Montag, 30. September 2013

Spielfreiheit - wider die Spielbarkeit (Teil 2)

Eines der meistbemühten, sogenannten Grundpfeiler und Verbreitungsmaschine schlechthin von Rollenspiel ist die Spielfreiheit. Versprochen wird uns, alles sein zu können und alles tun zu können, meist untermauert, das Versprechen durch das gerade präsentierte Regelsystem einlösen zu können. 
Spielfreiheit hat nicht nur einen guten Klang, sondern enthebt den Rollenspielentwickler auch zweckdienlich davon, allzuviel Arbeit aufwenden zu müssen oder für irgendeines der Resultate seines Werkes mitverantwortlich zu sein. Denn es wird ja nichts vorgegeben. Dankbarerweise sieht das der Teil der Spielerschaft genauso, der die strapazierten Regeln sowieso auf Anhieb über Bord wirft, sobald diese der "Spielfreiheit" im Wege stehen und bestätigt dieses Vorgehen dadurch. 
Das uns in diesem Klima Rollenspiele wie Eintagsfliegen um dem Kopf schwirren, und ebenso nahrhaft sind, die keine Fragen beantworten, keine Hilfestellung geben können und wollen, verwundert da nicht. Denn sie könnten ja die Spielfreiheit einschränken. 
Das man von Rollenspielen keine Spielhilfen mehr an die Hand bekommt wie man leitet, Dramatik aufbaut, beschreibt, taktisch und strategisch vorgeht, wie man Spieler einbindet, wie man sich selbst einbindet, was Rollenspiel IST, darüber wundere ich mich schon lange nicht mehr. Denn dies würde die Möglichkeit implizieren etwas falsch machen zu können, würde eine Wertung in die Nutzung des Rollenspiels bringen und das passt nicht in unsere alles tolerierende Gegenwart. 

Lasst sie reden und machen. 
Ganz unromantisch betrachtet bedeutet Spielfreiheit in erster Linie eines: Mehraufwand für die Spielrunde. 
Meist muss die Runde nicht nur entscheiden, welche Konflikte und Persönlichkeiten in ihrer Spielwelt (so vorhanden !) auflodern und wüten, sie muss sich auch die Details, die eine Spielwelt erst lebendig machen, aus den Fingern saugen. Regeln muss sie entweder brechen oder mühselig mit Hausregeln ergänzen oder im Zweifelsfall einfach eine Münze werfen und Spielfigureigenschaften und Entscheidungen damit im Endeffekt aushebeln. Und manchmal muss sie die Regeln auch gleich noch vollständig konvertieren, um sie überhaupt benutzen zu können. Obendrein muss sie untereinander die Spielercharaktere in Bezug auf Persönlichkeit, Aufgabengebiet und Stärke abstimmen, muss sich über die Stimmung des Spieles (lustig/ernst ... ) klar werden und muss entscheiden, welche Rechte und Pflichten jeder Teilnehmer hat, so sie sich denn überhaupt bewusst ist, was das alles bedeutet und welchen Einfluss es auf das Spiel haben wird. Auch sind die meisten von uns weder Dramatiker noch Mathematiker oder Regeleentwickler um die anderen Probleme eigenständig lösen zu können (zu unserem Leidwesen: Die meisten Rollenspielautoren auch nicht). 

Freiheit kann man einem zwar lassen, aber nicht geben.
- F. Schiller 

Und gerade dieser Mehraufwand sollte insbesondere bei älteren Semestern ein Thema sein, bei denen Motivation und Freizeit natürlich ein großes Problem ist. Gerade heute, in der Freizeit neben Smartphone und AppleStore auch für jünge Leute ein immer wichtigeres Gut wird, ist es nicht verkehrt, die Spielfreiheit hinter die Spielbarkeit zu stellen.
Ich kann nicht behaupten, in den letzten Jahren eine gute Runde gehabt zu haben, die "Spielfreiheit" auf die Fahne geschrieben hatte oder in irgendeiner Weise als Nebenaktivität spielbar gewesen wäre. Zu groß sind die Lücken im eigenen Erfahrungshorizont, zu kleinteilig die Absprachen, zu breit die Wissensgebiete und zu kryptisch die Spielregeln, als das eine Spielrunde etwas halbwegs wachhaltendes auf die Beine stellen könnte. Die interessanten Abende waren immer diejenigen mit klaren Vorgaben und klaren Zielen. 

Wie immer ist das kein neuer Ansatz und führt uns zu den Ursprüngen zurück. Schon D&D führte z.B. Klassen, Gesinnungen und Umgebungen ein (der Dungeon). Jedem war klar: Ich spiele diesen Spezialisten, der jenes kann, dort hingeht und die Welt auf diese oder jene weise sieht und sich entsprechend verhält. Gerade letzteres (die Gesinnungen) allein stellen schon eine immens solide Basis als Entscheidungshilfe für einnehmendes, konsequentes Charakterspiel dar ohne auch nur ein Wort über Spieler-/Charakterwissen, Player Enpowerment, Kickers, Bangs usw. zu verlieren. 
Nur um alles davon irgendwann auf dem Altar der Spielfreiheit zu opfern. 

Wenn ich gegenwärtig ein Abenteuer erleben will, in dem ich atmosphärisch aufgehen kann, dann setze ich mich eher zu einer Runde thematischer Brettspiele wie Prophecy, einer Partie Resistance, Konvoi, Junta oder Space Infantry. In gewissem Sinne kann ich sogar Strategiespielen wie Rune Wars, Core Worlds, Dungeon Lords, Richard III. oder Warrior Knights mehr Spielweltatmosphäre abgewinnen, als mich in ein völlig unbeschriebenes Blatt von Spielwelt und Spielrunde mühsam und ohne Erfolgsgarantie einarbeiten zu müssen. Gerade Gesellschaftsspiele haben sich immens weiterentwickelt, sind nicht mehr selten "wie Rollenspiele, aber ohne den langweiligen Teil". 

Wenn ich in einer Kartenpartie Netrunner mehr Cyberpunkatmosphäre atme, als in einer Kampagne Shadowrun, dann liegt das meines Erachtens daran, dass erstes in Sachen Spielmechanik um Lichtjahre durchdachter und weiter ist, als die Krücken, mit denen wir überwiegend seit Jahrzehnten versuchen, zuverlässig Abenteuererlebnisse zu produzieren. 

Rollenspiel gewinnt für mich nicht an Mehrwert, nur weil ich mehr machen kann. Mit der Spielfreiheit bin nach Jahren des Herumexperimentierens, Diskutierens und Recherchierens deshalb auf Erstes durch.
Ich würde mir wünschen, dass Rollenspiele noch klarere Vorgaben, noch bessere Hilfestellungen machen und mutiger sind, den Spielern auch einmal zu sagen: Du kannst DAS nicht, du BRAUCHST das jetzt aber auch NICHT.
Rollenspiel in kontrollierter Umgebung um bestimmte Spielerfahrungen zu erzeugen, gerade für Leute, die keine Erfahrung mit und auch kein Interesse an Theaterkursen, Literatur-Workshops oder Statistikseminare haben. Ich rede dabei nicht von schwammigen, thematischen Indie-Rollenspielen, sondern durchaus umfänglichen Rollenspielen, die fachkundig geschrieben sind und die Spielrunde als Ratgeber führen und in denen sich die Thematik aus den Regelmechanismen ganz natürlich ergibt - in denen unterschiedliche Runden dennoch vergleichbare Ergebnisse erspielen.

Das man dabei dennoch nicht kreativ eingeschränkt sein muss, zeigen Rollen-/Brettspielhybriden wie Battlestations. Doch so etwas ist nur ein kleiner Ausblick, in welche zeitgemäße Richtung sich Rollenspiel in der sehr schnellen Welt entwicklen kann. Ob dies mit den antiquierten Riten und Ansichten durchführbar ist, die all' die Bierdeckelsettings, Charakter-Punktekaufsysteme,  Sandboxen, Simulationsmonster und Erzählregeln hevorgebracht haben, die Rollenspiele auch nach mehreren Wellen der Aufklärung weiter fest in ihrem Griff haben, steht noch aus. Wir können natürlich warten.
Aber ich bin lieber aktiv.


Was ist euer Für und Wider? Diskutiert es im RSP-Blogs Forum:
http://forum.rsp-blogs.de/diskussion-und-kommentare/(hoch-ist-gut)-spielfreiheit-wider-die-spielbarkeit/msg10414/#msg10414

p. S:
Dieser Beitrag ist die Fortsetzung des Beitrags:
Über den Tellerrand: Was wir von Brettspielen lernen können Teil 1
http://hochistgut.blogspot.de/2012/06/uber-den-tellerrand-was-wir-von.html


Donnerstag, 1. November 2012

Musical: Das Schicksal von Cysalion

Toi, toi, toi hieß es wohl wieder letztes Wochenende (26+27.10) hinter der Bühne des Kulturzentrum Herne, als ich die Gelegenheit hatte, das Fantasy-Musical "Das Schicksal von Cysalion" der beiden Autoren Marc Blasweiler und Peter Groß-Paass mitzuerleben, das schon 2010 uraufgeführt wurde. Für mich eine unerwartet positive Überraschung. Gerade weil ich kein besonders leidenschaftlicher Muscial-Fan und -Kenner bin, ist dieser Bericht Respektbezeugung vor der beeindruckenden Leistung, die die Gruppe Ring-Stars im Rahmen ihrer Möglichkeiten (!) hingelegt hat und so auch "fantasyfremde" Besucher im wahrsten Sinne eine Bühne bot und in unser Hobby hineinzog.
(Quelle: Pressebild, Cysalion.de)

Auf der Welt Cysalion schwelt ein Konflikt zweier konkurrierender Königreiche. Unter der Oberfläche agiert ein bösartiger Geheimkult, der beide gegeneinander ausspielen will, während zeitgleich eine mächtige Räuberbande versucht, gewinn daraus zu schlagen und überirdische Mächte aus grauer Vorzeit die Welt betreten, um sie nach ihren Vorstellungen zu formen. 
Dem entgegen wirft sich eine lose Gemeinschaft bestehender und künftiger Helden: Königssohn und -Tocher, ein unsterblicher Krieger, Elfen und Zwerge, zwei eifrige Mädchen, von denen eine auf besondere Weise mit Cysalion verbunden ist, sind nur ein kleiner Teil der Figuren, die von über 40 Darstellern in dem über dreistündigen Stück zum Leben erweckt werden.
Kennt man? Ja, das kennt man schon. Und hier liegt die Krux begraben. Die bekannten Fantasyversatzstücke kommen hier auf geschickte und gar nicht mal so schnörkellose Weise in mehreren, parallel verlaufenden, temporeichen Handlungssträngen zusammen. Diese schlägt beim triefenden Kitsch genauso wie bei erbarmungsloser Darstellung zwar schon mal über die Stränge, liefert aber eine Quintessenz dessen, was der triviale Fantasykult heute inhaltlich wie optisch ausmacht und in dessen Abwechslung sicher jeder etwas finden kann, was ihm gefällt. So etwas zieht man nicht auf, ohne sich damit auseinander gesetzt zu haben.
Wäre ich informiert dort erschienen, hätte ich sicher mitbekommen, dass das Ensemble bereits unter Anderem für humorvolle Interpretationen des "Herr der Ringe" auf diversen Fantasy-Festivals und Conventions bekannt ist. "Von Fans für Fans" ist ein Motto der Ring-Stars und ihre Projekte größtenteils Hobbyprojekte mit viel Eigeninvestition, in denen die vielen Anspielungen und Einflüsse einiger Aussagen nach eine Würdigung der Vorbilder sind. 
Hie und Da Niveaugefälle zwischen den Darstellern waren ihnen dementsprechend anzumerken - im positiven, wie negativem Sinne - aber auch zu erwarten, wohingegen es an Enthusiasmus und Wortwitz nie mangelte. Die Ring-Stars haben die Zeit genutzt, um ihr Stück von 2010 von grundauf zu überarbeiten und zu erweitern. Um ihr Stück herum hat das Ensemble um Regisseur Marc Blasweiler einen ganzen Kosmos kleiner Details, Begriffe, Geschichten und Mechanismen ihrer erfundenen Welt erschaffen, der einfach "funktioniert" und dessen Lebendigkeit und Eigenständigkeit man auf der Bühne trotz der vielen Dejà Vues spüren und entdecken kann und auch und gerade für Rollenspieler inspierend sein kann.
Die Arbeit zeigte sich nicht zuletzt in einer vielseitigen, szenenreichen und requisitenreichen Bühnenkulisse, sowie Ausstattung und Choreographie. Lediglich das Licht der Art "hauptsache bunt" hätte ein paar knallige Farben weniger vertragen können. Kudos an die Manschaft des KUZ, die die aufwändige Veranstaltung ohne nennenswerte Störungen unbemerkt von Auge und Ohr der Besucher fuhren.
Die Musik und Lieder des Komponisten Jan Glembotzki (von Solisten für die Darsteller als Playback eingesungen) schlagen ohne Rücksicht auf Verluste Bögen zwischen Rock- "Metal" und Folkpop, von Horn bis E-Gitarre, was wohl etwas Gewöhnung bedarf bzw. Fassung, wenn man mit leichtem Fremdscham ungewollt an seine naiven Blind Guardian Zeiten erinnert wird. Gleichsam tun es die Texte mit manchmal seltsamem Rhythmus- und Wortverständnis und Reimen nach dem Motto "Reim' dich oder ich fress' dich", die mit ihren zahlreichen Fantasybegriffen und Floskeln für nicht "Eingeweihte" sicher manchmal albern und verwirrend wirken könnten. Aber ich bin eben auch kein Musicalanhänger.
Wirklich zu kritisieren war hier aber lediglich der ohrenbetäubende Lautstärkepegel, der auch schonmal den ein oder anderen Liedtextfetzen schluckte. Nichtsdestotrotz hat die kraftvolle Musikuntermalung Ohrwurmqualität und reißt das Publikum durch alle dramatischen und ruhigen Momente mit.

(Cysalion Trailer 2010 - Quelle: Youtube:Cysalion)

Insgesamt ein harmloser Familienspaß für junge Zuschauer ab 12 oder jung Gebliebene, für den sich auch anspruchsvollere Möchtgern-Beatniks nicht zu schade sein müssen. Dementsprechend war der stehende Begeisterungssturm der Zuschauer zum Ende ein verdienter Applaus an die engagierte Truppe und man konnte den Saal mit diesem aufgeputschten, guten "Bitte bald mehr davon"-Gefühl verlassen.

Da die Veranstaltung mit Kameras aufgezeichnet wurde, sollten Interessierte am Ball bleiben, bis sich eine neue Gelegenheit für einen Besuch ergibt. 

Samstag, 1. September 2012

[Karneval der Rollenspielblogs September 2012]: Spass an Regeln

Das Gute an einer Blog-Gemeinschaft ist, dass man sich gegenseitig Themen zuschustert. In letzter Zeit sind mir mit Bedenken erregender Häufigkeit haarsträubende Aussagen über "Regeln im Rollenspiel" aufgefallen, konnte den wichtigen Punkt aber noch nicht ganz fassen.
Jetzt es wieder passiert und die Dinge fügen sich zusammen.
Tagschatten berichtete von einer religionswissenschaftlichen Untersuchung mit dem Titel "Ritualisierte Imagination: Das Fantasy-Rollenspiel "Das Schwarze Auge"

Er schreibt dazu: Implizit wird hier gesagt: Regeln seien dazu da, die Macht der Spieler zu begrenzen. Bei (fast) allen anderen Rollenspielen hätte ich aufgejault.

Was Tagschatten hier aufjaulen lässt, ist allerdings eine elementare Eigenschaft von Regeln. Regeln dienen dazu, einzuschränken und Ordnung zu schaffen. Regeln können keine Freiheit schaffen. Er spricht hingegen unwillkürlich von etwas Anderem. Und damit kommen wir zu einem grundsätzlichen Missverständnis in vielen Rollenspieldiskussionen der Regelspieler gegen die Freiform Apologeten: 

Den Anspruch an Regeln oder die Regeln als Spaßquelle.

Prinzipiell gibt es zwei große Bewegungen in der Spielerschaft: Solche Rollenspieler, die nach Regeln spielen und solche, die nach Richtlinien spielen.
Was ist der Unterschied?
Regeln sind Handlungsanweisungen ohne Interpretationsspielraum. Richtlinien sind im Grunde Vorschläge im weiten Sinne. Regeln führen unabhängig vom Benutzer immer zu demselben Ergebnis, Richtlinien sind im Grunde Auslegungssache und kaum reproduzierbar.
Ein Kochrezept wäre eine Richtlinie, ein physikalisches Gesetz wäre eine Regel.

In erster Linie sind das Anforderungen an unterschiedliche Spielstile.
Freiformer benötigen über Richtlinien größere Freiräume (was nicht gleichbedeutend ist mit "Freiräume schaffen"), um ihre unterschiedlichen Spielgeschmäcker gleichwertig einbringen zu können. Wenn eine Richtlinie sagt "ein Spieler erhält +1 auf einen Würfelwurf, wenn er etwas Cooles erzählt", dann ist das soweit gefasst, dass sich der Spieler lediglich auf etwas "cooles" beschränken muss und ein Roboter und Urmensch geichwertig einen Konflikt austragen können.
Für Rollenspieler, die ein Wettbewerbsklima in der Spielrunde möchten, in denen die Mitspieler also versuchen mit all ihren Möglichkeiten Vorteile zu erringen ähnlich einem Brettspiel, für die sind Richtlinien keine Alternative. Sie benötigen Regeln als Schlichter, Schiedsrichter und unabhängige Instanz. Hierbei ist es nicht wichtig wer diese Regeln geschaffen hat, denn schlussendlich ist auch der Regelentwickler subjektiv, sondern, dass sie exakt eingehalten werden können.

Zwischen diesen beiden Extremen pendeln sich alle Rollenspiele ein, wir haben also einen fließenden Übergang mit dem Parameter "Freheitseinschränkung". Die Fähigkeit "Kampf gewinnen" bietet mehr Freiraum als "Kämpfen" und mehr als "Kämpfen mit Schwert" und mehr als "Kämpfen mit Schwert auf 1 m Abstand" und so weiter.

Zu bedenken ist allerdings, dass kein Rollenspiel echte Regeln hat, also das eine Extrem niemals erreichen kann. Brettspiele haben Regeln (z.B. Schach: bewege den Bauer um 1 Feld nach vorne, lässt du ihn los, ist der Zug beendet). Die Freiheiten aber, die Spieler in ihren Rollen in der Spielwelt benötigen, können unmöglich vollständig mit Regeln abgedeckt sein. Es bleibt ein letzter Einfluss subjektiver Entscheidung (wie komme ich diesen Baum hoch, muss ich schon auf die Fähigkeit Klettern würfeln oder funktioniert es auch ohne Würfelwurf?).
Umgekehrt kann kein Rollenspiel echte Freiheit haben, also auch nicht das andere Extrem erreichen, denn Mitspieler müssen Vereinbarungen treffen, die sich nicht brechen dürfen, um miteinander spielen zu können.




Mir persönlich geht es so, das ich mich nicht bemühe, wenn etwas im Rollenspiel keinen Unterschied macht. Wenn ein Rollenspiel mit der Fähigkeit "Kämpfen" entscheidet, ob mein Charakter gewinnt, dann sehe ich keinen Sinn mehr darin noch zu beschreiben, ob ich das jetzt "flink mit meinem Dolch in der Nacht" oder "brüllend auf offenem Feld mit der Axt schwingend" durchgeführt habe, denn es wirkt sich ja nicht aus, aber genau daran haben Freiformer eben Spass.
Hinzu kommt, allerdings: Ist eine Richtlinie so weit gefasst, dass sie im Grunde nach jeder Ansage die Zustimmung der Mitspieler benötigt, dann sehe ich keinen Grund, sie überhaupt zu benutzen oder am Ende sogar noch Geld dafür zu bezahlen. Wenn die Mitspieler sich ohnehin einigen müssen, dann können sie das auch ohne das Rollenspiel. Und das ist zum Beispiel auch genau das, was regellose Rollenspieler tun wie im Rollenspiel Daidalos.
Problematisch werden diese Richtlinien zudem, wenn man Spielrunden oder Mitspieler wechselt, denn hier ist das Konfliktpotenzial am Größten. Dieser neue Spieler muss sich erst einmal in die ungeäußerten Annahmen der Spielrunde einfinden. Hätte er Regeln zur Verfügung, müsste er diese nur lesen und kann ohne Reibereien sofort teilnehmen.
Mein letzter Kritikpunkt an Richtlinien ist, dass den Spielern häufig die Grundlage fehlt, um überhaupt eine Entscheidung treffen zu können. Vielleicht können sie noch gemeinsam entscheiden, was eine "coole Beschreibung" ist, ohne sich gegenseitig an den Hals zu fallen. Sie können vermutlich auch entscheiden, dass man mit einem Schwert niemanden mit Schlägen heilen kann, aber was ist mit weniger offensichtlichen Situationen? Können sie auch entscheiden, wie weit man zum Beispiel pro Tag zu Fuß durch unzugängliches Gelände laufen kann, wenn sie nichts darüber wissen? Auch hier sind Regeln von Vorteil, da sie im Optimalfall aus der Hand einer Person kommen, die genug Zeit hatte, sich damit auseinander zu setzen, warum eine Regel wie wirken muss, um einen bestimmten Stil zu erreichen.
Der Kritikpunkt an Regeln hingegen ist, dass es sehr aufwändig ist, eine große Menge an Detail und Vorschriften in möglichst wenig Regeln zu binden, woran schlussendlich auch die meisten komplexen Systeme scheitern. Der zweite Kritikpunkt ist, dass der Entwickler im Vorfeld entscheiden muss, was in seinem Spiel wichtig genug ist, verregelt zu werden. Denn alles andere muss schlussendlich wieder über eine interne Abstimmung verhandelt werden. Zuletzt müssen diese Regeln natürlich auch erst einmal gelernt werden, während spielfertige Richtlinien bereits auf einen Bierdeckel passen. 

Man muss sich über die unterschiedlichen Eigenheiten von Regeln und Richtlinien im Klaren sein, um entscheiden zu können, ob sie den eigenen Spielspaß schmälern oder erhöhen.

dieser Beitrag ist Teil des Karvenals der Rollenspielblogs auf RSP-Blogs.de
Der Thread im Forum

Sonntag, 22. Juli 2012

Schildwacht Rollenspiel: Versionsupdate beta 0.9.5

Mit etwas Verspätung konnte ich mich dann doch noch aufraffen, das monatliche Update von Schildwacht fertig zu stellen. Dieses fällt etwas weniger umfangreich aus als üblich, da ich noch ein paar Änderungen überdenken und nach hinten schieben musste. Nichtsdestotrotz haben entscheidende Änderungen in den Kampfregeln Einzug gehalten, die das Spiel spürbar beschleunigen. Ich mag es lieber, Regeln zu entfernen anstatt Regeln hinzuzufügen und dies ist so ein Fall.
Des Weiteren versuche ich nun allmählich die Zauberspruchlisten der unterschiedlichen Schulen von der Anzahl her anzugleichen, so dass sich die Liste bei ungefähr ~200 Zaubersprüchen einpendeln wird.
Insgesamt finden nur noch Detailänderungen statt und ich bin guter Dinge, das Version 1.0 Ende des Jahres online gehen kann. 

demnächst werde ich den Charakterbogen aktualisieren.

Das Rollenspiel findet ihr mit freundlicher Unterstützung vom Blog herzliches-rollenspiel.de im Link im rechten Menu oder direkt unter:
http://www.herzliches-rollenspiel.de/hochistgut/Schildwacht_beta0.9.5.pdf

mehr Informationen zu Schildwacht findet ihr hier:
http://hochistgut.blogspot.de/2012/02/selbstgemacht-spieltestversion-von.html


V b0.9.5 (224 Seiten)

Allgemein::
- vereinzelt wurden Widrigkeiten angepasst
- Rechtschreibfehler korrigiert

Fertigkeiten:
- Monsterzutaten: nur 1 mal pro Monster extrahierbar, unabhängig von Erfolg
- Kampferprobte Reittiere mit der Fertigkeit Wissen(Abrichten) ausbildbar
- Begabungspunkte kann man nun auch nach einem Wettstreitswurf einsetzen

Generierung und Steigerung:
- Sprachen wurden in die Generierungs- und Steigerungsregeln aufgenommen
- Neuer Kniff: Erwachter (aka Magiedilletant)
- Waffenwert, Geschwindigkeitsabzug in Behinderung umbenannt

Kampf:
- Angriffsproben sind keine Wettstreite mehr! Diverse Regeln wurden dadurch entschlackt (z.B. kritische Treffer)
- Ausfall ist jetzt eine schnelle Handlung
- Das Betreten eines zweiten Nachbarhex verursacht einen Freiangriff anstatt Betretverbot
- Überraschung (aka hinterhältiger Angriff) ist nun eine Aktion
- Überzahlvorteil wirkt auch in der Verteidigung
- Manöveranwendungen erzeugen keinen W4 VP-Verlust mehr
- Rückschlag ist jetzt eine Kampfoption (schnelle Handlung)
- Niederreiten war zu mächtig: Schaden erzeugt es nun nur noch bei erfolgreichem Angriff

Magie:
- Zauberschäden wie Feuer/Eis/Elektr. sind in den Auswirkungen bei "Zauberspruchwirkung" genauer beschrieben und definiert
- diverse Zauberspruchwerte geändert
- Neue Zauber: Naturgewalten widerstehen, Säubern, Unterwasseratmung
- Berührungszauber nun auch als Freiangriff (Gelegenheitsangriff) möglich

Sonntag, 1. Juli 2012

Karneval der Rollenspielblogs: Online-Hobby Rollenspiel

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen des Karnevals der Rollenspielblogs im Juni 2012
http://forum.rsp-blogs.de/rsp-karneval/das-hobby-online-(juni-2012)/msg7283/#msg7283

Vom Rollenspielnutzen des Internets.
 
Diesen Monat Juni widmet sich der mit wachsendem Erfolg gesegnete Karneval der Rollenspielblogs dem Thema "Das Hobby Online", also der Einfluss des Internets auf das Rollenspiel. Wobei ich die Begriffe nicht unbedacht umgedreht habe. Das "Online-Hobby" hat für mich mittlerweile einen vergleichbar großen Stellenwert eingenommen, wie das Offline-Hobby Rollenspiel. Das Online-Hobby ist der Ort in Foren, Blogs, Podcasts und Vlogs, an dem für mich in Diskussionen, Rezensionen, Spielberichten und Eigenprojekten die entscheidenden Impulse stattfinden, die das Hobby vorantreiben und spielenswerte Inhalte schaffen. Hier ist insbesondere rsp-blogs.de zu erwähnen, wo viele dieser Fäden zusammenlaufen.
Ich wünschte, ich hätte das Internet nicht nötig, aber ich bin auch froh, dieses Trostpflaster zu haben.
Um das zu erklären, hole ich weiter aus:
In den ersten Jahren Rollenspiel zeichneten sich für mich schnell die Möglichkeiten und das Potenzial des Hobbys ab. Die Freiheit von Rollenspiel bezog (und bezieht) sich nicht allein auf die Wahl des eigenen Spielercharakters, sondern auch auf alle anderen Spielaspekte. Ob Regeln, Spielwelten, Geschichten, alles kann man den eigenen Bedürfnissen anpassen. Niemand wird gezwungen mit miesen Regeln in konfusen Spielwelten zu spielen. Der Weg dorthin ist allerdings sehr steinig, kostet eine Menge Energie, Zeit und Nerven und ist zu Beginn von vielen Plagiaten, Fehleinschätzungen und Rückschlägen geprägt. Das Alles ist grundsätzlich kein Problem, bestehen Rollenspielrunden schließlich aus mehreren Personen. In meinen naiven Visionen plante ich daher wie selbstverständlich meine Mitspieler mit ein. Denn schließlich zieht man doch an einem Strang, was könnte man also alles bewegen, wenn man zusammen an einem Projekt arbeitet?
Nunja, gekommen ist es natürlich anders, als geplant. Irgendwann driftete die Spielerschaft in zwei große Lager auseinander. Ich musste akzeptieren, dass es neben den ROLLENSPIELERN auch die rollenspieler gibt. Obwohl sie gleich großes Interesse am Rollenspiel zeigen, sind sie weitestgehend inkompatibel. Erstere sind Spieler der Tat, die Selbermacher, die die Möglichkeiten des Hobbys ausreizen wollen und ihr Spielerlebnis immer weiter optimieren und verfeinern wollen und von der Muse geküsst und von Ehrgeiz getrieben auch zu unchristlichen Zeiten mühselige Arbeiten überwinden. Letztere sind jene, die nicht die Strapazen auf sich nehmen möchten, mehr aus ihrem Hobby zu machen, dafür aber Energie aus der Entspannung und dem Abschalten ziehen. Sie sehen das RPG als Selbstläufer, in das man nichts investieren muss; und hier ist das erste Problem:
Meiner Erfahrung nach sind diese rollenspieler in überwältigender Mehrheit, was nach kurzer Überlegung im Grunde auch nicht verwunderlich ist, streben doch die meisten Menschen den "energieärmsten Zustand" an. Das jemand vom Potenzial eigener Kreationen nicht fasziniert ist und angetrieben durch diese Faszination alle Mühseligkeiten überwindet, kann ich zwar bis heute nicht nachvollziehen, aber muss mich damit arrangieren. Das zweite Problem sind unterschiedliche Ansprüche der wenigen ROLLENSPIELER unter sich. Man muss schon großes Glück haben, um Spieler zu finden, die bereit sind, gemeinsam ein Rollenspielprojekt zu stemmen.
Die interessanten Inhalte bekomme ich daher heute von Usern auf vielen Online-Plattformen, die ich zum Großteil nicht einmal persönlich kenne und mit denen ich höchstwahrscheinlich niemals dasselbe Spiel zusammen spielen könnte, auch wenn die Distanzen der Personen im Web 2.0 spürbar kürzer geworden sind.

Rollenspiel ist ein Gesellschaftsspiel und meine liebste Freizeitbeschäftigung. Dennoch, das Hobby, das ich eigentlich betreiben will, kann ich heute nur zweigeteilt umsetzen. Auf der einen Seite habe ich feste Spielrunden, mit denen man sich regelmäßig trifft, um sein Spielprogramm abzuspulen, sich auch mal gegenseitig Feedback und Kritik gibt, aber ansonsten seinen eigenen Projekten nachgeht. Auf der anderen Seite habe ich das Internetrollenspielhobby, wo die entscheidenden Ideen geboren werden und Diskussionen geführt werden, die mir helfen, meine Offline-Runde überhaupt betreiben zu können.
Das Rollenspiel der Selbermacher mag in den Pionierjahren, in denen es kaum Auswahl gab, noch funktioniert haben, zum Teil auch aus Notwendigkeit, aber durch das große Produktangebot heutiger Zeit, die wenige Freizeit und die vielen anderen Interessen, ist es heute so nicht mehr möglich, wäre ohne Internet womöglich ganz ausgestorben. Dann wären auch aus den Enthusiasten, den Vollzeitrollenspielern von gestern, nichts anderes als die Konsumenten von heute geworden. 
Das Online-Hobby hat also die wenigen, weit verstreuten gleichgesinnten Schaffer, Macher und Rollenspielbegeisterten an einen virtuellen Tisch gebracht und sie davor bewahrt, aus Isolation ihr Hobby, von dem schlussendlich die ganze Spielerschafft profitiert, einstampfen zu müssen.

Und das ist für mich der größte Nutzen des Internets für das Rollenspiel.