Dienstag, 14. April 2015

Gedanken zu: Einen Profi als SL?

Ich möchte de Malspölers interessante Erwähnung des professionellen Spielleiters (spielleiten für Geld) nicht kapern, aber die Gedanken, die mir dazu im Kopf schwirren, sind zu umfangreich für einen knapp bemessenen Kommentarbereich.

In den US of A formieren sich weitere Versuche, das Rollenspiel als Dienstleistung anzubieten. Eine Geschäftsphilosophie, mit der man vor allem im Feld Dungeons & Dragons schon bei Wizards of the Coast und vorherigen Lizenzinhabern in langer Tradition wiederholt auf die Nase gefallen ist.
Allerdings mit verbunden Augen. Aus vollem Lauf. Abwärts über eine Schotterpiste.
Also schauen wir noch einmal unvoreigenommen auf den Spielleiter als Auftragnehmer. Mir ist das Konzept vor einigen Jahren, auf Eigeninitiative vereinzelter, deutscher Communitymitglieder, schon einmal aufgefallen. Ich weiß leider nicht, wie es sich für diese Leute gerechnet hat. Ich kann auch nichts dazu sagen, ob überhaupt ein Markt dafür in Deutschland besteht, ob so ein Job zukunftssicher ist oder ob man mit einem möglicherweise 40 std.-Mindestlohn + Familie über die Runden kommen kann (aber das werden die meisten deutschen Arbeitnehmer in den nächsten 10 Jahren sicher selbst ausprobieren dürfen) oder ob es nur als Zubrot langt. Des Weiteren sind auch noch Anfahrtskosten einzurechnen.
Aber rein inhaltlich wurde es schon damals heiß diskutiert und dabei kommen mir wieder folgende Bedenken in den Sinn.
Der Fokus der Verantwortung verschiebt sich noch weiter in Richtung des Spielleiters.
Lange, lange Jahre haben Gegenströmungen zum Spielkonzept des Spielleiters, der als omnipotenter Allesentscheider eine chaotische Bande von Spielspaßverderbern zu bemuttern hat, daran gearbeitet, die Spielrunde und Spielleiter als Einheit zu betrachten, die zusammen und gleichberechtigt an einem Strang zieht. Dies wurde mit Erzählspielen, sog. Player Empowerment oder spielleiterlosen Rollenspielen versucht. Und auch, wenn ein Großteil dieser Versuche aufgrund zahlreicher Inkonsequenzen zum Scheitern verdammt war, nicht zuletzt weil sie die Notwendigkeit des Spielleiters verneinten, so war es doch löblich, das Selbstverständnis der Rollenspielrunden im Allgemeinen einmal umzukrempeln.
Warum hat man das gemacht? Zum Einen, weil ein Spielleiter eine wirklich undankbare Arbeit hat. Er muss sich um buchstäblich alles kümmern, wofür sich die Spieler nicht zuständig erachten (also so ziemlich alles). Zum Anderen, weil das Konzept des Spielleiters als Alleswisser und Allesentscheider in der 40+ jährigen Geschichte des RPGs noch nie funktioniert hat. Tatsächlich funktionierte es immer genau dann gut, wenn 
1. Spieler keine eigenen Ansprüche hatten und alle Entscheidungen mittrugen (dementsprechend aber auch kaum mitarbeiteten) und
2. Die Rollenverteilung ohnehin sofort aufgebrochen wurde, sobald die Spieler ein gewisses Selbstverständnis entwickelten und Mitgestaltungsrechte einforderten

Im Grunde war die Befreiung der Spieler aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit also lediglich eine Ausformulierung der Mechanismen, die unter dem Deckmantel des "Rollenspielprinzips" ohnehin durchgehend angewendet wurden.

Diese Fortschritte werden nun wieder mit Füßen getreten. Warum nun überhaupt noch etwas tun, wenn man sich doch alles kaufen kann? Mehr noch: War es zuvor eine Gemeinschaftsveranstaltung, wird das Rollenspiel fortan gleichgesetzt werden mit dem professionellen Spielleiter. Eine Trennung ist kaum mehr möglich.
Wie hat man sich so einen professionellen Spielleiter vorzustellen? Ich denke - und darauf wird es hinauslaufen - ein wenig wie einen professionellen Geschichtenerzähler (ja, die gibt's). Die Kompetenzen werden sich auf Plotentwicklung von Abenteuern und Kampagnen, Erstellen von Herausforderungen (Dungeons, Kämpfe, Rätsel etc.pp.) konzentrieren, aber mehr noch auf die Stimmungsmache. Erstere beiden Aspekte sind das Standardrepertoire jedes halbwegs guten Spielleiters, aber gerade in Letzterem kann ein wirklich guter Entertai... sorry, Spielleiter einen großen, qualitativen Unterschied zu dem Nerdkumpel von nebenan anbringen. Schauspielerische Leistung, Musik, Verkleidungen, Kerzen im Hintergrund. Sicher wird er ein Köfferchen dabei haben. Ein wenig so, als würde man sich einen Zauberer für den Kindergeburtstag bestellen.
Und es kann ja auch wirklich spannend werden, ein wirklicher Mehrwert. Nur ist das eben eine kurzfristige Show, an der die Spieler nur noch zweitrangig beteiligt und notwendig sind.
Mit welchen Herausforderungen hat so ein professioneller Spielleiter zu rechnen, wie flexibel ist er? Kann er sich auf jedes Spielsystem einstellen? Bestellt man ihn mitsamt seiner Spielwelt oder seinen ihn präferierten Regeln? Wie das in der Realität am Spieltisch funktioniert, steht zurzeit noch offen.
Bestehende Spielrunden mit langjährigen Kampagnen haben dabei einen unbezahlbaren Vorteil, den Verlage und Unternehmen nicht gerne hören: Sie sind aufeinander abgestimmt. Sie kennen ihre Spielvorlieben, ihre Macken, sie spielen ihre eigenen Spielregeln und entwickeln ihre Spielwelten selbständig weiter. Erfahrungsgemäß würde ich bei wöchentlichem Spielen 3 - 5 Monate Zeit einrechnen, die nur dazu dient, dass sich die Runde untereinander kennenlernt, eine Linie findet und eine gemeinsame Spielphilosophie erarbeitet hat.
Das alles kann eine Person, die unvorbereitet als Unbekannter dort hineingeworfen wird, gar nicht ab dem ersten Spieltag leisten, ohne alles auf den Kopf zu werfen. Und ein mitgebrachtes oder fertiges Rollenspielprodukt schon dreimal nicht. Es hat durchaus seine Gründe, warum sich das Rollenspielhobby den Konsumideologien verschließt, wie auch Tagschatten kürzlich bemerkte. Rollenspiel steht für Beständigkeit, in dem jeder neue Aspekt (so auch neue Mitspieler) erst einmal ein Störkörper ist. Eventuell wird sich das Angebot also auf Kurzkampagnen oder One-Shots - die naturgemäß geringere Anforderungen haben - beschränken, sofern keine mittel- bis langfristigen Verträge vorliegen.

Ich stehe dem professionellen Spielleiter nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Momentan sehe ich die Nische für professionelle Spielleiter aber eher in kurzfristigen Aufträgen, in der er eine personalisierte Effektshow für seine Zuschauer abfeuert. Unter diese Prämisse fallen wohl auch die geplanten, professionellen Spielleiter als Babysitter. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich auch langjährige Spielrunden so einen Spielleiter für ein paar Spielabende einkaufen, um ihre eigenen, kreativen Batterien wieder aufzuladen. Aber eine langfristige Zusammenarbeit oder ein professioneller Spielleiter, der eine bestehende Kampagne (Spielwelt+ Spielregeln) übernimmt, kann ich mir bei den hohen Anforderungen an so eine Aufgabe im Moment nur schwierig vorstellen.