie man den Aufwand während des Spiels reduziert, d.h. also nachdem die Spielwelt steht. Wie erwähnt passiert dies scheinbar vielen erfahrenen "Netzautor" SLs, die von der hohen Warte die Situation des Anfängers scheinbar verkennen und häufig (aus ihrer Sicht einfache) Dinge nicht als Probleme wahrnehmen, denn natürlich ist das Vorbereiten einer Spielwelt eine Menge Arbeit.

Belchions Blog - Gedanken zum Sandkasten
Es gibt zahlreiche Blogartikel und es wird viel theoretisiert. Dieser sei nur beispielhaft dafür (er führt Querverweise an, die zu weiteren Artikeln führen). Insgesamt gibt es wenig echte Hilfe, die ich aus diesen Stammtischdiskussionen ziehen kann, wirklich konkret möchte in diesem Bereich nämlich selten jemand werden (dann wäre der Aufwand nämlich um ein Beträchtliches höher). Aber sie geben viele Hinweise welche Konzepte und Ziele (die in ihrer Vielfalt nicht immer widerspruchsfrei sind) hinter der Spielweise stehen.

Prussian Gamers Sound Advice
Eine für mich unverzichtbare Anleitung zur Handhabe von ergebnisoffenen Konflikten vom Blogger Settembrini. Eigentlich sind es Anleitungen zum Vorbereiten von Abenteuern, allerdings wird gen Ende der Anleitung auf eine Handlungsmaschine eingegangen, mit deren Hilfe man Konfliktparteien und Ressourcen abstrakt verwalten kann. Für mich die einzig wirklich brauchbare Spielhilfe zum Thema "Relationship Maps" oder "Conflict Webs", da es handhabbar bleibt und in seiner Komplexität nicht über das Ziel hinaus schiesst, sich in Widersprüche verfängt und dadurch selbst zum Hindernis wird.

Age of Fable Zufallstabellen
Hunderte von frei zugänglichen Zufallstabellen auf dieser Seite geben eine gute Basis um eine Vorstellung davon zu bekommen, in welchem Umfang man seine eigenen aufzuziehen hat.

Ravensland Karte
Overseer Karte
Glorantha Ausschnitt
Eindrücke sind wichtig und Karten wie die obigen (googlesuche: "fantasy Maps") habe ich mir zu Hauf zu Gemüte geführt um den Detailgrad und die Dimension eines Startgebietes abzuschätzen.

Ich hoffe die links bieten einen hilfreichen Einstieg, denn nach dem Lesen und einigen Forendiskussionen ging es für mich ans Eingemachte. In den nächsten Tagen möchte ich dann das Material zusammentragen, das ich für den Sandkasten verwendet habe.

Donnerstag, 13. August 2009

D&D4 ist nicht "Hei Pauer"

Viele Vorurteile kursieren über D&D4, die es mitunter schwer machen sich konstruktiv auf einer Ebene über das Rollenspiel zu unterhalten. Eines davon ist die hartnäckige Annahme, D&D4 wäre ein stark magisches und von der Mächtigkeit stark ausgeprägtes System (nicht zu verwechseln mit Spielwelt). Vielmehr scheinen mir das aber Altlasten zu sein, die von Spielern der D&D3.5 Version in die neue transportiert werden, die D&D eben so spielen, wie sie es immer getan haben.
Doch es gibt einige Hinweise, die D&D4 im Vergleich zu Systemen wie DSA4 oder GURPS4, die als niedrig Magie verschriehene gelten, als bodenständig erscheinen lassen:


- Einzelne Standardmonster können von den Kampfwerten her mit den Helden mithalten oder ihre Fähigkeiten gar übersteigen. Nicht umsonst funktioniert D&D4 nach der Rechnung, das die Heldenanzahl an Monstern der Gruppenstufe eine Herausforderung darstellen. So genannte Elitemonster, also gute Kämpfer der entsprechenden Spezies (was selbst ein Goblinstammeskrieger sein kann) ist selbst für zwei Helden nur schwer zu überwinden. Man muss gar nicht erst die übergroßen Solomonster heranziehen um starke Gegner zu bekommen. Es gibt die Lakaienmonster, die aber nicht etwa wenig Blut in ihren Adern haben, sondern schlicht und einfach nicht zum Kämpfen ausgebildet sind und diese sind für einen ausgebildeten Kämpfer selbst in “realistischen„ Spielwelten Gegner, die man mit 1-2 Hieben überwindet. Zudem sollte man nicht dem Verdacht erliegen, sie mit schwachbrüstigen CR1/2 Monstern (CR für Challenge Rating) aus D&D3.5 zu vergleichen, denn jeder Lakai besitzt relativ gute Verteidigungswerte und kann relativ problemlos die Verteidigung eines Helden knacken. Scharmützel, bei denen die Monster nur auf einer 20 treffen, sucht man vergeblich.

- Trefferpunkte (TP) sind keine Lebenspunkte. Den vorherigen Satz am besten so oft lesen, bis man ihn nicht mehr vergisst. TP sind keine Lebenspunkte. Sie stellen das Vermögen eines Kämpfers dar, sich im Kampf zu beteiligen, sei es durch Ausdauer, gute Beinarbeit oder auch das Einstecken von Verletzungen. Da sich die TP in D&D4 aber binnen Minuten regenerieren, sofern Heilschübe vorhanden sind, kann letzteres damit nur in Ausnahmefällen gemeint sein (nämlich wenn der Charakter keine Heilschübe mehr hat). Die Helden erholen also einfach ihre Ausdauer von einem Kampf oder gewinnen ihren sicheren Stand zurück, und wie lange kann so etwas schon dauern? Es ist ohne Probleme möglich das System so auszulegen, das die Charaktere nur wenige bis einen echten Hieb aushalten können. Einen Kampf wie in DSA4, in der ein Ritter mit Rüstungsschutz12 eine beliebig lange Zeit eine beliebige Anzahl von Treffern ohne Schaden wegstecken kann, ist hier nicht denkbar.

- Zaubereffekte, die in 3.5 niedrigstufig waren, sind nun teilweise 10 Stufen höher angesiedelt oder brauchen durch die Ritualregeln 10Minuten an Vorbereitung (+ monetäre Kosten) und ein verdammtes Talent! um gesprochen zu werden. Zudem besitzen die Zauber nur kurze Wirkzeit: entweder bis zum Ende einer Runde, bis der Gegner einen Sicherungswurf schafft (was meistens auch nicht viel länger dauert), oder 10Minuten. Die Reichweite beträgt dabei nur wenige Kästchen (in der Regel 20 à 1,5 meter). Ein bis zum Horizont Wunder wirkender Geweihter aus DSA kann darüber nur müde lächeln.

- Die Zauberanzahl ist extrem gering! Ein Zauberwirker muss mit maximal 17 vorbereiteten Zaubern haushalten, auf Stufe30! Dazu gesellen sich eine Hand voll Rituale mit besagter Vorbereitungszeit. Aventurische Zauberer oder Charaktere, die mit GURPS erstellt wurden und problemlos an 40 Startzauber gelangen können, muten dagegen wie Halbgötter an. Der D&D4 Zauberwirker muss diese Zauber einmal am Tag festlegen, es gibt keine Schonungsregel für Spieler mit wenig Weitblick, ähnlich in D&D3.5, wonach ein Zauberwirker Plätze freihalten kann, um sie nachträglich zu bestimmen. Jeden einzelnen davon kann er nur einmal im Kampf wirken, einige davon sogar nur einmal am Tag und er kann jeden Zauber nur einmal vorbereiten. Im Vergleich zu anderen Spielwelten wie Aventurien besitzen die Gegner im D&D4 Monsterhandbuch zudem durchweg gute Verteidigungswerte gegen Magie, was den Schluss zulässt, daß die Magie keinen großen Einfluss auf die materielle Welt hat.


D&D4 hat in der Tat auch Brüche mit diesem Konzept, z.b. die Regenerierung der TP über Nacht, weshalb ich in meinen Runden immer die Hausregel verwende, daß TP auch über Nacht Heilschübe verbrauchen, oder die frei verfügbaren Zauber, die ein Charakter zwar immer wirken kann, die aber wenig mehr als bunte Lichter sind (als reinen Hintergrundeffekt kann man das aber wohl als “magisch„ gelten lassen). Es gibt viele magische Gegenstände, die allerdings im Vergleich zur Vorgängerversion extrem schwachbrüstig sind, da ihre Effekte nur einmal am Tag und nur einmal pro Heldenrang wirken und nicht mit anderen Effekten kombiniert werden können. Genaugenommen ist ein D&D4 Held bis auf den Verstärkungsbonus nicht auf die magischen Gegenstände angewiesen (dennoch lässt es die D&D Welten zweifellos als “magisch„ erscheinen).

Das Problem ist, das die Präsentation der Spielwelten in Bild und grundbuchferner Quellenbuchform zwecks Werbung und Wildern auch bei neuen Käuferschichten, wie quitschbunte Bilder verwöhnte Jugendliche, durch wizards of the coast zu vielen Fehlurteilen und Fehleinschätzungen führen, wie sich D&D4 spielt und was das System leisten kann. Meiner Erfahrung nach lassen sich auch viele erfahrene Rollenspieler von der Präsentation in ihrer Vorstellungskraft stark hemmen.

Insgesamt sind die Brüche aber wenige Aunahmen, die mindestens von den niedrigstufigen Hinweisen ausgeglichen werden, so daß man bei ehrlicher Auseinandersetzung mit dem Regelwerk die Behauptung, D&D4 würde in der oberen Liga der stark magischen und mächtigen Spielsysteme mitwirken, nicht aufrecht erhalten kann. Im günstigsten Fall gibt es gar keine Fokkusierung und D&D dient mit wenigen Abänderungen sowohl für ein mächtige, als auch für niedrig magische Spielwelten, was es leistungsfähig macht. Zumindest die starke Abschwächung gegenüber der 3.5 Version ist aber mehr als offensichtlich.
Es sind diese und andere Gründe, die mich auch dazu bewogen haben zu D&D4 zu greifen, um eine geplante niedrig Phantasie Spielrunde zu starten, die ich in absehbarer Zeit an dieser Stelle auch organisieren will.

Sonntag, 9. August 2009

Spielhilfe für Nichtspielercharaktere

Vor einiger Zeit gestaltete ich für mich als Spielleiter eine Hilfe, die ich immer im Blick haben wollte, um während des Spiels zufällige NCSs schnell zu gestalten und mich an die wichtigsten Elemente für individuelles Ausspielen immer und immer wieder zu erinnern, da ich so etwas gerne aus den Augen verliere.
Es hat leidlich geholfen, da ich ohnehin nicht besonders talentiert beim Ausspielen bin, aber immerhin etwas. Vielleicht nützt es fähigeren Spielern etwas mehr:
NPC Auslage


Die eingefügte Reaktionstabelle stammt aus Savage Worlds


EDIT: Ich habe den Downloadlink korrigiert. Die Datei müsste sich jetzt runterladen lassen.

Freitag, 7. August 2009

Der Zauber von DSA - verflogen

Ich bin bekanntermaßen kein Freund von Das Schwarze Auge und Aventurien, da es mir so gut wie nichts bietet, es aber omnipräsent in der Rollenspiellandschaft ist, dadurch sowohl das Ausleben meines Steckenpferdes als auch die Entfaltung des Rollenspiels als Freizeitbeschäftigung an sich lähmt. Kurzum, wenn die Welt DSA spielt, ist es nicht so einfach etwas anderes zu spielen.

Dabei war ich langjähriger DSA Spieler und habe alle Untiefen ausgelotet; es gibt wohl wenig Spieler bei denen Dauer des Spiels und Abneigung gleichermaßen hoch ausgeprägt sind (ausser in der Redaktion vielleicht) und,

ich kann die Faszination für Aventurien gut nachvollziehen!

Denn was mir wesentlich mehr zu schaffen macht: Aventurien besetzt eine Nische, die ich gerne spiele. Ich mag das ganze heimelige, deutschtümelige, mythische Spielgefühl, welches Aventurien versucht zu vermitteln. Die Vorstellung einer idyllischen, begehbaren Welt, die man auf der nach Benzin stinkenden Hauptstrasse vor der Tür nicht findet und die sich so anfühlt, als wäre man schon mal da gewesen. Ich bin mir sicher, daß es den meisten DSA Spielern so geht und es ist auch der Grund, warum es im Ausland niemals erfolgreich sein wird, da diese romantische, oftmals naturverbundene Träumerei sicher selten so ausgeprägt ist, wie bei uns1 2

Aventurien ist dabei nur so schrecklich unsauber gestaltet, daß es einen am laufenden Band aus dem Spiel reisst, wenn nicht die bei langjährigem Spiel einsetzende Abstumpfung und Trägheit von Geist und Körper einsetzt, die jedes kritische Denken und kreativen Antrieb zugunsten von leicht zugänglichem Wohlbehagen überlagert. Man nimmt die Fehler zwar wahr, kann sich aber nicht über sie hinweg setzen. Dasselbe empfinden wir, wenn man es nicht schafft sein, eigentlich seit 10Jahren ausgelegenes Lieblingssofa auf den Spermüll zu schaffen.
Dieses Gefühl wollte sich bei mir in Bezug auf DSA offenbar nie ergeben. Denn im Grunde wollte ich mehr, ich entfernte mich eigentlich nicht von der Philosophie von Aventurien, sondern die Unfähigkeit der Spielwelt seine Ansprüche zu erfüllen führten zu vollständiger Verneinung.

Es wurde viel geschrieben darüber, was Das Schwarze Auge ausmacht und wie sich die Spielerschaft an belanglosen Regelmechanismen aufhält, bei der zweifelhaften Suche nach einer Definition, dabei bin ich mir sicher, dieses Sehnsuchtsdenken und Fernweh ist die eigentliche Essenz von DSA. Das Schöne daran ist, sie ist leicht zu reproduzieren, denn sie ist nicht abhängig von Aventurien. Je näher sie an den Vorstellungen der Romantik gelehnt ist, deren Ähnlichkeiten man schwer leugnen kann, desto authentischer das Spielgefühl. Vielleicht kann man die DSA Spielerschaft sogar als eine der letzten reaktivierten Bastionen der Epoche bezeichnen.

Doch Aventurien selbst würde ich in dieser Hinsicht nur als Notlösung bezeichnen, ein Ersatz, dessen man sich bedient, wenn nichts anderes zur Hand ist oder von dem man sich wegen zuvor erwähnter Gemütlichkeit nicht mehr lösen kann. Denn Aventurien als (zufälliger) Optimalzustand der eigenen Wünsche ist aufgrund der Vielfalt der Parameter beinahe ausgeschlossen. Und welchen Grund sonst könnte es haben einen nicht idealen Zustand zu bewahren?
Die vermeintliche Zufriedenheit kann man demnach mehr als betäubtes Arrangieren bezeichnen, denn als Erfüllung der Freizeit. Schaut man sich die Akribie und fehlende Eigenständigkeit an, mit der die Spielerschaft (inklusive Autoren) versuchen ihren “phantastischen Realismus„ darzustellen, bekommt man schnell den Eindruck, daß viele DSA Spieler im Grunde gar nicht in Aventurien spielen wollen, denn jede Abweichung vom diesem phantastischen Realismus (was im Grunde nur ein anderer Name für die Romantik ist), verfremdet ja das Erlebnis (es ist ja nicht mehr "realistisch"), Aventurien selbst kann demnach nur ein Kompromiß sein, schon allein, weil es an Alternativen mangelt. Ich denke der nostalgisch verklärte Blick vieler DSA Spieler auf ihr Rollenspiel fußt in Wirklichkeit tiefer, auf die Motive besagter Kulturepoche, nur wird die mit Aventurien fälschlicherweise gleichgesetzt, wozu auch die Monopolstellung beiträgt.

Das Gefühl “angekommen„ zu sein, auf das viele DSA Spieler schwören, stellt sich sehr leicht auch in anderen, ähnlich gelagerten Spielwelten ein, vielleicht sogar besser, sofern man sich das reflektierte Denken zurückerkämpft und sich diesen neuen Platz in einigen Monaten erspielt. Diese Geduld muss man aufbringen, um erkennen zu können, daß Aventurien in der Hinsicht kein Alleinstellungsmerkmal besitzt.

Die Dominanz von DSA verhindert dabei jedoch die Abwechslung, die seine Nische nötig hätte. Veröffentlichungen, die dieselbe Nachfrage bedienen, gibt es im Grunde nicht. Glücklicherweise weiß sich der erfahrene Rollenspieler zu helfen. Was könnte besser die Ansprüche einer Runde erfüllen als eine eigene Spielwelt? Diese hat zudem den Vorteil, daß sie, von einem Spielleiter geführt, durch die Fremde auch das Reisemotiv und den Entdeckerdrang viel besser aufgreift als das unzählige Male durchgekaute Aventurien. Im Grunde können diese neuen phantastischen Welten sogar eine größere Nähe zu unserer Welt wagen, die eine stärkere Vertrautheit bewirken, was eines der zentralen Motive von Aventurien ist. In dem Moment muss ich immer an Thomas Finns Buch über die Nebelkriege denken, das so eine beispielhafte Welt illustriert. Ich empfinde dieses “Klauen aus der Realität„ auch nicht als einfallslos, wenn es stimmig und stringent umgesetzt ist (was nicht leicht ist), also daß, was es in der Welt des schwarzen Auges nicht ist.

Leider scheint diese Selbstständigkeit etwas eigenes zu schaffen in deutschen Landen nicht mehr sehr verbreitet zu sein, was nicht verwundert; oder die Ergebnisse werden unbesehen als “Heartbreaker„ verschrien, obwohl sich darunter vielleicht gute Ansätze verstecken. Dabei ist dies eine Chance, dieses urdeutsche aber verarmte Rollenspielgenre zu bereichern, damit Elan, Erfinder- und Entdeckergeist in diese Sparte des Hobbies zurückkehren, die von dem Schwarzen Auge schon zu lange okkupiert wird und sich auf seinem Erfolg ausruht.


1 : Siehe z.b. Stichwort: “der deutsche Wald„ und “Wanderlust„
2 : Studien wie www.menschwald.de/startseite.html zeigen, daß 40% der Erwachsenen sich eine enge Bindung an den deutschen Wald bewahrt haben, wohingegen 33% Distanz halten und der Rest pragmatisch denkt.

Montag, 3. August 2009

Was ist freies Rollenspiel? [Teil2]

Hier ist der zweite Teil meiner Zusammenstellung von Spielkonzepten, die ich zur Zeit im freien Rollenspiel verwende. Der erste Teil findet sich hier


Hausregeln (einfach zu modifizierende Regeln)
Mit Hausregeln beschäftige ich mich erst seit kurzem. Früher waren sie für mich ein Mittel um Fehler in schlecht geschriebenen Rollenspielsystemen zu beheben und ich glaube, die meisten Rollenspieler komplexer Regelwerke benutzen sie auch so. Gleichzeitig schienen mir simple Regelwerke einfach unvollständig und weniger leistungsfähig als komplexe zu sein. Hausregeln zu benutzen kam mir bei ihnen gar nicht in den Sinn, da ich ja nicht dem Rollenspielautor die Arbeit abnehmen wollte. Und viele Rollenspieler, die ich kenne, bevorzugen leichte Systeme eben weil es gerade kaum Regeln gibt.
Ich stieß dann darauf, daß es zahlreiche Regelsysteme gibt, die absichtlich “unvollständig” geschrieben wurden, deren Grundmechanismus aber darauf ausgelegt ist, mit Hausregeln versehen zu werden. Der Anstoß dazu gab Risus für mich, bei dem das Prinzip bis zum Exzess getrieben wird. Und mir wurde klar, daß Hausregeln nicht als Fehlerkorrektur gedacht sind, sondern als Individualisierungselement und schnelle Stellschraube; Und das so ein, an die Gruppe anpasstes System, wie ein gut sitzender Anzug ist und genau so leistungsfähig und detailliert wie ein komplexes Regelwerk mit Aberhunderten von Seiten ist, aber leichter zu handhaben. Die Regeln passen sich der Spielwelt an, nicht umgekehrt.
Schnell wollte ich auch Hausregeln in anderen leicht zugänglichen Regelwerken benutzen wie D&D4 oder Savage Worlds. Das machte mich endlich unabhängig von Regelmonstern wie DSA oder GURPS.


Detaillierte, unbekannte Spielwelten
Wenn gute Regeln die Knochen des Rollenspiels sind, sind die Spielwelten das Fleisch. Die Charakterbeziehungen sind wesentlich unterhaltsamer, wenn sie eine Bühne haben um sich auszutoben. Gleichzeitig hat man durch viele Situationen mit “Sense Of Wonder” ein charakterunabhängiges Element, mit dem man sich beschäftigen kann. Zudem bieten funktionslose, atmosphärische Details wie Rituale, Legenden, Gepflogenheiten und Kultur im Allgemeinen eine Auflockerung der Charakterprobleme und verschaffen dem Spieler ein tieferes Eintauchen in die Spielwelt. Oberflächlich ausgestaltete Spielwelten hatten für mich seit jeher keinen besonderen Reiz und auch Spielwelten in der Gegenwart meide ich größtenteils wegen des Mangels an Sense Of Wonder. Der einzige Unterschied zwischen früherem und jetzigem Spiel ist, daß ich mehr Wert darauf lege, daß die Spielwelt den Spielern zu Anfangs verschlossen ist, um den Entdeckerdrang als zusätzliche Unterhaltungs- und Motivationsquelle anzutreiben. Als Spieler möchte ich die Spielwelt im Spiel erleben und nicht ausserhalb in Texten oder gar als Unterbrechung mit den Mitspielern rezipieren. Die Gefahr, daß dies zum zentralen Element des Spiels verkommt, ist dabei sehr hoch.

Und dies nur zur Klarstellung: Ich verlange nicht unbedingt ein Verlagsprodukt und lasse mich auch auf Spielwelten von normal sterblichen Rollenspielern ein, so lange es die Welt eines Spielleiters ist, die nur er kontrolliert und leitet! Zum einen vermeidet dies Inkonsistenzen und zum anderen benötigt man auch übrige Spieler, die diese Welt überhaupt entdecken. Zuletzt hat der Spielleiter auch einen Wissensvorschub, der ihm das Spiel in seiner Spielwelt verleiden würde.


Ergebnisoffenheit
Klar, man spielt, um spannende Geschichten zu erleben. (ganz) Früher spielte ich mit dem Gedanken, daß man dies erzwingen müsste, daß überhaupt nur dieses Ergebnis zählen würde und der Abend verloren wäre, wenn man es nicht geschafft hat, die Geschichte umzusetzen. Das führte zu zahlreichen Konstrukten und vielen Fertigabenteuern, in denen es nichts zu tun gab, ausser zu erleben, wie sich die Geschichte entfaltet (die zudem nur selten besonders interessant waren). Da die klassischen Regelwerke dem jedoch im Weg stehen (viele Handlungen von Charakteren sind in den wichtigen Momenten einfach nicht erfolgreich), griff ich in den folgenden Jahren zu Myriaden an speziell gestalteten Erzählrollenspielen, deren Mechanismen sich überhaupt nur darum drehen, eine spannende Geschichte zu erzählen, hauptsächlich indem sie Erzähl- und Gestaltungsrechte verteilen (gleichzeitig eliminierten sie so viele Regeln wie möglich, damit sie nicht im Weg stünden, häufig auch die für mich interessanten Spielereien, siehe Teil1).
Und erst in den letzten Jahren wurde mir klar, daß meine Handlungen als Spieler dadurch völlig belanglos wurden, gleichzeitig machte der Erfolgsdruck jeden zweiten Abend kaputt und ich hatte es dann irgendwann satt die Ergebnisse meiner Spieleraktionen schon vorher zu wissen und spielte stattdessen ergebnisoffen. Das bedeutet, daß jede Aktion unverändert in die Spielwelt übernommen wird, mit allen Konsequenzen die sich daraus ergeben und mehr, daß niemand den Erfolg dieser Aktionen durchwinken darf, sondern allein die Würfel (und im Zweifelsfall ein neutraler Spielleiter) darüber entscheiden. Das bedeutet aber auch, daß der Spielleiter in der Lage ist, den Ereignissen die entsprechende Bedeutung beizumessen. Als Beispiel sei hier die Wildnisreise genannt, die Spielleiter oft überspringen, damit sie schnell zu einem Endkampf gelangen, weil sie nicht erkennen welche Bedeutung die Reise für die Runde hat. Er übergeht den Spieler des Naturcharakters und seine Kompetenzen möglicherweise dabei völlig, der damit kein gleichberechtigter Mitspieler mehr ist, oder der Spielleiter übersieht die Gefahren, wenn solch ein Naturcharakter nicht dabei ist und insgesamt verarmt das Spiel an abwechslungsreichen Erlebnissen.
Eine spannende Geschichte kann, muss aber nicht entstehen. Der Weg ist das Ziel und der Erfolgsdruck fällt völlig weg, wird stattdessen durch Spannung ersetzt


hiermit vervollständige ich die Konzepte, die mir im Spiel (im Moment) wichtig sind. Vielleicht findet der ein oder andere Ideen, die ihm gefallen aber zumindest sollte es keine Unklarheiten über meine Ansprüche in einer Spielrunde geben.

Der Kommentarbereich steht offen.

Samstag, 1. August 2009

Was ist freies Rollenspiel? [Teil1]

Wie ich spiele, Spielerfahrungen aus dem Nähkästchen zum Nachmachen, Nachdenken und als Information für alle jetzigen Mitspieler und die da kommen. Mir ist wichtig, daß ich weiss, was ich im Rollenspiel will, daß ich weiss was meine Mitspieler wollen und das diese wissen, was ich im Spiel haben will. Dies ist eine Grundvoraussetzung für das Spielen.

Ein kurzer Überflug über meine bevorzugte Spielweise. "Frei" bedeutet erst einmal zugänglich für alle Rollenspielkonzepte. Selbstredend schliessen sich einige Konzepte untereinander aus (mit und ohne Würfel spielen z.b.), eine Auswahl fällt in diesem Fall meinem persönlichen Geschmack zum Opfer (der sich durchaus ändern kann, so daß ich die Konzepte einfach austausche).
Grundsätzlich gibt es keinen Grund sich künstlich einzuschränken. Bedient man sich beim sogenannten "Retrospiel", oder "Sandkastenspiel", beim viel gescholtenen "Erzählspiel" oder "thematischem Spiel", in einer individuellen Mischung kann es das eigene Spiel bereichern. Viele Dinge sind trotz zahlreicher Beteuerungen von allen Seiten miteinander kompatibel. Häufig vergisst man einfach, daß nicht alles gleichzeitig stattfinden muss und man so einen Haufen Konzepte in seinem Spiel unterbringen kann, auf die man sich nie getraut hat zu verzichten. Alle diese Elemente verschmelzen mit der Zeit und dem genutzten Regelwerk zu einer Einheit, die wie ein Fingerabdruck für die entsprechende Runde ist.


Viele regeltechnische Charakteroptionen
Seit der Anfangszeit versprühen Regelmechanismen für mich eine große Anziehung. Angefixt durch hohle Versprechungen komplexer Regelwerke kam schnell die Ansicht auf, daß sich jede Situation mit entsprechend aufwändigen Regeln darstellen ließe. Davon habe ich mich nahezu vollständig entfernt. Was aber blieb sind die liebgewonnen Optionen, mit denen man einen Charakter beim Bau und Steigern ausstaffieren kann. Dies hat den Vorteil, daß man sich auch ausserhalb der Spielabende spielerisch mit seinen Charkateren auseinander setzen kann und auch währenddessen der Begriff des Spiels weiter in den Vordergrund rückt.

simulatorische Regeln
Ja, es stimmt, ich hatte immer Probleme damit das Spiel allzu abstrakt zu handhaben. Unter simulatorisch verstehe ich den physikalischen Ablauf von Handlungen, wie er in unserer Welt passieren würde, nur über andere Regeln in die Spielwelt übersetzt.
Warum es sich mit dem dechiffrieren von kryptischen Konfliktauflösungen und Einsatzmechanismen und vielen Anderen (“ich besiege den Finstermagier mit Kochen”) unnötig schwer machen und sich für Minuten auf die Metaebene ziehen lassen, wenn eine angesagte Geschicklichkeitsaktion auch einfach mal mit einer Geschicklichkeitsprobe gelöst werden kann? Und wie kann es das Spiel schädigen, wenn man das Darstellen von Berufsfähigkeiten konsequenterweise mit ein paar (einfachen) Handwerksregeln versieht?
Das hat auch einfach damit zu tun, daß ich lieber eine Figur in einer Spielwelt spiele, als von Aussen Co-Regie bei einer Geschichte zu führen.
Aber auch hier gilt, nur dort, wo es angebracht ist. Besonders Aktionen in großen räumlichen oder zeitlichen Abständen sind simulatorisch kaum zu bewältigen, in diesem Fall sind abstrakte Handhabungen durchaus von Nutzen.

Dramamechanismen
Beim Rollenspiel ziele ich natürlich über kurz oder lang darauf ab, daß ich Dinge erspiele, die im Nachhinein eine spannende Geschichte ergeben. Aber Moment mal? Wieso macht er es sich dann mit simulatorischen Regeln unnötig schwer und überlässt es dem Zufall?
Ich sehe keinen Grund der Spannung nicht ein klein wenig auf die Sprünge zu helfen, so lange – Bedingung - es den Spielverlauf nicht stört. Dies ist mit Dramamechanismen möglich, also Regeln, die sich nicht direkt auf die Handlungen von Charakteren, sondern primär auf die Steuerung der Handlung konzentrieren (d.h. Sie beeinflussen die Handlungen der Charaktere oder Ereignisse unter dem Gesichtspunkt von Spannung). Schicksalspunkte in jedweder Form oder Sonderrollen für Spielercharaktere sind dafür ein hervorragendes Mittel.

Dies beisst sich in keinster Weise mit simulatorischen Regeln, fügt sich gar harmonisch zusammen, denn durch ihre begrenzte Anzahl und/oder unsicheren Erfolg sind die Dramamechanismen, die ich nutze, lediglich eine Unterstützung bei der Entstehung spannender Geschichten in dem sie den Zufall beeinflussen, der durch rein simulatorische Regeln über kurz oder lang sowieso zu einer spannenden Geschichte führt. Dramamechanismen verkürzen nur die Wartezeit ohne Beliebigkeit, Willkür oder andere Spielereinfluss entwertende Handhabungen ins Spiel zu bauen.


Gemütlichkeit
Ich bin es Leid geworden Rollenspiel ausschliesslich als Leistungssport zu betreiben. Man tut dem Spielspass keinen Gefallen wenn man sich Vorgaben setzt, die es für den Abend zu erfüllen gilt. Es lenkt vom Spiel ab und führt zu enttäuschten Erwartungen, was den Anspruch an den nächsten Abend konsequenterweise ein Stück nach oben hebt, bis die Kluft soweit auseinander ragt, daß man sie nicht mehr überbrücken kann und das Spiel somit zur Qual wird.
Es gibt viel mehr Möglichkeiten seinen Charakter in das Spiel zu bringen als man meint. Vor allem, man hat mehr Einfluss auf die Ereignisse der Spielwelt als man meint. Aber selbst wenn man nicht im Mittelpunkt steht, kann man unter guten Bedingungen die Ruhe des Moments genießen. Die einzige Voraussetzung für mich vom Gas gehen zu können sind ein regelmäßiger, wöchentlicher Spieltermin und eine gut eingespielte Runde.

Figuren und Spielmaterial
Spielsteine und Karten für den Tisch beschleunigen das Spiel in immenser Weise, vermitteln ein vielfaches der Informationen von verbaler Kommunikation und behindern, wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, die Vorstellung in keiner Weise. Spieler, die in der Lage sind sich die Würfel, Zettel, Süßigkeiten und Mitspieler wegzudenken und sie durch eine phantastische andere Welt zu ersetzen, sollten kein Problem damit haben Spielsteine in diese Welt zu transferieren. Ich kann dieses Gegenargument daher nicht mehr ernst nehmen.
Mein Erstkontakt mit Figuren und Spielmatte war nach jahrelangen, vergeblichen Erzähl- und Skizzenversuchen und Vorurteilen durch den Kontakt mit den falschen Spielen und Leuten mit D&D3.5 wie eine Erleuchtung. Mit Spielmaterialien sind allerdings nicht ausschliesslich diese beiden Klassiker gemeint. Spielmarker für Ausrüstung und Zeit, Handzettel oder gar Requisiten können auch dazu gezählt werden. Während die letzteren Beiden vor allem konkrete Vorstellungen schaffen, vermitteln Erstere ein gutes Verständnis für Mengenabschätzungen und Vorrausplanung.


Dies sei nur als Anreiz gedacht sich einen eigenen Satz zusammenzustellen. Kein Grund sich als Retro oder sonstwas-Spieler von Anderen abzugrenzen. Die Kategorien einer Spielweise, die im Internet umherschwirren können entweder immer nur eine sehr grobe Annäherung sein, so daß sie bedeutungslos sind, oder so eng gefasst, daß sie bereits eine Zusammenstellung einer einzelnen Spielrunde sind, die es zu gewisser Prominenz gebracht haben, was natürlich bedeutet, daß 99,99% aller real existierenden Spielweisen gar nicht erfasst werden und man ebenso häufig ein blaues Wunder in einer neuen Spielrunde erlebt, wenn man darauf vertraut. Rollenspiel ist viel zu empfindlich und fragil, als das eine Spielweise jenseits einer Spielrunde Gültigkeit besäße, obwohl es zweifelsohne Überschneidungen gibt. So mache ich mein Wohlgefallen immer von einzelnen Aspekten oder an einer Komposition einer Spielrunde abhängig.


Ende Teil 1
Im Folgenden vervollständige ich meine Spielschlagworte mit

Ergebnisoffenheit

Hausregeln

Taktik und Strategie

unter Anderem