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Samstag, 30. November 2013

RPS-Blogs Karneval [Nov2013] Was in aller Welt ... ist Dallol?

Dieser Beitrag von Was in aller Welt ... erscheint im Rahmen des RSP-Blogs Karnevals November 2013 zum Thema "Über Stock und über Stein und die Wildnis".
Informationen zum Thema und Platz für Kommentare und Kritik finden sich hier. Ein Eröffnungsbeitrag des Organisators Teilzeithelden ist hier zu finden. Und eine Beschreibung des RSP-Blogs Karnevals kann hier nachgelesen werden.


Wenn Rollenspieler an Wildnis denken, dann denken sie meist an einen gemütlichen Spaziergang durch Wald und Wiesen, gelegentlich auch durch Wüsten oder über Berge. Das viele Regionen ohne Erschließung dabei quasi unpassierbar sind, ist dem deutschen Wanderer dabei weniger bewusst. Dementsprechend abwechslungsarm gestalten sich dann auch die sogenannten Wildnisabenteuer.
Dabei gibt es sogar Regionen und Phänomene auf unserer Erde, die nicht so recht auf unsere blaue Kugel zu passen scheinen und die man eher in Science-Fiction und Fantasy Filmen erwarten würde. Genügend Material, um die "Wildnis" seiner Spielwelt aufzupeppen, ohne die Glaubwürdigkeit zu verlieren.




Dallol

Räumlich: [ca. 4 km²]
Vorkommen: In vulkanisch aktiven Regionen mit evaporitischen Ablagerungen
Gefahrenpotential: [minder gefährlich]
Zeitskala: [~ Miozän bis rezent]
Klima: [Wüste (arid)]

Was ist Dallol?

Q: http://atlasobscura.herokuapp.com/ (creative commons)
Nein, Dallol ist ausnahmsweise kein Netzjargon, sondern je nach Definition eine geothermisch aktive Region oder ein Vulkan in Äthiopien; am heißesten Ort der Erde. In einer mehrere Quadratkilometer umfassenden Senke, welche sich ca. 50 m unterhalb der Meereshöhe in der Danakil-Depression befindet, bildeten sich in flachen Tümpeln und Seen bizarre Kristallstrukturen in grellen Farbtönen in lebensfeindlichen Bedingungen.


Wie entstand Dallol?
(nicht Simulationisten können das auch überspringen)

Die Danakil-Depression befindet sich am nördlichen Ausläufer des Ostafrikanischen Grabens. Das im Untergrund aufsteigende Magma wird dort in wenigen Millionen Jahren die afrikanische Platte in Ost-West-Richtung auseinanderschieben. Das Grundwasser kann aufgrund der Aufweitung (welches einer Gründe für die Absenkung des Grabens ist) in die entstehenden Spalten und Klüfte eindringen und kommt dabei in Kontakt mit dem heißen Umgebungsgestein des Magmas. Das nun gasförmige, heiße und leichte Volatil dringt dann wieder an die Oberfläche. Dies kann in Form von Fumarolen, Geysiren, heißen Quellen oder einer sogenannten, phreatischen Eruption geschehen, wenn schlagartig große Mengen Wasser verdampfen. Die dadurch enstehenden Krater kennt man auch als Maar (z.B. in der Eifel). Eben jene Explosion geschah zuletzt auch in Dallol 1926 und erzeugte mit lediglich 30 m Durchmesser den jüngsten Maar in der Region.

kleiner Geysir (Q: Tom Pfeiffer)

Um die Oberflächenstrukturen zu erklären und warum wir diese nicht in der heimischen Eifel finden, muss man einen Blick auf das Gestein werfen. Im Untergrund befinden sich über 1000 m mächtige, evaporitische Ablagerungen, das sind überwiegend Kalkstein, Gips, Anhydrite und Halit (Salz). Dies sind Überbleibsel des damals noch jungen, roten Meeres, welches die Region in den letzten Millionen Jahren wiederholt flutete, durch die andauernden und extremen Temperaturen wieder austrocknete und die gelösten Stoffe in unzähligen feinen Schichten ablagerte. 

30 Meter hohe Salzcanyons nahe Dallol mit deutlicher Stratigraphie (Q: photovolcanica.com)

Diese Evaporite (und zum Teil auch weiteres Umgebungsgestein), ebenso wie die flüchtigen Bestandteile des Magmas, werden durch die aufsteigenden, heißen Wässer gelöst. Durch die extremen Temperaturen an der Oberfläche (mit einer Durchschnittsjahrestemperatur von über 30° C !), aber auch durch Druckverlust, verdunsten die Wässer innerhalb kurzer Zeit in die Atmosphäre, wobei die gelösten Stoffe erneut auskristallisieren. Die grellen Gelb-, Grün- und Rottöne entstehen dabei unter Anderem durch Schwefel- und Erdalkalisalze, deren Bausteine aus dem Gestein gelöst wurden und je nach Temperatur und Konzentration ein Potpourri unterschiedlichster Formen annehmen kann Die Kristallisation wird dabei durch das ruhige, strömungslose Wasser in den flachen Tümpeln begünstigt.


 Eigenschaften (und Gefahren) des Dallol-Gebietes

Lässt man die absolut lebensfeindliche Wüstenregion außen vor, so zeichnet sich das Dallolgebiet durch eigene, extreme Bedingungen aus. Die Austrittstemperatur des Wassers liegt bei ca. 70° C und läd damit nicht unbedingt zum Baden ein. Durch die hohen Salzgehalte weist das Grundwasser außerdem pH-Werte um 0 bis 1 auf und ist damit eine starke Säure, eignet sich also genausowenig zum Auffrischen der Wasserrationen.
Durch die zusätzlich austretenden, vulkanischen Gase und durch die Temperaturen bedingte, sehr hohe Verdunstungsrate, ist die Luft nur schwer atembar und lebensgefährdend und greift durch die Schwefeldämpfe Haut und Material an.
Da die Salzschichten im Untergrund durch das Auswaschen sehr porös sind, kollabiert das Gelände und bildet die charakteristischen Kraterstrukturen. Der Untergrund ist nicht standfest und ein Einbrechen in gelöste Hohlräume und ein Bad in der Säure oder Verletzungen an scharfen Kristallgraten sind schnell geschehen.

http://www.messagetoeagle.com/images/alienlandscapedv5.jpg
instabile Salzplattform (Q: Tom Pfeiffer)

http://www.xflo.net/wp-content/gallery/20100329_Ethiopia/5S3J4613_Dallol.jpg
verfärbtes Wasser mit Salzschollen (Q: Florian Wizorek)

Nicht zuletzt können sich phreatische Explosionen wie im Jahre 1926 unvermittelt und jederzeit wiederholen, beschränkt sich zurzeit aber auf eine Vielzahl von heißen Quellen und Geysiren. Eine Vorhersage ist allenfalls innerhalb einer nur sehr kurzen Zeitspanne möglich.



 Einsatz im Rollenspiel

Um eine Reisegruppe an die Grenzen ihrer Belastbarkeit zu bringen und das mit wenig Aussicht auf Wiederkehr (daraus leitet sich auch der Name Dallol her), ist ein durch und durch lebensfeindliches Gebiet mehr als ausreichend. Im Falle von Dallol hält sich die unmittelbare Gefahr glücklicherweise in Grenzen, da sich das Gebiet auf wenige Quadratkilometer beschränkt. Jedoch ist die Natur in Größenordnungen nicht wählerisch, so dass es denkbar ist, dass wesentlich größere Landstriche sich in diese oder ähnlich bizarre Landschaften verwandeln.
Nicht zuletzt ist die Region auch ein wirtschaftlicher Faktor der Salzgewinnung und mit zunehmender Industrialisierung auch weiterer Chemikalien. In der Tat ist die Menge an verfügbaren Salzen dort so groß, dass zum Teil sogar Häuser aus Salzblöcken gebaut wurden.

Hausruine, erbaut aus Salzblöcken (Q: photovolcanica.com)

Anmerkung: 
Die Galerie-Links unten solltet ihr euch nicht entgehen lassen.




Quellen:

Mehr Bilder
http://www.photovolcanica.com/VolcanoInfo/Dallol/Dallol.html

noch  mehr Bilder!
http://www.messagetoeagle.com/alienlandspacedallolvolcano.php

Smithonian Institution, Global Volcanism Program (GVP) 
http://www.volcano.si.edu/volcano.cfm?vnum=0201-041

Geologischer Hintergrund
http://geology.com/stories/13/dallol/

Ein Reisebericht
http://www.xflo.net/2010/04/15/dallol-acid-volcano/



Freitag, 1. April 2011

Internationale Expedition entdeckt Eingang zur Hohlwelt! [Was in aller Welt ... ist Hang Son Doong?]

Ein internationales Team aus Wissenschaftlern, Höhlenforschern und Trägern erkundet 2010 den Zugang zu einer anderen Welt, der bereits 1990 entdeckt wurde und erst 2009 in einer ersten Expedition genauer untersucht werden konnte. Das Portal wurde von dem Einheimischen Ho Khanh als Junge durch Zufall entdeckt, der, obwohl er im undurchdringlichen Dschungel Vietnams aufwuchs, die genaue Position nur schwerlich wieder auffinden konnte.
"... watch out for Dinosaurs" warnt Jonathan Smis, das britische Mitglied der ersten Expedition, als er das zweite Mal die unterirdische Dschungelwelt betritt. Eine steile Felswand zwang das erste Team 2009 zur Rückkehr und so bewahrte die verlorene Höhlenwelt ihr Geheimnis vorläufig vor den neugierigen Blicken der wissenshungrigen Entdecker...

Hang Son Doong

Räumlich: [ca. 5 km Länge]
Vorkommen: In feuchtem Klima mit massigen Kalksteinschichten
Gefahrenpotential: [gefährlich]

Zeitskala: [vor 2-5 Mio. Jahren bis rezent]
Klima: [feucht]

Was ist Hang Son Doong?

Ein stetiger, heulender Wind strömt aus dem unscheinbaren Eingang der größten Höhlenpassage der Erde. Hang Son Doong, grob ins englische übersetzt "Mountain River Cave", ist eine lediglich knapp 5 km lange, nahezu gerade verlaufende Höhle mit jeweils zwei Ausgängen. Sie liegt in Zentralvietnam, im ca. 900 km² großen Nationalpark Phong Nha-Ke Bang nahe der Grenze zu Laos. Der weltbekannte Park umfasst ein Netz von über 150 Kalksteinhöhlen, von denen viele nicht erforscht sind.

Passage der Hang Son Doon Höhle. Die Deckenhöhe beträgt bis zu 220 meter, die Wände sind nahezu senkrecht. Herabgefallene Blöcke erreichen die Größe von Häusern, (Q: Carsten Peter)

http://de.wikipedia.org/wiki/Phong_Nha-Ke_Bang
Lage des Phon Nha-Ke Bang Nationalparks in Vietnam, (Q: Wikipedia)


Die Homepage des Nationalparks Phon Nha-Ke Bang:
http://www.phongnhakebang.vn/en/default.aspx

Worte und Bilder können die Dimensionen des Naturphänomens Hang Son Doong sicher nicht adäquat beschreiben und selbst vor Ort muss dies schwer fallen. Die erste Expedition hatte eine steile Felswand, die den Weg behinderte, um ganze 65m zu niedrig geschätzt, wie die jüngste Expedition feststellen musste. Erste, präzise Lasermessungen ergaben eine Maximalweite der Kammern von über 100 metern und eine Gesamthöhe von ca. 220m Höhe mit senkrechten Wänden, was die Passage vermutlich zur größten Höhle der Welt küren wird. Deckeneinstürze, Dolinen, schufen Oberlichter mit über 100 metern Durchmesser in einer Höhe von über 300 Metern zur Oberfläche, auf deren Grund gebäudehohe Felsbrocken Berge aus Geröll aufhäuften. Innerhalb dieser Lichtfenster bildeten sich isolierte Dschungel, in denen sich die Pflanzen durch die Anpassung an die trockeneren Bedingungen äusserlich völlig von ihren Pendants an der Oberfläche unterscheiden.

Die Decke liegt so hoch, daß das Licht der starken Taschenlampen geschluckt und sich Wolkenfetzen an der Felsdecke bilden, die wie ein schwarzer Nachthimmel wirken soll. Im Dunkeln spüre man den Raum und im Licht lässt sich die Entfernung und Größe von Objekten nur schwer einschätzen. Die Sichtlinien reichen innterhalb der Passage um mehr als einen Kilometer weit! Freier Höhlenraum der Flugzeugstaffeln den Durchflug erlauben würde, auf dessen Grund man ganze NewYorker Häuserblocks von 40 Stockwerke hohen Gebäuden errichten könnte bilden den Großteil der Passage. Entlang des gesamten Höhlengrundes fliesst ein Strom, der in Regenzeiten zur reissenden Flut anschwellen kann.
Klein und unscheinbar und schwindelig muss man sich beim Verlust jeglicher Perspektiven und Vergleichsmöglichkeiten für Entfernungen und Zeit fühlen. Der Mensch ist dort seiner alltäglichen Erfahrungen mit Größenverhältnissen enthoben, die wir in der Natur und im Alltag für so selbstverständlich halten.

http://ngm.nationalgeographic.com/2011/01/largest-cave/largest-cave-interactive
Eine interaktive Karte zum eigenen Erkunden der Höhle. Sehr empfehlenswert, (Q: National Geographic)

http://www.youtube.com/watch?v=o-iZ6WJeqhE&feature=player_embedded

Eine dreidimensionale Fahrt durch die Architektur der Hang Son Doong, (Q: National Geographic)

Wie entstand Hang Son Doong?

(nicht Simulationisten können das auch überspringen)

Der Entsehungsmechanismus der Höhle ist an sich nichts ungewöhnliches. Die Frage, die sich stellt, ist, wie die Höhle solche Dimensionen erreichen konnte. Der Phong Nha-Ke Bang Nationalpark schliesst eine Karstregion mit mächtigen Kalksteinschichten mit ein. Das Wasser, welches sich beim Eindringen in den Boden durch gelöstes CO2 ansäuert, löst den Kalk an den zahllosen Klüften des Gesteins, welche eine Angriffsfläche bieten und erweitert diese im Laufe von Millionen Jahren zu dem, was wir Tropfsteinhöhlen nennen.

https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgS4zgWcIQqlJpdkNof0B2QKoHKfwLzcMdyddqik3iwEBR8iivQThdtJKzYa4cdh67nSJ9TvnC0xDqMq5_NwpkxVw7ux0hlaODuwc8IqWp50eOmhCHu_VniNOuXipf8J7XI0-_ljbCx9uMv/s1600/Untitled-1.jpg Die Stalakmiten und Stalaktiten erreichen Höhen von 20 Metern und mehr. Der Mensch wirkt hier klein und auf die demütigen Verhältnisse eines Insekts reduziert (Q: Carsten Peter)

https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgHGvPcHUPrPVhHbK-aTPk7fqPH50VrwF78T6OPry9fyLvFIuYtw3-DNmYZNLTq8yLyHFjqyBoRYXN0tYkaPdyCNMq2leU6fTqUMRlZlQKDpB-3uF57vrc4mhBTYeqchvrWHTyrDI9UMjQf/s1600/Untitled-8.jpg

Kalkstein ist durch tektonische Bewegungen von zahlreichen, geraden Klüften durchzogen und weist häufig Schichtlagerung auf, was eine hohe Durchlässigkeit für Grundwasser ermöglicht, (Q: Carsten Peter)

Die mächtigen Kalksteinschichten, welche vor ca. 460 Mio. Jahren im Silur in einem Ozean abgelagert wurden, wurden durch die Kollision von Indien mit Asien vor 40-50 Mio.Jahren gehoben und somit der Witterung ausgetzt. Das feuchte Klima Vietnams und der regelmäßige Monsoon ermöglichten kontinuierliche Erosionsprozesse. Die Hebung führte zur Bildung zahlreicher, viele Kilometer langer Störungen, welche man als schräg stehende, planare Grenzflächen in der Erdkruste bezeichnen kann. Diese natürlichen Schwachstellen sind erosionsanfälliger und Hang Son Doong folgt einer eben solchen Störung von ca. Norden nach Süden. Die Höhlenpassage bildete sich vermutlich vor 2 bis 5 Mio. Jahren. aus dieser einzelnen Störungszone. Ein ganz ähnlicher Mechanismus wurde bereits im Beitrag Blue Holes beschrieben, nur daß sich diese Struktur nun oberhalb des Meeresspiegels befindet. Die Oberlichter mit ihren isolierten Dschungeln bildeten sich dort, wo das Gewölbe sein eigenes Gewicht nicht mehr tragen konnte. Das Geröll verlangsamte das reissende Wasser und ermöglichte dadurch erst die Ansiedlung von Flora und Fauna, welches ansonsten fortgespült worden wäre.

https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiS9hUA2-qa-larH3zMlGLt6DaDthU_FF3IMg05Z1ZYb1TNKzV9czvSjb9c68Vf8ydpnpktyqUrIy1liPf7hX5J532gcpquw8TAFYrx8fQwDubYFYB105v-OeSrm9XwBOFsrpAhccCGoBam/s1600/Untitled-7.jpg
Das Geröll der herabgestürzten Blöcke staut und bremst das Wasser, so daß sich Pflanzen unter dem eindringenen Licht ansiedeln können, (Q: Carsten Peter)

Trotz des vielen Wassers sind die Bedingungen für Pflanzen und Tier eher trocken, da die Klüfte des Kalksteins das Wasser schnell ableiten. Die Pflanzen unterscheiden sich durch die Anpassung daher äusserlich deutlich von denselben Spezies an der Oberfläche, sie fallen schlanker, sparsamer aus und strecken sich höher, dem Licht entgegen.

https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEis8tnkWpw4oJ_CA2OEh7nWhoZskVi0IPsdTf75s3PpDxd3TOBRtfMiaLuHrYFSu7dt1EojkdoPCA9fgQ6AVpgl4OO804vHMGRJ1RjVgHRD4o3WiR5DUiiey89Cd6niKWDzz7L6PcO6vv4T/s1600/Untitled-16.jpg

Eindrücke des Dschungels, der sich am Grund der ca. 300 meter tiefen Höhle angesiedelt hat, (Q: Carsten Peter)

http://www.youtube.com/watch?v=4dJhZiWgmTk&feature=related

Videoaufnahme aus dem Inneren einer der 100 m durchmessenden Dolinen. Der Dschungel wuchs in ca. 300 m Tiefe. Die starken Temperaturschwankungen zwischen Höhle und Tageslicht lassen das Wasser auf Kameralinsen schnell kondensieren, was die schlechte Bildqualität erzeugt, (Q: Youtube, anhtaivu)


Eigenschaften (und Gefahren) von Hang Son Doong


Höhlenforschung ist niemals ein sicheres Unterfangen und die Gefahren in Tropfsteinhöhlen sind zahlreich. Stürze von rutschigen Gesteinsblöcken in hundert meter tiefe, gähnende Abgründe drohen dem Unvorsichtigen. Steinbrocken von der Größe eines Hauses können sich unvermittelt aus der zerklüfteten Höhlendecke aus schwindelerregender Höhe lösen.

In der Regenzeit oder auch in unberechenbaren Regengüßen zum Ende der Trockenzeit kann der Strom, der die Höhlenpassage aus dem Gestein schnitt, den Wasserpegel ansteigen lassen und Wege abschneiden oder den Halt unter den Füßen wegziehen. Genaue Wettervorhersagen sind trotz der Isolation von der Oberwelt daher unverzichtbar. Die Feuchte Luft kann die Höhlenwände anlösen und zu porösem Schlamm werden lassen, aus denen Kletterhaken herausrutschen.
In der Dunkelheit der Höhlenwelt ist nur langsames, vorsichtiges Vorrankommen möglich.Die zweite Expedition von zwei Dutzend Personen schaffte ca. 1 km pro Tag. Für die insgesamt lediglich 10 km lange Strecke benötigte man eine Woche. Eine exakte Planung der Nahrungsrationen und Materialien ist lebensnotwendig und Energiereserven für Licht der beste Freund.


Einsatz im Rollenspiel

Vorsicht vor Dinosauriern, einer besseren Inspirationsvorlage, ähnlich Doyles Romans "Lost World", bedarf es eigentlich nicht. Man stelle sich die Zugänge noch isolierter, die Pflanzenwelt noch abgeschiedener vor, so kann sich in so einem Habitat ein eigenes Ökosystem entwickeln, wie es sich die Biologen zunächst erhofften. Angemerkt sei, daß sie dennoch vorraussichtlich eigene Spezies von oberflächennahen Asseln und Insekten entdecken konnten.

Spinnen wir dies weiter in die Rollenspielwelten, ist es ohne weiteres möglich, abgeschiedene Zivilisationen in einer derartigen Höhlenwelt unterzubringen, die von der Größe her Siedlungen unterbringen könnte, ohne den Realismus allzu sehr zu strapazieren. Vor dem unheilverkündendem Heulen der Höhleneingänge, erzeugt durch die blanken Steinwände und das bewegende Wasser, schreckten die Einheimischen lange Zeit zurück, im Vietnamkrieg boten die Höhlen jedoch Schutz vor den Bombenteppichen der Amerikaner.

Warum nicht mal ein Szenario spielen, dessen Beginn innerhalb des Höhlensystems beginnt und man die ersten Schritte an die Oberfläche macht. Ein unterirdischer Bunker, ähnlich der Endzeitwelt des Falloutsettings oder der vergleichbaren Kears von Earthdawn sind nicht allzuweit hergeholt. Oder wie würde sich eine Gemeinschaft die Welt vorstellen, die die Aussenwelt nur durch ein riesiges Oberlicht an der Höhlendecke kennt, das es aber niemals passieren kann? Viele der Höhlen Vietnams sind bis heute nicht erforscht, niemand weiss, wieviele noch nicht entdeckt wurden. So ist es problemlos denkbar, daß Entdeckungen noch größerer Dimensionen vor uns liegen.


[Darum ist Geologie so spannend. Die Realität stellt wie üblich die meisten Fantasyvorlagen in den Schatten. Man muss nicht abschweifen, um unsere Welt zu verlassen, ohne sie zu verlassen. Die Natur macht uns wieder einmal vor, was es heisst auf dicke Hose zu machen.

Der zugrundeliegende Bericht, der nebenbei kein Aprilscherz ist, auch wenn ich versucht habe, es darauf anzulegen, hatte mich sofort fasziniert und ich konnte endlich wieder den nicht geringen Aufwand betreiben, ein phantastisches, geologisches Phänomen zu recherchieren. Was in aller Welt... sind unregelmäßige Beiträge zum Weltenbau und Sandboxspiel, die als Spielleitermaterial einen Ausblick auf glaubwürdige Möglichkeiten und Argumente bei der Gestaltung geben sollen.

Eine Erklärung zur Nomenklatur der Stichworte findet sich hier.

Die übrigen Beiträge zum Thema finden sich hier oder im rechten Menu.]


Wer die ganze Expedition nochmal Revue passieren möchte, sei auf diese phantastische, sehr informative, kamerabegleitende, für den Laien verständliche Dokumentation verwiesen

http://www.youtube.com/user/DDHecht#g/c/673C2317E8D5B1EF
(Q: Youtube)



Kommentare, Ideen oder Vorschläge hierzu? Schreibt es in die Kommentare oder im RSP-Blogs Forum

Sonntag, 25. Juli 2010

Was in aller Welt... ist ein Hoodoo?

Auf den letzter Drücker habe ich wieder einen Beitrag fertig gestellt und mein "Monatssoll" erfüllt ;) Dieses mal gibt es etwas weniger gefährliches, aber fürs Rollenspiel kulturell verwertbareres, wie ich finde. Dies zeigt auch, welchen Einfluss die leblose Natur auf das Leben der Menschen hat. Auch abseits von großen Naturkatastrophen. Ich würde wie immer gerne Hundertschaften von Bildern benutzen, jedoch fehlt mir der Platz und die Erlaubnis, von daher sei eine eigene Bildersuche mit den gegebenen Schlagworten angeraten. Es lohnt sich.

Was in aller Welt... ist eine Beitragsreihe, in der nicht alltägliche Naturphänomene, die man zum Aufpeppen von Rollenspielkampagnen und Spielwelten benutzen kann, kurz erklärt werden. Auch und gerade, wenn es sich um Fantasywelten handelt. Natürlich kann man sie auch nur einfach so lesen. Die anderen Beiträge finden sich im Menu unter "Was in aller Welt..."


Hoodoos

Räumlich:
[einige Meter bis zehner Meter]
Vorkommen:
In felsigen Trockenregionen mit vulkanischen Ablagerungen
Gefahrenpotential:
[minder gefährlich]
Zeitskala:
[teils rezent bis wenige zehner Millionen Jahre]
Klima:
[Arid bis Subarid]

Was ist ein Hodoo?


Nein, Hoodoo ist nicht etwa verwandt mit der afrikanischen Religion des Voodoo, geschweige denn mit der afroamerikanischen Religion Hoodoo, sondern bezeichnet eine faszinierende Gesteinsformation, die gar den Eindruck von kreativer Energie weckt Als Hoodoo, Balance Rock oder Feenkamine (Fairy Chimney) bezeichnet man eine voluminöse Felssäule, dessen Spitze ein massiver, optisch abgesetzter Fels als Hut ziert. Der Hut setzt sich in manchen Fällen durch hohen Farbkontrast von der Säule ab und unterstreicht das Aussehen eines riesigen Pilzes aus Stein. Die Höhe kann zwischen Mannshöhe und einem mehrstöckigem Haus variieren. Centimeter große Hoodoos lassen sich vom reinen Entstehungsmechanismus zwar auch als solche einordnen, es ist aber nicht üblich, sie so zu bezeichnen.

http://lh6.google.com/sstojanoski/RxfpZdeB53I/AAAAAAAAByg/514eBekbCW4/438198596Sjpduv_fs.jpg
Hoodoos in Kappadokien, Türkei (Q: adventurelogger.blogspot.com)

Hoodoos sind Erosionserscheinungen, die unter ganz bestimmten, aber gar nicht so seltenen, Bedingungen entstehen können. Sie können in Gruppen von vielen hundert Säulen auftreten. Und so faszinierend die Frage auch ist, wie ein kegelförmiger Fels auf die Spitze einer Felssäule gelangen kann, eine Frage, die viele Völker in ihren Legenden mit dem Wirken von Riesen und Fabelwesen erklären, so einfach ist doch die Antwort.

Bekannte Hoodoos finden sich in Kappadokien, Türkei, Djavolja Varos in Serbien oder im Grand Staircase-Escalante National Monument in Utah.

http://parkerlab.bio.uci.edu/pictures/photography%20pictures/2009_03_Coyote%20Buttes/IMG_0909_tweak.jpg

Schlanker Toadstool Hoodoo , Rimrock, Escalante, Utah (Photo: Ian Parker)

http://files.myopera.com/mildz/albums/416511/007.jpg

Djavolja Varos, die Teufelsstadt, Hoodoos von 10 Metern Höhe, Serbia (Q: Mildz Blog)


Wie entsteht ein Hoodoo?

(nicht Simulationisten können das auch überspringen)

Hoodoos finden sich auf dem geeigneten Felsgestein und im geeigneten Klima und treten selten alleine auf. Sie bilden sich vorwiegend in aridem und subaridem Klima, also einer Umgebung, in der die Verdunstung den Niederschlag in einem Großteil der Monate übersteigt. Auf speziellen Gesteinsgrund entstehen dadurch sogenannte Badlands.

http://kartikraja.com/wp-content/uploads/2010/06/BadlandsNationalPark.jpg

Badlands National Park, South Dakota (Q: Kartik Raja)

Diese Landschaftsformen sind durch große Trockenheit, steile Felsgrate, Schluchten und wenig Vegetation gekennzeichnet. Letzteres ist von entscheidender Bedeutung, da die Gesteine ohne Bewuchs verstärkt der Wind- und Wassererosion ausgesetzt sind. Starke Sonneneinstrahlung kann die Gesteinsverwitterng beschleunigen. Eine große Höhenlage auf Hochplateaus begünstigt ebenfalls die Erosionskräfte.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d3/Cappadocia_Turkey_2.jpg

Hoodoo mit „Baskenmütze“ im Hochland von Kappadokien, Ürgüp, Türkei (Q: Wiki commons)

In diesen Trockenregionen kommt es periodisch zu sehr starken Regenfällen, währenddessen große Mengen von lockerem, nicht durch Pflanzen befestigem Material abgetragen werden und die tiefe Erosionsrinnen auswaschen, die für die zerklüftete Landschaft verantwortlich sind (auf diese Weise ist auch der Grand Canyon entstanden). Ob nun eine Schlucht oder z.b. ein Hoodoo entsteht, entscheidet sich am Felsgestein. Große, kleinräumige Unterschiede in der Erosionsresistenz begünstigen diese eher obskuren Formationen.

http://i1.trekearth.com/photos/25117/fairy_chimneys_.jpg

Aussergewöhnliche Hoodoos in Göreme, Türkei (Photo: Ricardo Lopes)
[Anm.: Der Link funktioniert mal wieder nur, wenn man ihn in die Addresszeile kopiert. Ich habe keine Ahnung, woran das liegt]

Sie treten typischerweise dort auf, wo unterschiedliche Effusivgesteine (also Vulkangesteine) übereinander abgelagert werden. Dazu sollte man wissen, daß die meisten vulkanischen Eruptionen durch einen Wechsel des Ausbruchsverhaltens geprägt sind. Es können sich innerhalb kurzer Zeit lockere Pyroklastika und flüssiges Ergussgestein (also Lava) abwechseln und so den charakteristischen Lagenbau bilden. Im Hoodoo schlägt sich dies häufig als gut zu erkennendes Streifenmuster nieder.

http://academic.emporia.edu/aberjame/struc_geo/euro_north/n_euro44.jpg

Schichtlagerung des Laacher See Vulkans, Eifel, hier ohne Festgesteine (Photo: J.S. Aber)

Aus den lockeren Auswürfen entsteht ein Tuffgestein, aus Lava hingegen massiver, resistenter Basalt. Manche Tuffe sind so porös oder schwach verfestigt, daß man sie mit bloßer Hand zerdrücken kann. Als Folge von Spannungen, Frostsprengungen und anderen Belastungen entstehen Risse im Basalt, durch die Wasser eindringen kann, und so den lockeren Tuff darunter fort spült. Dem Zufall ist dann überlassen, ob an bestimmten Stellen einzelne Basaltbrocken liegen bleiben und so den Tuff unter sich wie ein Regenschirm vor Erosion schützen, so daß eine isolierte Säule entsteht.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/4/42/Hoodoo_Formation.jpg

Skizze zur Entstehung von Hoodoos (Q: Wikimedia)

Der schützende Basalt erhält dabei durch meteorische Wässer häufig die hutartige Kegelform, während äolische Erosion die Säule abrundet. Als Schutzkappe können auch andere resistente Vulkangesteine wie Ignimbrit (verfestigte Ascheströme) dienen. Die Schutzkappe kann auch aus einem einzelnen härteren Vulkanfels (eine sogenannte Bombe oder Block) bestehen

http://files.myopera.com/mildz/albums/416511/014.jpg

Hoodoo mit einem Block als Schutzkappe, Djavolja Varos, Servien (Q: Mildz Blog)

Mit fortschreitender Erosion wird die Felssäule immer dünner bis der Gesteinsdeckel schlussendlich hinunter fällt.

http://parkerlab.bio.uci.edu/pictures/photography%20pictures/2009_03_Coyote%20Buttes/IMG_0649_tweak.jpg

The Camel's Head, Upper White Rocks – Escalante, Utah (Photo: Ian Parker)

http://images.travelpod.com/users/eastcoastrod/turkey.1155923460.hot_air_balloon_10.jpg

Hoodoos in Kappadokien. Gut zu sehen ist, daß die Kappen als ehemals durchgehende Gesteinsschicht entlang einer Höhenlinie liegen (Q: Eastcoastrod)


Einsatz im Rollenspiel

Von Hoodoos geht an sich wenig Gefahr aus, es sei denn man gehört zu den Unglücklichen, die bei einem äusserst seltenen Felssturz daneben stehen oder daran herum klettern, weshalb ich auf eine Beschreibung der Gefahren verzichte. Im Rollenspiel geben sie dennoch eine Menge her, nicht nur, weil sie als Erscheinung sogar den phantastischen Charakter einer Fantasywelt unterstützen, sondern weil der Mensch früh wusste, sie sich zu Nutze zu machen. Daher folgt eine kurze Beschreibung einer zum Rollenspiel geeigneten Stätte.

Tuff ist äussert leicht zu bearbeiten und in fast jede gewünschte Form zu bringen. So entstand z.b. in Kappadokien, einem Gebirgshochland in der Türkei, das altbyzantinische Matiana, das heutige Göreme, ein ganze Stadt, die in die 10-20 Meter durchmessenden Säulen gemeiselt wurde und viele Stockwerke tief ist.

http://www.hottnez.com/wp-content/uploads/2009/02/2229867107_3ef30e40d9.jpg

Höhlenstadt Göreme, Türkei (Q: Pan Pan_TW, Flicker)

http://farm1.static.flickr.com/105/290534342_f8353760a7.jpg

Wohnhaus in einen Hoodoo aus Tuffstein geschlagen, Uchisar, Türkei (Q: ex_novo)

http://www.ecoturkey.com/images/thums/Cappadocia_Town_-_2.jpg

Die „moderne“ Stadt Göreme (Q: EcoTurkey.com)

Grundlage der Stadt sind Vulkanausbrüche, die im Miozän (vor 10Mio.J.) anfingen. Bereits zu hetitischer Zeit war die Region besiedelt und es gibt Anzeichen, daß bereits eine Besiedlung um 8000 vor Christus stattgefunden hat. In den künstlichen Höhlen herrschen gleichbleibend kühle Temperaturen, so daß sie als Vorratsräume und Keller dienen können. Die Gänge sind vielfach miteinander verbunden und können sehr komplex sein.

http://www.kaymakli.net/YeraltMap3.gif

Ausschnitt der Höhlenstadt Kaymakli, Türkei

http://farm2.static.flickr.com/1102/1172696039_485b978da1_o.jpg

Detailkarte der Metropole Kaymakli, Türkei (Q: BLDGBlog)

http://www.planetware.com/i/map/TR/cappadocia-underground-map.jpg

Querschnittschema der Stadt Derinkuyu, Türkei

Die Schächte führen bis hinab ins Grundwasser und sorgen so für eine gesicherte Wasserversorgung. Die Höhlen wurden ebenso als religiöse Anlagen wie z.b. Grabstätten genutzt. Als eines der wichtigsten frühchristlichen Zentren finden sich viele Wandbilder, Basiliken, Kirchen und Kapellen in den Kavernen.

http://www.hottnez.com/wp-content/uploads/2009/02/untitled-16.jpg

Höhlendecke der St. Peter Kirche in Görme, Türkei (Photo: Flicker, Traces in the Sand)

http://farm1.static.flickr.com/55/127834460_4eb0b495e6.jpg

Frühchristliche Malereien, Göreme, Türkei (Q: Shapeshift, flicker)

In den verwinkelten Stollen entstanden viele Geheimräume und Verstecke, so daß die Stadt auch als Fluchtburg benutzt werden konnte. Bereits in byzantinischer Zeit konstruierten christliche Gruppen enge Schächte bis zu Räumen hoch unter die steinernen Kuppen, wo sie sich verstecken konnten. In Ermangelung einer Erklärung in späterer, türkischer Zeit enstand so der Mythos der Feenkamine. Die Vorzüge der Stadt verschafften ihr überregionale Bedeutung, so daß sie sich zu einem bunten, kulturellen Schmelztiegel entwickelte. Im Umland enstanden über 50 solcher unterirdischen Höhlenstädte, ein Beispiel wie der einfache Fels das Leben der Menschen beeinflusst.

http://www.rincondelmisterio.com/wp-content/uploads/derinkuyu2.jpg

Gänge in der Stadt Derinkuyu, Türkei

Die Geschichte der Stadt Göreme ist so reichhaltig, daß ich sie hier nicht wiedergeben kann, jedoch findet sich unter folgendem Link buchstäblich Alles, was man im Allgemeinwissen über die Stadt wissen kann:

http://www.kapadokyaforum.com/de_info.php

Parallelen zur Felsenstadt der T'Skrang in der Spielwelt Earthdawn drängen sich hier auf, und sie zeigt, wie man eine solche Vorlage mit unwirklicher Architektur im Rollenspiel umsetzen kann.


Samstag, 19. Juni 2010

Was in aller Welt ist .... ein Blue Hole?

Besser spät als nie. Eigentlich fehlt mir die Zeit lange Blogartikel zu schreiben und ich hatte schon vor längerem angekündigt mich kürzer fassen zu wollen. Mal schauen, ob es mir diesmal gelingt.

Bei meinem letzten Eintrag gab es das Mißverständnis, daß dies der erste Artikel der Was in aller Welt... Reihe wäre. Tatsächlich sind es deren fünf. Ihr findet sie, wenn ihr in den Kategorien rechts auf "Was in aller Welt..." klickt. =====>

Ich hab immer noch Probleme mit dem Zeilenabstand, die Blogsoftware scheint sich willkürlich einzeilig oder 1,5 zeilig auszusuchen. Wenn jemand eine Lösung dafür hat, freue ich mich über einen Kommentar.


Blue Holes

Räumlich: [bis zu viele zehner km langes Höhlensystem]
Vorkommen: In Regionen mit küstennahen Karbonatplattformen
Gefahrenpotential:
[minder gefährlich]
Zeitskala: [rezent]
Was ist ein Blue Hole?

Heute wird es blau. Sehr blau. Ich übersetzte den Begriff bewusst nicht, weil es sich um eine Art Fachbegriff handelt. Ein Blue Hole gehört zu diesen Phänomenen, die man fasziniert endlos lange anstarren kann, um sich zu fragen, wie so etwas entsteht, und dabei die Zeit zu vergessen. Dabei ist die Lösung vergleichsweise einfach, wenn man in langen Zeiträumen denkt.

(Luftaufnahme des Great Blue Hole in Belize, (Q: Wikipedia)

Ein Blue Hole ist ein Spezialfall einer Senke im Kalkgestein, einer sogenannten Doline, und zwar handelt es sich um ein von Oberflächenwasser oder Grundwasser überflutetes Höhlensystem. Der kreisförmige Einstieg täuscht darüber hinweg, daß sich darunter ein verzweigtes, viele Kilometer langes Höhlensystem befinden kann. Ein Blue Hole kann über 100 Meter steil nach unten ragen, wodurch die dunkelblaue Färbung des Wasser neben den flachen Archipelen besonders hervorsticht.


Der Begriff Blue Hole wird nicht einheitlich verwendet. Man kann sie grob in die Kategorie Ocean Blue Hole und Inland Blue Hole einteilen, wohingegen, wie der Name schon sagt, ein Ocean Blue Hole vornehmlich mit Meerwasser an der Küste und ein Inland Blue mit Süßwasser (Oberflächenwasser oder Grundwasser) gefüllt ist. Inland Blue Holes werden auch als Cenoten bezeichnet. Es gibt noch zahlreiche andere Klassifikationen, die wir hier aber nicht durchgehen müssen. Es sind keine einmaligen Erscheinungen und es sind tausende von Blue Holes und Cenoten auf der Welt bekannt, mit der höchsten Dichte in der Karibik und Zentralamerika.

http://www.laputanlogic.com/images/2004/02/17-YAYD0T2N00.jpg
(Zacaton Cenote, Mexiko, Quelle: Ann Kristovich)

Die meisten und größten Blue Holes findet man auf den Bahamas und in Belize. Das tiefste Blue Hole der Welt mit über 300m Tiefe ist der Zacaton in Mexico.


http://www.stoneaerospace.com/news-/pictures/ZacatonMission05152007-001.jpg
(Scan des Zacaton, Nasa Mission DEPTHX, Quelle: Stone Aerospace/ Team DEPTHX)


http://www.stoneaerospace.com/news-/news-zacaton-mission3-01.php
(NASA Missionsbericht von DEPTHX, Quelle: Stone Aerospace)

Wie ensteht ein Blue Hole?

(nicht Simulationisten können das auch überspringen)

Der Entstehungsprozess von Blue Holes setzt viele zehntausend Jahre in der Vergangenheit an, die Grundlagen jedoch bis zu viele hundert Millionen Jahren. Günstige Vorraussetzungen zur Bildung finden sich auf Karbonatplattformen. Dies ist ein sedimentärer Körper, der sich aus Kalkgestein im Flachwasser in feinen Schichten übereinander ablagert. Das Kalkgestein entsteht durch den Metabolismus von Mikroben oder aus den Skeletten von sessilen (festsitzenden) Lebewesen wie Korallen. Während man die Blue Holes theoretisch in jeder Klimazone antreffen kann, bilden sich die Riffplattformen nur in warmen Gewässern (was das Vorkommen der Blue Holes durch die Bewegung der Erdplatten natürlich einschränkt). Die Plattform bildet qausi eine solide, massive Platte.

Im Laufe der letzten Eiszeiten, das letzte Eismaximum war vor 20.000 Jahren, senkte sich der Meeresspiegel um bis zu 130 Meter. Dadurch fielen einige der alten Riffplattformen trocken. Besonders alte Strukturen sind aufgrund von Spannungen von Rissen durchzogen, in die Oberflächenwasser eindringen kann und den Kalk auflöst, so daß Karsthöhlen entstehen. Das tatsächliche, prominente Loch, das man heute vorfindet, kann dann entstehen, wenn eine solche Höhlendecke kollabiert.

http://farm2.static.flickr.com/1220/713701474_cabe787b55.jpg

(ein "trockener Einstieg" in einen Cenot, nach dem Einsturz einer Höhlendecke, Quelle: Cesar Ramos)

Im Laufe der ausgehenden Eiszeit stieg der Meerespiegel wieder an und füllte die Höhlensysteme. Äquivalent geschah dies mit Grundwasserschwankungen auf dem Festland.



Eigenschaften (und Gefahren) der Blue Holes

Blue Holes und Cenoten sind ein Paradies für Taucher. Die Höhlenstruktur reicht von einfachen Systemen, wie das des Guardian Blue Holes auf Andros Island auf den Bahamas bis zu hochkomplexen verzweigten Systemen.


http://www.tamug.edu/cavebiology/Bahamas/caves/images/GuardianMap.jpg
(Karte des Guardian Blue Hole, Quelle: Brian Kakuk)

Tauchgang
(Tauchgang in einem Cenot nahe Playa del Carmen, Mexiko, Quelle: Rob Laddish)

Berühmt sind die Cenoten der mexikanischen Bundestaaten Quintana Roo und Yucatan. Dort finden sich an die 1000 Cenoten von wenigen zehner Metern bis wenigen hundert Metern Tiefe und die vermutlich größten Unterwasserhöhlensysteme der Welt, das Ox Bel Ha und das Sac Actun mit jeweils ca. 180km Länge.

http://www.caves.org/project/qrss/sacactun2004.jpg

(Höhlensystem des Sac Actun, Quelle: QRSS, 2004)

http://wetworx.nl/Cavemaps/Ox%20Bel%20Ha%20total.gif

(Höhlensystem des Ox Bel Ha, Quelle: GEO)

Diese unterirdischen Flusssysteme fliessen wie alle Flüsse Richtung Ozean und sind mit unzähligen Oberflächeneinstiegen verbunden, die längst nicht alle erforscht sind, da sie im Dschungel Mittelamerikas nur schwer aufzufinden sind und nur wenige Meter groß sein können.

http://www.elrivalinterior.com/actitud/Nutricion/cenotes-tulapina.jpg

(ein im Dschungel versteckter Einstieg in das Höhlensystem von Ox Bel Ha, Tulapina Cenot, Quelle: podwodne groty Blog)

Da die Bedingungen meist anoxisch, also sauerstoffarm, sind und zudem wenig Licht in die Höhlen dringen kann, finden sich weniger Lebensformen vor, als im Licht durchfluteten Flachwasser. Sie wirken aber nur auf den ersten Blick tot. Neben Kleinstlebewesen oder Krebsen findet man tatsächlich sogar Großlebewesen wie Manatees, Seekühe, in den mexikanischen Höhlensystemen vor, die im Flachwasser und den Flussläufen Mittelamerikas leben und die durch bislang unbekannte Zugänge von der Küste in die Unterwasserhöhlen eindringen.

http://photo.starnet.ru/Thematic_Wallpapers/Zhizn/Vodnyj_mir/Lastonogie/images/MANATEE.jpg

(eine Manatee, hier an der Küste. Durch Unterwassereinstiege können sie bis in die Höhlensysteme vordringen)

In Blue Holes können sich Landfossilien aus der Zeit vor der Überflutung finden lassen, wie zuletzt in 2007 ein 1000-4000 Jahre altes Landkrokodil auf Abaco Island auf den Bahamas.

http://i.livescience.com/images/071207-croc-skull-02.jpg

(Schädel des ~2500 Jahre alten Landkrokodils von Abaco Island, Quelle: Nancy Albury, The Antiquities, Monuments and Museums Corporation)

Blue Holes sind ungefährlich, so lange man sich nicht in sie hineinbegibt. Die einfachste Art im Höhlensystem eines Blue Holes in Schwierigkeiten zu geraten, ist sich ganz einfach zu verirren. Man muss bedenken, daß das Höhlennetz sich in alle Richtungen erstrecken kann und das Wasser die Möglichkeit bietet, sich frei nach oben und unten zu bewegen. Aus diesem Grund führen Taucher eine Führungsschnur mit sich. Nicht selten gibt es eine Trennschicht zwischen salzigem Meerwasser und süßem Grundwasser darunter, die wie eine zweite Wasseroberfläche wirkt, an der sich das Licht bricht, wodurch sich Taucher schnell aus den Augen verlieren können.

http://www.gue.com/files/page_images/expeditions/Exploration/Cave/mexico/030_DSCF0033.jpg

(unwirklicher Tauchgang im Höhlensystem von Ox Bel Ha, Quelle: D.Riordan)

Eine weitere Gefahr sind starke Strömungen, besonders in den küstennahnen Blue Holes, die den Gezeiten ausgesetzt sind. Durch die Turbulenzen können selbst kleinere Boote hinuntergezogen werden. Durch die stark unterschiedliche Weite der Höhlengänge können zudem selbst schwache Strömungen in engen Passagen einen hohen Druck erreichen, so daß es passieren kann, daß man zwar in eine Öffnung hinein, aber nicht zurück schwimmen kann.



Einsatz im Rollenspiel

Ich muss Rollenspielern sicher nicht mehr erklären, wie sie Höhlen einsetzen können, daher nur ein paar und Anregungen.

In Ermangelung natürlicher Erklärungen waren die Cenoten für die Maya in Yucatan der Einstieg in die Unterwelt. Die opferten den kreisrunden Abgründen unter anderem Goldgegenstände und andere Schätze. Auch Menschenopfer sind nachgewiesen. Nicht zuletzt siedelten sich die Maya in der Nähe der Cenoten an, da diese in der Trockenzeit die einzige Wasserversorgung waren.

Die Eingeborenen Bahamaer deuteten (und tun es angeblich noch heute) die Blue Holes als "Blaslöcher", hervorgerufen durch das Ungeheuer Lusca, ein mythisches Wesen halb Octopus, halb Hai, welches vermutlich auf die Funde gestrandeter Riesentintenfische zurückgeht. Das "Atmen" des Ungeheuers, welches man in den Blue Holes wahrnimmt, lässt sich durch Gezeiten, Strömungen und Wasserspiegelschwankungen erklären, ebenso wie ein whirlpoolartiges Sprudeln in diesen Höhleneingängen. Dennoch ist es eine Steilvorlage für einen cthulhoiden Mythos.

Zuletzt angemerkt sei eine äusserst nützliche Spielhilfe, eine Sammlung verzeichneter Unterwasserflusssysteme, die zum Teil oben schon verlinkt wurde.

http://wetworx.nl/Cavemaps/cavemaps.html

(Quelle: www.wetworx.nl)

Die Genauigkeit der Karten schwankt stark, jedoch finden sich wunderbare Exemplare, die man 1:1 als Dungeonkarten benutzen kann.


http://wetworx.nl/Cavemaps/Sac%20Actun%201.jpg
(Ausschnitt des Sac Actun Höhlensystems, Quelle: www.wetworx.nl)



Schlussbemerkung:

Naja, wie es aussieht habe ich allenfalls ein Viertel an Text eingespart. Ich mag keine halben Sachen, und werde wohl auch das nächstes Thema wieder gründlich behandeln. Dementsprechend bitte ich um Geduld, da ich mir keine wöchentliche Frequenz leisten kann.

Danke fürs lesen und abgetaucht...

Samstag, 8. Mai 2010

Was in aller Welt ... ist ein Tsingy?

Wieder habe ich gestöbert und recherchiert, um ratlosen Spielleitern und Weltenbastlern abwechslungsreiche Module zu bieten, mit denen man eine Fantasyspielwelt authentisch aufpeppeln kann.
Was in aller Welt... ist eine Beitragsreihe, die ich in unregelmäßigen Abständen (circa 1mal pro Monat) schreibe, wenn die Zeit da ist, um ausgefallene geologische Phänomene zu präsentieren und um zu zeigen, daß man nicht so weit in die High Fantasy abschweifen muss, um eine viel buntere, abwechslungsreichere Welt hier bei uns zu finden.

Wie immer verzichte ich weitestgehend auf direkte Einbdingung der Bilder um mir Urheberrechtsprobleme zu sparen. Es lohnt sich dennoch ausserordentlich sich die Bilder anzuschauen.

Der Eingangsbeitrag und die Erklärung der Kurzbegriffe zur Reihe findet sich hier
http://hochistgut.blogspot.com/2009/12/was-in-aller-welt.html



Tsingy de Bemaraha – Der steinerne Wald

Räumlich: [circa 1500km² Fläche]
Vorkommen: In Regionen mit karbonathaltigen Massengesteinen unter Einfluss von Grundwasser und starken Regenfällen.
Gefahrenpotential: [minder gefährlich]
Zeitskala: [rezent]
Klima: [humid oder sub-arid]

Was ist der Tsingy?
Im Madagassischen ist dies eine Abkürzung und bedeutet soviel wie "auf den Zehenspitzen gehen". Es handelt sich um eine geomorphologische Besonderheit im Westen von Madagaskar im Nationalpark Tsingy de Bemaraha. Wesentlich eingängiger ist der Name steinerner Wald, wo wir dann auch schon fast wieder beim Rollenspiel wären.
Beide Begriffe sind treffend, handelt es sich doch um eine ca. 1500km² große, flache Karstlandschaft, die von wenigen metern breiten Klüften durchzogen ist, die bis zu 120m tief sein können und in messerscharfen Kanten und Spitzen ausgeprägt sind. Im Untergrund befindet sich ein viele hundert km verlaufendes Höhlensystem, schmale Schluchten, natürliche Brücken und eine Vielzahl unterschiedlicher Verkarstungensformen treten dagegen an der Oberfläche auf.

(Großaufnahme über dem Tsingy de Bemaraha, Quelle: Dan Shapley)

http://image02.webshots.com/2/1/0/24/51110024OXBukY_ph.jpg
(Luftbild des Tsingy de Bemaraha, keine Quelle)
[Anmk: Manchmal scheint der link nicht zu funktionieren. Die Zeile in den Browser kopiert funktioniert seltsamerweise aber einwandfrei]



Wie enstand der steinerne Wald?
(nicht Simulationisten können das auch überspringen)

Eigentlich benötigt man nur zwei Dinge: Das richtige Gestein und die richtigen Witterungsverhältnisse. In Wirklichkeit ist alles wie immer natürlich viel komplizierter, aber betrachen wir einmal nur diese beiden Bedingungen.
Das Gebiet des steinernen Waldes wird aus flach abgelagerten Massenkalken von ca. 400 Meter Mächtigkeit aufgebaut. Diese enstanden im Jura vor über 150Mio. Jahren, als sich Madagaskar vom afrikanischen Koninent trennte. Die Kalke wurden als Riffkalke organisch abgelagert, der Begriff Massenkalk bezieht sich insbesondere auf die Mächtigkeit der Gesteinsschicht. und auf eine geringe Porösität. Das Klima von Madagaskar liegt in der tropischen Zone und ist von moderat hohen Niederschlägen, sowie Zyklonen geprägt.

Unter diesen Vorraussetzungen kann eine Karstlandschaft, wie im Bemaraha Nationalpark in den letzten Millionen Jahren entstehen. Unter Verkarstung versteht man das Lösen und Verwittern von Karbonatgesteinen (auch Sulfaten und Salzen) durch Kohlensäure. Die Kohlensäure entsteht durch das in der Atmosphöre befindliche CO2, das sich im Wasser löst. Anzumerken ist, daß die Verkarstung zu einem großen Teil unterirdisch durch das Grundwasser geschieht.

http://www.lasochres.se/Bildarkiv/Afrika/Madagaskar/Tsingy_nationalpark_2_big.jpeg
(Verkarstung an Massenkalk im Tsingy National Park, Die Auflösung findet senkrecht und waagerecht statt. Quelle: www.lasochres.se)

Karstlandschaften sind auch in unseren Landen weit verbreitet, was die Bedingungen in Madagaskar aber besonders macht sind zum Einen die erwähnten starken Regenfälle und die Ausrichtung der Risse im Gestein. Jedoch ist der steinerne Wald nicht einmalig, vergleichbare Landschaften finden sich in Neu Ginea, Kenia, Brasilien oder China, wie den Shilin (chinesisch für Steinwald, wer hätte es gedacht?), der ebenfalls dem Monsun ausgesetzt ist.

http://www.wak.ch/news/img/2009/chinareise_2009/shilin/shilin2.jpg
(Kalksteintürme im Shilin in Südchina Photo: Jürg Wiesendanger 2009)

Gehen wir noch ein wenig ins Detail. Der Tsingy verläuft im Norden des Manambolo Flusses, die Landschaft besitzt (bzw. besaß) somit eine hohe Grundwasseroberfläche. Schaut man sich den Verlauf der Klüfte genauer an, fällt schnell auf, daß diese hauptsächlich entweder von NE nach SW oder senkrecht darauf von NW nach SE verlaufen (die Richtungen haben etwas mit den Spannungen zu tun, dem das Gestein ausgesetzt war, worauf wir nicht eingehen müssen).

http://neatorama.cachefly.net/images/2009-11/limestone-towers-madagascar.jpg

(Luftbild des Tsingy de Bemaraha. Gut zu erkennen ist der parallele Verlauf der Klüfte in zwei Hauptrichtungen, Photo: Stephen Alvarez / National Geographic)

Diese Klüfte entstanden nicht etwa durch die Verkarstung, sondern existierten bereits vorher als kaum sichtbare Risse im Gestein. Das Wasser konnte sowohl von unten als Grundwasser, als auch von oben während der starken Regenfälle eindringen und so die Risse durch Lösung des Gesteins immer weiter öffnen.
Zusätzlich konnte das Wasser in die ehemaligen Schichtgrenzen der Kalksteine eindringen, die sich einst wie ein Stapel Papier übereinander lagerten und das Gestein waagerecht korrodieren.

http://www.weezgo.com/blog-voyage/wp-content/uploads/2008/01/tsingy.jpg
(Laterale Verkarstung im Tsindy de Bemaraha. Beim darüber Laufen sind diese Schwachstellen kaum sichtbar, Quelle: Laurent Evain, www.weezgo.com)

Die Verkarstung findet also im Inneren des Kalksteins, wie an der Oberfläche, gleichzeitig statt.
Im folgenden Comic-Diagramm sind einige Entstehungschritte der Tsingy Klüfte leicht verständlich dargestellt, die Bilder sind jeweils von links nach rechts zu lesen:

http://img402.imageshack.us/img402/2070/grikeentstehung.jpg
(Schema unterschiedlicher Kluftbildungsmechanismen durch Verkarstung, Quelle: Márton Veress et.al. 2008)

Jede dieser Stadien findet sich in der Landschaft wieder und je breiter und tiefer, desto älter sind die Klüfte. Das Regenwasser führt dazu, daß sich an der Oberfläche die charakteristischen, messerscharfen Grate ausbilden, wie im folgenden Schaubild erklärt:

http://img88.imageshack.us/img88/8366/tsingyspitzen.jpg
(Gratentstehung durch Regenwasser im Ankarana Tsingy, Veress et.al 2008)



Eigenschaften (und Gefahren) des steinernen Waldes

Neben den bereits erwähnten messerscharfen Graten seien vor allem die unsichtbaren Gefahren erwähnt. Der korrodierte Kalkstein kann an vielen Stellen instabil sein. Nicht zuletzt entstanden viele der Klüfte, in dem die dünne Decke eines Hohlraumes ins Innere brach. Dasselbe gilt natürlich für die übrig gebliebenen natürlichen Brücken.

http://img153.imageshack.us/img153/4964/natrlichebrcke.jpg
(Natürliche Brücken im Tsingy de Bemaraha, die durch Korrosion des Unterlagers entstanden sind, Veress et.Al.2008)

Während der starken Regenfälle, können sich die tiefen Klüfte zudem blitzschnell mit reissendem Wasser füllen und eine tödliche Falle für jeden darstellen, der auf dem Grund der Klüfte herumirrt.
Die Klüfte selber können extrem schmal sein und ihre Begehbarkeit kann von Meter zu Meter wechseln.

http://www.wak.ch/news/img/2009/chinareise_2009/shilin/shilin4.jpg
(Eine Höhle im Shilin, Südchina, Photo: Jürg Wiesendanger 2009)

Zusammen bilden sie ein Netzwerk, in dem man sich schnell verirren kann. Die Ausmaße der Klüfte reichen von wenigen Zentimetern bis einigen Zehner Metern Breite und wenigen Metern bis zu 120 und mehr Metern Tiefe.

http://c0170351.cdn.cloudfiles.rackspacecloud.com/16686_4067_m.jpg
(Am Grund des Grand Tsingy, Tsindy de Bemaraha National Park, Photo: Megan Kearney)

Der Wasserhaushalt des Gebietes ist trotz des tropischen Klimas sehr trocken, da das Wasser sehr schnell in den Rissen ablaufen kann und das Gestein kaum porös ist und so gut wie kein Wasser aufnehmen kann. Tatsächlich würde sich eine Karstlandschaft bei großer Porösität nicht ausbilden, daß das Gestein sehr schnell komplett aufgelöst werden würde.
Infolgedessen gibt es nur wenig Flora und Fauna. Zwischen den Klüften kann jedoch ein sogennnter Trockenwald gut gedeihen. Trockenwälder sind vergleichbar mit Savannenwäldern oder Dornwäldern und sind die Heimat besonders robuster Sträucher und Bäume, die skurrile Formen bilden können.


Einsatz im Rollenspiel

Für Spielleiter sind die steinernen Wälder, eingeschränkt durch ihren Entstehungsraum, der hauptsächlich in der tropischen Zone liegt, vor allen zur Ausschmückung exotischer Länder interessant. Davon abgesehen sind die Entstehungsbedingungen relativ frei, so lange man sich an die wichtigen Parameter (massives Kalkgestein + schlechtes Wetter und hohes Grundwasser) hält.
Auf Reisen kann es eine verlockende Abkürzung sein, sich in das Kluftlabyrinth eines steinernen Waldes zu begeben, oder gar über dessen Spitzen zu wandern, wo man den örtlichen Gefahren ausgesetzt ist.

Viele der Klüfte sind zudem nicht bis zur Oberfläche korrodiert, so daß sich komplexe Höhlensysteme ergeben. Im Folgenden die Karte der Anjohy Tsilika Höhle innerhalb des Tsingy Areals, die ich aus einem Paper aufgetrieben habe und die sich hervorragend als natürliche Gewölbekarte für das Rollenspiel eignet. Auffällig ist sofort, wie die Gänge der Rissstruktur des Gesteines folgen (NE-SW; NW-SE). Es fehlen lediglich ein paar Goblins.

http://img707.imageshack.us/img707/1745/tsingydungeon.jpg
(Ausschnitt der Kluftstruktur der Anjohy Tsilika Höhle, Tsingy de Bemaraha, nach Dobrilla 2006)

http://zuzutop.com/wp-content/uploads/2009/11/Madagascar_05.jpg
(eine begehbare, schmale Kluft im Tsingy, Quelle: http://alvarezphotography.com/)

Zu beachten ist, daß man Enstehungsprozess und Standort voneinander trennen muss. Ein steinerner Wald kann viel älter sein, als das Klima, daß zu seiner Entstehung führte. Ein steinerner Wald kann heute auch inmitten einer Trockenzone liegen, der Entstehungsprozess wird dann zwar nicht fortgesetzt und die Gefahren z.b. durch reissende Regenwasserströme fallen weg, aber die Klüfte könnten dafür Schutz für ganze Siedlungen bieten, in denen die Bewohner ihre Wohnungen auf dem Grund der Schatten bietenden Klüfte in die Kalksteinwände gehauen haben. Die Phantasie ist, wie immer, grenzenlos, ohne, daß man die Plausibilität brechen muss.
Für Weltenbastler, sei noch angemerkt, ist wichtig zu wissen, daß Massenkalke einst immer ehemaliger (flacher) Meeresboden waren, der an die Oberfläche gehoben wurde (vergleiche die Alpen). Dies sollte man als Weltenbastler im Hinterkopf behalten, je nachdem wie genau man die Geschichte seiner Welt ausarbeitet.


Quellen:
- The ankarana tsingy an its development, Veress et.Al 2008, Department of physical geography, University of West Hungary
- The origin of the bemaraha tsingy, Veress et.Al 2008
- www.Mineralienatlas.de/lexikon/Tsingydebemaraha



Viel Spass damit, ich kann leider nicht sagen, wann ich das nächste mal Zeit zum Schreiben finde, da sich bei mir zur Zeit alles überschlägt.



Dienstag, 9. März 2010

Was in aller Welt ist .... Das Auge der Sahara?

Und schon wieder. So lange ich im März noch Zeit habe, versuche ich so viele sinnvolle Beiträge wie möglich zu schreiben, denn vom 19.März bis 16.April ist dann leider erstmal Funkstille Zwecks notgedrungener geologischer Kartierung.

Ich wollte meine Reihe für Weltenbauer, bzw. zur Inspiration für Spielleiter, ja kürzer verfassen, habe das auch versucht, es ist aber scheinbar nicht wirklich gelungen. Wie auch immer, der rein wissenschaftliche Hintergrund ist themenbedingt diesmal ohnehin dünner, aber ausreichend zur Erklärung.
Freue mich natürlich über Kommentare (auch zur Sinnhaftigkeit).


Das Auge der Sahara

Räumlich: [circa 50 km Durchmesser]
Vorkommen: prinzipiell überall auf der Erde (vornehmlich an vulkanisch aktiven Zonen mit Schichten unterschiedlicher Beständigkeit)
Gefahrenpotential: [ungefährlich]
Zeitskala: [rezent]
Klima: [Ohne]


Was ist das Auge der Sahara?

Ich binde dieses mal kein direktes Bild ein, denn selber entdecken ist schöner, habe ich mir gedacht. Gehen wir zusammen los. Leser mit ausgeprägtem Entdeckerdrang klicken bitte einmal zu GoogleMaps (wahlweise Google Earth).
Ja, genau. Jetzt! Alle Couchkartoffeln überspringen den Absatz hier.
Gefunden? Jetzt bitte auf Satellitenmodus klicken und Labels zur Orientierung anschalten, das findet sich rechts oben.
Warten wir kurz auf die Anderen.
Dann Zoomen wir auf die Skala 500km heran.
So, fliegen wir nun nach Mauretanien, das liegt in Nordwestafrika. Nördlich davon liegt das Territorium "Westsahara", dieses teilt sich eine exakte Nordwest Grenze mit Mauretanien im Süden. Diese Linie verlängern wir nun um ca.100km ins Landesinnere. Von hier Zoomen wir nun genau auf das gewaltige Auge der Sahara.

http://farm2.static.flickr.com/1098/1366670957_eae5952dc7.jpg
(Blick von der ISS auf das Auge der Sahara, Quelle: www.Space.com)

http://earth.imagico.de/views/mauretania1_large.jpg
(virtuelles 3D Bild mit Umland, Bild: Christoph Hormann)

Das Auge der Sahara wird auch Richat Struktur genannt. Es besteht aus zahlreichen konzentrischen, fast perfekten Kreisen, die auf der Erdoberfläche einige Meter hohe Gesteinstrümmerwälle ausbilden. Einen guten Eindruck von der Erdoberfläche bekommt man in diesem Video,

http://www.youtube.com/watch?v=Duk6JbToHCA
(Youtube Video mit 360° Rundumsicht.Quelle: http://ens.ch/)

Man sieht auf den ersten Blick auch mit geschultem Blick so gut gar nichts aber es vermittelt die immense Ausdehnung der Richat Struktur, die einen Durchmesser von circa 50km besitzt und auch aus dem Orbit zu sehen ist und so auch entdeckt wurde.

http://history.nasa.gov/SP-168/p148a.jpg
(Bild von GEMINI IV, Quelle: Nasa)

Läuft man über die Oberfläche, würde man einen Wechsel der Gesteinstypen feststellen. Sie sind verantwortlich für den optischen Eindruck. Die bunten, oft bläulichen Farben auf vielen Abbildungen zeigen nicht etwa eine Wasseroberfläche, sondern sind Falschfarben zur Kenntlichmachung, denn das Auge liegt mitten in der Sahara.

http://photo.net/photodb/photo?photo_id=6710115&size=lg
(Detaillierte Ansicht der Richat-Struktur in Falschfarben, Quelle: Sascha de Carlo)


Wie entstand das Auge der Sahara?
(nicht Simulationisten können das auch überspringen)

Wie vieles in der Geologie gibts auch hierfür nur Theorien. Viele Fragen sind weiterhin offen, zudem ist die Lokalität nicht die Zugänglichste. Die offensichtlichste Annahme war die eines Meteoriteneinschlages. Offensichtlich, und irgendwie auch ein bisschen langweilig. Doch dieses Thema war vom Tisch, als man in den Sandkörnern keine Spannungsrisse gefunden hatte (shocked quartz).

Die zweite Theorie basiert auf einem Vulkanausbruch, jedoch fanden sich keine Eruptivgesteine wie z.b. Lavagestein. Ausserdem erklärt dies nicht die fast perfekte Kreisausbildung und die relativ geringen Höhenunterschiede.

Die wahrscheinlichste Theorie sieht eine Erosionsstruktur vor. Dazu muss man verstehen, daß die Sahara in diesen Arealen aus einer abwechselnden Schichtung, wie ein "Sand"wich (kleiner Schenkelklopfer), von Quarziten und Kalkgesteinen aufgebaut ist. Quarzit besteht, wie der Name schon sagt, aus fast 100% verfestigtem SiO2 (kein Sandstein) und ist extrem hart und verwitterungsresistent. Kalkstein besteht aus den Schalen abgestorbener Meeresorganismen und ist relativ weich. Dies spiegelt auch die abwechslungsreiche Geschichte Afrikas aus Wüstenbildung und Meeresvorstöße wider.

Und nun kommen wir doch wieder zu den Vulkanen. Denn man vermutet unter dem Auge der Sahara eine aufgestiegene und "festgehangene" Magmakammer, vermutlich durch einen sogenannten Hotspot. Diese hat sich beim Aufstieg dadurch Platz verschafft, daß sie die oberen Schichten zu einer Sattelstruktur hochgedrückt hat.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b6/Anticline_%28PSF%29.png
(Schema einer Sattelstruktur, die ältesten Schichten sind in der Mitte, Quelle: Wikipedia)

Die übergelagerten Schichten wurden dadurch einer Extensionsspannug ausgesetzt. Sie wurden also auseinander gezogen, dadurch, daß Magma von unten hochgedrückt wurde. Dadurch bekamen die Gesteine Risse und Spalten (korrekt ausgedrückt Störungen und Klüfte), es bildeten sich sogenannte Brekkzien (leicht zu merkender und verstehender Name).

http://www.thisfabtrek.com/journey/africa/mauritania/20051218-tidjikdja/rroad1-4.jpg
(zerfklüftetes Gestein in der Richat Struktur, Quarzite bilden die Höhenzüge. Quelle: Manfred Schweda)

Durch den Einfluss des Magmas und sicher auch durch Hydrothermalwasser (durch Klüfte eingedrungenes aufgeheiztes Grundwasser) wurde der Kalkstein quasi zersetzt, während der resistente Quarzit die Struktur zusammen gehalten hat.

Leicht verständlich ist das in diesem Videobeitrag ab 5:10. Er ist zwar auf französisch und ich kann ihn hier nicht übersetzen, aber die Computeranimationen sind sehr deutlich:


http://www.radio-canada.ca/emissions/decouverte/2008-2009/Reportage.asp?idDoc=81206
(Quelle: Radio Canada)

Diese zersetzte, zerklüftete und überhöhte Trümmerlandschaft war sehr anfällig für Erosion im Gegensatz zum umliegenden Land und wurde abgetragen bzw. ist in sich zusammen gefallen. Wir stellen uns vor, daß wir den Kopf dieser hochgedrückten "Beule" der Erdkruste einfach abschneiden. Schaut man nun von oben drauf sieht man, genau, perfekte Kreise, wobei jeder Ring ein Wechsel der Gesteinstypen darstellt. Und man versteht auch, daß sich die ältesten Gesteine im Zentrum befinden, die gleichzeitig auch die ehemals tiefsten Gesteine darstellten. Die Quarzite bilden die höheren Züge als grobe Blöcke, der Kalkgestein stellt die niedrigen, feinkörnigeren Ebenen dar. Das Magma an sich ist also nie an die Oberfläche getreten.

http://media.marine-geo.org/image/dome-2008
(überhöhte Darstellung. Die kleine Karte zeigt die Lage in Afrika)

Die Größe ist im Grunde zufällig. Vergleichbare Strukturen mit 100km und mehr Durchmesser sind ohne Weiteres denkbar.


Einsatz im Rollenspiel

Die Richat Struktur hat in erster Linie eine ästhetische Bedeutung für eine Spielwelt und zeigt, daß die Natur perfekte Symmetrie liebt. Sie kann ein großes Element des Sense of Wonder sein, ohne daß man unplausibel werden muss.

Nun sieht man von der Erdoberfläche nicht besonders viel von dieser Struktur. Daher bietet sie sich in Spielwelten mit Flugmöglichkeit an. Science-Fiction Spielwelten sind hier naheliegend aber Fantasywelten mit fliegenden Teppichen oder Flugzaubern erledigen die Arbeit genauso gut.

Manche Designer setzen solche überregionalen Strukturen auch gerne ein, ohne daß die Bewohner Kenntnis darüber haben wie z.b. die Ringinseln in GURPS' Spielwelt Banestorm (die aber durch einen Meteoriten entstanden sind).

http://www.sjgames.com/gurps/books/banestorm/img/banestorm_world.jpg
(Karte von Yrth, GURPS: Banestorm, Die Ringinseln sind unten rechts, Quelle: Steve Jackson Games)

Besondere Orte bieten sich aber für besondere Bedeutungen an. In Fantasywelten kann so eine Region z.b. besonders magisch oder besonders unmagisch sein. Man kann aber auch bodenständig bleiben, indem in der Richat Struktur besondere Bodenressourcen wie wertvolle Erze zugänglich werden, wir erinnern uns, die tiefsten, unzugänglichen Gesteine befinden sich nur im Zentrum und werden zum Rand hin jünger, während sie im Umland nicht anzutreffen sind.

Um die Struktur nachzubauen, benötigt man im Grunde kein bestimmtes Klima, aber es mussten schon einige Voraussetzungen erfüllt sein, die die Entstehung der Richatstruktur förderten:

1. wenig Vegetation: Eine offensichtliche Voraussetzung, denn wo Pflanzen wachsen, kann man den Untergrund nicht sehen. Fehlende Vegetation fördert zudem Erosion, da der Boden nicht festgehalten wird. Wüsten erfüllen dies natürlich.

2. viel flächenhafte Erosion: Erosionstätigkeit steigt mit höherer Topographie. Dies war durch die Heraushebung natürlich gegeben, zumal im Zentrum Mauretaniens auch Hochplateaus mit circa 500m über NN liegen. Wasser bewirkt einen hohen Erosionsgrad, aber auch eine eher linienhafte Erosion. Flächenhafte Erosion wird dagegen durch Wind gefördert, die vor allem leichtes, feinkörniges Material abträgt. Wie in Zentral Mauretanien.

3. wenig Sedimentation: Lockere Sedimente (wie Sand) würden die Struktur verdecken. Sedimentation findet dort statt, wo es viel Wasser gibt und eine tiefe Topographie gegeben ist. Naturgemäß mangelt es der Sahara an Wasser und ein Großteil der Sedimente werden in das flache Tiefland und schlussendlich zum Atlantik abtransportiert.

4. schichthafter Wechsel der Gesteine: Wäre der Untergrund Zentral Mauretaniens einheitlich, würde man die ringhafte Struktur vermutlich gar nicht sehen und nur anhand der Brekkzien identifizieren können.

Diese groben Richtlinien kann man als Weltenbauer im Hinterkopf behalten, wenn man seine eigene Spielwelt mit diesem beeindruckenden, natürlichen "Schönheitsfleck" auf dem Anlitz versehen will.

Freitag, 12. Februar 2010

Was in aller Welt... sind Flutbasalte?

Ich muss mich für die lange Verzögerung entschuldigen. Obwohl ich in meiner geplanten Beitragsrate (1/2Wochen) bin, hätte ich dies länger fertig haben können, jedoch sind die nötigen Informationen gar nicht so leicht zu bekommen. Nach vielen Terminen hatte ich aber erst jetzt richtig Zeit es zusammen zu fassen. Jetzt ist es 3 Uhr morgens, meine Augen brennen und ich könnte ohne Weiteres einen einstündigen Vortrag über das Thema halten und frage mich wieder einmal, wozu?

Ich möche die Beiträge als Werkzeuge für Weltenbastler und Abenteuerbastler verstanden wissen, denen akkurate Nachbildung am Herzen liegt. Jetzt jedoch mit etwas Know-How für die Spielhilfe möchte ich mich demnächst viel Kürzer fassen. Ich versuche auf die Hälfte oder darunter zu kommen (obwohl ich schon einiges auslasse), da ich den Zeitaufwand (einige Tage Recherche) in der Freizeit nicht bewältigen kann und will, da ich die Frequenz ja aufrechterhalten oder beschleunigen möchte.

Für Fragen und Kommentare und Vorschläge stehe ich natürlich offen. Ich brauche noch ein besseres Gefühl welche Infos ein Laie wirklich benötigt.


Flutbasalte

Räumlich: [hunderte km bis tausende km]
Vorkommen: prinzipiell überall auf der Erde (vornehmlich an tektonisch aktiven Zonen)
Gefahrenpotential: [gefährlich]
Zeitskala: [erdgeschichtlich, teils rezent]
Klima: [Ohne]


Was ist ein Flutbasalt?

Flutbasalte. Eine Wortkombination, die meiner Meinung nach schaurige Assoziationen weckt. Es sind die größten vulkanischen Eruptionen, die bis dato bekannt sind und haben auch unsere Entwicklung vermutlich stärker beeinflusst, als das allgemeine Schulwissen lehrt. Sie eignen sich wunderbar um mittel- und langfristig Untergangsstimmung in einer Spielwelt zu verbreiten, ohne sie gleich mit einem Schlag auszulöschen (wie bei Meteoriteneinschlägen vergleichbarer Intensität).

Flutbasalte, Plateaubasalte, oder “Traps” sind eine Unterkategorie der Large Igneous Provinces (LIP), riesige Akkumulate aus Vulkangestein, die in diesem Fall allerdings subaerisch (über der Meeresoberfläche) stattfinden. Aus unzähligen, kilometerlangen Spalten dringt überwiegend dünnflüssige Lava empor und bedeckt tausende bis Millionen von Quadratkilometern. Im Laufe der wenige Hunderttausend bis wenige Millionen Jahre andauernden Aktivität können Schichtfolgen von 2km Mächtigkeit entstehen. Während der Aktivitätsphase können bis zu 1000 kubikkilometer gefördert werden. Diese Zahlen in den Raum geworfen, sollen vorweg zeigen, daß hier geklotzt und nicht gekleckert wird.

Eines meiner Lieblingsbilder in dieser Thematik lässt die Ausmaße eindrücklich erahnen, die sich als Ganzes kaum und vom Boden schon gar nicht erfassen lassen:(Luftaufnahme der Snake River Plains, Idaho)

Bekannte Beispiele der Geologie sind die Deccan Traps in Indien mit einer Fläche von ~500.000km² und einem Alter von 65Millionen Jahren (darauf kommen wir zurück):
http://www.whoi.edu/cms/images/oceanus/2006/3/map-en_21798.jpg
(eine Karte der Deccan Traps)

das Columbia River Plateau mit 160.000km² vor 11 bis 5 Mio. Jahren. Im Nordosten der USA:
http://www.nps.gov/archive/crmo/visit/columriv.gif
(eine Karte der Columbia River Traps)

die sibirischen Traps, das größte bekannte, vulkanische Ereignis der Erde, mit einer Fläche von gegenwärtig 2.000.000 km² und einer Fläche von ~7.000.000 km² bei ihrer Entstehung vor 250Mio. Jahren. Das ist größer als die Fläche Europas:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/50/Extent_of_Siberian_traps_he.png
(eine Karte der sibirischen Traps)

Des weiteren die globale Verteilung der kontinentalen und ozeanischen Basaltplateaus der Erde. Insgesamt bedecken sie ca. 45% der Erdoberfläche:
http://www.fas.org/irp/imint/docs/rst/Sect17/lipmap2.gif
Zu beachten ist, daß jeweils ein roter Fleck eine durchgehend aktive, vulkanische Phase in der Erdgeschichte darstellt (wobei durchgehend in der Geologie nicht mit “lavaspuckend” gleichzusetzen ist).

Der Name Traps oder Trapps kommt aus dem Schwedischen und bedeutet Treppe und spricht von der Überlagerung der einzelnen, relativ dünnflüssigen Lavaströme, die an den Randgebieten wie riesige Treppenstufen wirken. Jede einzelne Stufe stellt dabei einen einzelnen, quasi durchgängig fliessenden, Lavastrom dar. Sedimentäre Ablagerungen (Flussablagerungen, Flugsande usw.) zwischen den Schichten geben Auskunft über die Eruptionspausen, von Wochen bis tausende Jahre.

http://www.geo.ucalgary.ca/~macrae/arctic/dragon_mtn3.jpeg
(Die Drachenklippen auf Axel Heiberg Island, Canada. Mehr als 20 Lavaströme über 200m Mächtigkeit)

http://johnstodderinexile.files.wordpress.com/2006/10/deccan-flood-basalts.jpg

(Flutbasaltlagen der Deccan Traps, Indien, ca. 2km Mächtigkeit)

http://media-2.web.britannica.com/eb-media/90/118890-004-8C5E9046.jpg

(Grenze des Columbia River Plateaus)


Wie entstehen Flutbasalte und welche Eigenschaften haben sie?
(nicht Simulationisten können das auch überspringen)

Dieser Ausprägung der sogenannten Spalteneruption liegt, wie der Name schon sagt, ein Spaltensystem zu Grunde. Vergleichbar ist dies mit mittelozeanischen Rücken (wie sich weiter unten zeigt sind diese auch verwandt). Diese Spalten verlaufen parallel entlang eines einige km breiten Gürtels über hunderte bis tausende km Länge. Die einzelnen Spalten sind einige km lang und können nur wenige Zehnermeter breit sein. Diese verlieren sich oder schliessen oder öffnen sich wie an einer Perlenkette zu einem diskontinuierlichen Spaltensystem, einem sogenannten “Fissure Swarm”.

http://www.largeigneousprovinces.org/images/2007May-fig-1.jpg
(Spaltensystem der Deccan Traps, modifiziert nach Hooper (1990) und Deshmukh&Sehgal(1988))

http://farm1.static.flickr.com/160/337777328_79e1ef7320_o.jpg
(Spaltenschwärme des Columbia River Basalt Plateaus)

http://hvo.wr.usgs.gov/gallery/kilauea/caldera/4303019_L.jpg

(Spaltensystem vom Halema'uma'u, Hawaii, Photo: J.D.Griggs,1985)

Spalteneruptionen sind in der Regel nicht explosiv. Die Ursache dafür ist die geringe Menge an gelösten Gasen (vergleiche eine geschüttelte Flasche Mineralwasser gegenüber Kranwasser) und die niedrige Viskosität (sprich Zähigkeit), sowie die hohe Temperatur (bis 1200GradC°). Darum ist es grundsätzlich auch möglich auf Hawaii als Tourist daneben zu stehen und zu schauen, wie die Lava fliesst, die Bewohner des Vesuvs aber besser beginnen zu Laufen, wenn es anfängt zu knallen.
Diese dünnflüssige Lava ist auch der Grund, warum sich kein Vulkangebäude ausbildet, sondern die Ströme in die Fläche fliessen.

Während der Aktivitätsphase können über 1000 kubikkilometer in wenigen Mio Jahren gefördert werden. Die Eruption darf man sich während der Aktivität nicht kontinuierlich vorstellen. Wieviel Zeit zwischen einzelnen Eruptionen vergehen ist umstritten. Zeitabstände zwischen Jahrzehnten und Jahrzehntausenden sind möglich, jedoch kann die Tätigkeit durch die Länge und große Zahl der Spalten als „relativ“ durchgängig betrachtet werden. Erfahrungen mit ähnlichen vulkanischen Tätigkeiten (Hawaii, Island) zeigen jedoch, daß das größte Volumen innerhalb kurzer Zeit (Wochen bis Monate) austritt und von längeren Pausen begleitetet wird (Jahre bis tausende von Jahren), die Fördermengen also stoßweise große Raten erreichen können. Geht man von stoßweisem, eruptivem Verhalten aus, muss sich ein einzelner Lavastrom innerhalb weniger Monate über das Land verteilt haben. Die Lavaströme können so große Entfernungen zurücklegen, weil Gestein ein äusserst schlechter Wärmeleiter ist. Die Kruste, die sich beim Temperaturunterschied von 1000°C zwischen Lava und Atmosphäre bildet schützt den Strom vor Auskühlung. In vielen hundert Kilometern kühlt er sich so nur um wenige zehn Grad ab.

Um ein Gefühl für die Zahlen zu bekommen, ein paar Vergleiche:
- die jährliche Förderrate von Flutbasalten wird auf grob 1,3 km³ geschätzt
- die heutige, weltweite jährliche Förderrate aller Vulkane zusammen liegt bei ~4km³ !

- Ausbruch des Mauna Loa 1859, 10Monate, 4 m³/sekunde
- Roza Member Lavastrom (Columbia River Plateau) vor ~14Mio.J., ~10Jahre, ~100m³/sek !

Es ist nicht übertrieben zu sagen, daß man sich dies wie eine klaffende Wunde in der Erdkruste vorstellen kann, die während der eruptiven Phasen den Kontinent in ein brennendes, schwelendes Meer aus Hitze und giftigen Gasen erstickt, dessen Glühen ein kontinuierlicher Streifen entlang des Horizontes darstellt.

http://www.answersincreation.org/curriculum/geology/images/800px-Pahoeoe_fountain_original.jpg
(Austritt dünnflüssiger Pahoehoe Lava, Hawaii)

http://www3.hi.is/~oi/Thingvellir%20photos/Almannagja2.JPG
(die Flora erobert das Land in einer Eruptionspause zurück, Pingvellir, Island, Photo:Ingolfsson,2005)

Woher kommt die Lava?
Dazu gibt es mehr Fragen als Antworten. Die Wahrscheinlichste ist, daß große Mengen Magma aus dem Erdmantel als “Plume” (lies: großer Blob) aufsteigen und die Erdkruste auseinander drücken. Nahezu der gesamte Ozeanboden ist, sehr stark vereinfacht!, auf vergleichsweise Art entstanden (nur über viel längere Zeiträume). Die Zusammensetzung der Magma unter der ozeanischen Kruste entspricht dem eher dünnflüssigen Verhalten von Flutbasalten im Vergleich zu Vulkanen der viel “dickeren” Kontinente (die viel zäher und explosiver sind). Üblicherweise wird das Magma beim Kontakt mit den “kühlen” Kontinenten derart verändert, daß es zähflüssiger wird. Nun sind die Mengen bei Flutbasalteruptionen aber so groß, daß das Magma gar die Kontinente auseinander drückt und sich so als Lavaströme über das Land ergießt.
Orte, an denen heute Flutbasalte erwartet werden können wären z.b. Island, auf dem Mittelozeanischen Rücken, oder Hawaii, das auf einem unabhängigen Aufstiegskanal (Hot Spot) liegt. Ein weiterer Kandidat wäre das sich öffnende ostafrikanische Riftsystem (ein neuer Mittelozeanischer Rücken). Theoretisch kann ein Plume aber unter jedem Ort auf der Erde aufsteigen.

Da es in jüngster Geschichte keine Flutbasalteruptionen gab, ein paar Eindrücke von Spalteneruptionen. Es ist eine gute Näherung sich dies in viele Zehner Kilometer weiter Ausdehnung vorzustellen.

http://www.geostudy.zoomshare.com/my_images/lakifissureeruption.jpg
(Laki Spalteneruption, Island)

http://www.youtube.com/watch?v=fu5soxn5ydM
(Luftvideo vom Mauna Loa, Hawaii. Von 1930<– in FARBE)

http://media-2.web.britannica.com/eb-media/04/60604-050-47D294C9.jpg
(Spalteneruption, Mauna Loa, Hawaii)


Einsatz im Rollenspiel

Authentische Rollenspielsettings sind häufig einseitig, weil sie sich an den Möglichkeiten der menschlichen Geschichte orientieren (und selbst dies nicht ansatzweise ausreizen). Dabei kann es sehr reizvoll sein, Phänomene in eine Spielwelt einzubauen, mit der Menschen kaum konfrontiert wurden. Ein beliebtes Motiv ist zum Beispiel der Riesenmteoriteneinschlag in jedem zweiten Katastrophenfilm. In diesem Geiste kann man sich auch der Flutbasalte bedienen. Eigenschaften und Gefahren: Eine Welt unter Einfluss eines Flutbasalts ist eine der Extreme. Die größte Gefahr ist selbstredend globaler Natur. Der Einfluss auf das globale Klima ist stark von der Eruptionsrate abhängig. Die größten Massenaussterbephasen der Erde (Perm-Trias; Kreide-Tertiär(Dinosaurier)) werden aufgrund der großen Menge an Treibhausgasen, die dabei entstehen, seit einiger Zeit mit Flutbasalten in Verbindung gesetzt, ein Vorgang der aber Millionen Jahre dauert. Und in Folge des Aussterbens der Dinos konnte die Evolution uns menschliche Rollenspieler überhaupt erst hervorbringen.

http://faculty.plattsburgh.edu/thomas.wolosz/floodextinct.jpg
(Diagramm mit Vergleich der Aussterbephasen zu Flutbasalten)

Erdgeschichtlich lässt sich aber zeigen, daß selbst größere Flutbasalte nicht zu Massenaussterben führten und Ausbrüche wie Columbia River Basalt zeigen, daß dies nicht zwangsläufig zum „Weltuntergang“ führt. Die Flutbasalte eignen sich in der Spannbreite daher ausgezeichnet um Endzeitwelten einzuläuten, die den Himmel verdunkeln oder um sich lediglich ein kleines Mordor in einer Ecke einer Spielwelt zu schaffen, mit wenig, aber mittelfristig spürbarem Einfluss auf das globale Klima (Ernteausfälle und winterlicher Sommer allerdings inbegriffen). In dem Zuge muss ich gerade an Endland denken. Zuletzt gibt es auch gänzlich lokale Gefahren, würde man sich in so ein Land des Feuers begeben. Die Temperaturen an sich wären nur in unmittelbarer Nähe glutflüssiger Lava gefährlich, dies ist in den ersten Kilometern Abstand zu den Eruptionespalten aber sicherlich der Fall.

http://www.uhh.hawaii.edu/~kenhon/GEOL205/eruption/1fig0014.jpg
(Spalteneruption, ohne Angabe, - es ist so toll Vulkanologe zu sein)

Die Gefahr in oberflächlich erstarrte Lavaströme einzubrechen ist zwar da, jedoch kann sie angesichts der Festigkeit der Schlackenkruste als eher gering eingeschätzt werden; aber noch weiter Abseits der Spalten hätte man mit giftigen Gasen wie CO2, SO2 und CO und der ernormen Wärmestrahlung zu kämpfen, wohingegen die Schlacke selbst an der Oberfläche der Ströme bei höherer Viskosität eine Ebene messerscharfer cm bis meter großer Felsgrate ausbilden kann, die nur mit modernen Stiefeln überwindbar sind (die danach meist weggeworfen werden können). Und noch viele hundert Kilometer entfernt wären Lavainseln eine große Gefahr. Dies sind Areale unangetasteten Bodens, der von Lavaströmen durch eine entsprechend gegebene Topographie umschlossen wird und in vielen Fällen auch verschluckt wird. Auf Hawaii ist dies heute noch gut zu beobachten aber selbst in diesen kleinräumlichen Dimensionen (hunderte meter bis km Größe) lässt sich nur schwer einschätzen, wann man von Lava eingeschlossen wird. Überträgt man dies auf die viele zehner bis hunderte Kilometer langen Lavaströme der Flutbasalte, können Tage bis Wochen vergehen, bis man bemerkt, daß man ringsherum von riesigen Flächen halberstarrter Lava umgeben ist. Selbst wenn man diese Flächen überwinden könnte, wäre dies für Städte oder gar kleine Länder sicher nicht möglich.

Man sollte sich aber vor Augen führen, daß der gesamte Ablauf 1-10Mio.Jahre andauern kann. Von wirklichem Interesse für spielbare Maßstäbe sind daher nur die Phasen tatsächlicher Eruptionen, die einige Wochen bis Jahre andauern, wohingegen die Lavaströme an sich viele Hundert Jahre benötigen, um auszukühlen. Für Weltenbastler ist dies auf jeden Fall ein Werkzeug um einer, eigentlich realistisch wirkenden Welt, einen sehr unwirklichen Eindruck zu geben.