Freitag, 16. September 2011

Spieltoleranz - Aber der Herr Somuncu hats doch schon erklärt

Ich bin mal wieder leicht enttäuscht, weil sich meine Erwartungen wieder bestätigen. Es ist häufig nicht so einfach, sich in Forenland, abseits von Refugien, frei über Rollenspiele zu unterhalten.

Jörg.D hatte in einem Rollenspielforum, ich glaube nicht zum ersten Mal, das interessante Phänomen erwähnt, daß es viele Ratgeber für Spielleiter, aber kaum welche für Spieler gibt. Hier in Deutschland ist die Rolle des Spielers ja mit "Couchkartoffel" meist allumfassend beschrieben. Das aber auch der Spieler ein Mindestmaß an Pflichten zu einem erfolgreichen Spielabend hat, das ist noch nicht so weit verbreitet. Über die Punkte will ich mich gar nicht auslassen, mich stört etwas Anderes.
Es ist dabei egal, ob Jörgs Regel gelautet hätte "Kenne die Regeln des Spieles" oder "Haue deinen Mitspielern nicht mit schweren Gegenständen auf den Kopf", die Reaktion darauf musste so oder so lauten: Objektive Beurteilungen von Spielerverhalten sind nicht politisch korrekt, das sei Geschmackssache und jede Runde muss das individuell lösen, um den Spielbetrieb fliessend zu halten. Gerne wird dabei auch mal das wehrlose Wort "Spielstil" missbraucht, denn Stile, die können ja nicht schlecht sein.
Unter diesen Maßstäben falsch verstandener Toleranz, die einfach gar nicht mehr differenziert, leiden theoretische Überlegungen zum Rollenspiel schon länger. An manchen Orten darf man nicht oder traut mancher sich gar nicht mehr, je nachdem wieviele Freiheiten man dort geniesst (Wer entdeckt den Widerspruch?) etwas vermeintlich Intolerantes zu sagen. Es ist verzwickt mit der Toleranz, denn Toleranz heisst nicht automatisch alles zuzulassen. Diese umständliche Differenzierung wird in Internetforen aber gerne mal der Einfachheit halber übergangen, zumindest, wenn es um Rollenspiel geht. Hinter der Rollenspieltoleranz stecken meist gar keine Argumente, sie ist reiner Selbstzweck. Es wird dann manchmal gar nicht mehr darüber nachgedacht, was eigentlich das Anliegen des Themenstellers ist.

Oder mit den Worten des Herrn Somuncu. Der hats nämlich schon gesagt:
Toleranz ist manchmal auch differenzierte Intoleranz
http://www.youtube.com/watch?v=xCqaU-cAi1o&feature=player_detailpage#t=42s

aber dazu muss man auch mal zuhören können.

Ein kleiner Tip: Wenn man sich als Leser nun gar nicht mehr sicher ist, ob man einer Aussage zustimmen darf oder ob man Buh rufen muss, weil die Forenmenge oder die Moderatoren mit der verbalen Toleranzkeule hinter einem stehen (wer findet diesen Widerspruch?), dann kann man sich einfach mal überlegen, ob der Themensteller die Rollenspielgemeinschaft untergraben will oder vielleicht etwas Nützliches schaffen will und es daran bewerten.

In diesem speziellen Beißreflex zum wichtigen Thema "Besserspieler" stecken gleich zwei Gedankenfehler.

1. Objektive Bewertung gibt es nicht beim Rollenspiel.
Rollenspiel ist in erster Linie nur eine gesellschaftliche Veranstaltung und alle Dinge, die das Miteinander erleichtern, sind natürlich erstmal objektiv gut. Mit anderen Worten, man kann sich an den Zielen orientieren, die sich eine Spielrunde setzt und anhand dessen Regeln festlegen. Die sind dann objektiv gut. Regeln, die diese Ziele behindern, die sind objektiv schlecht. Natürlich sollten Regeln auch Freiheiten lassen, aber das ist ja auch wieder eine Regel. Man sollte sich vielleicht manchmal ins Gedächtnis rufen, daß häufig nur die öffentliche Gesetzgebung allein auch im Jahr 2011 die Natur Mensch davon abhält, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen und sich dann zu fragen, wie nützlich Regeln zum Miteinander nun sind, wenn man dies tun dürfte.

2. Man kann das alles ohne Regeln zum Miteinander spielen.
Diese Aussage ignoriert natürlich vollständig, daß die Verfasser die notwendigen Regeln ja schon lange beherrschen und, offensichtlich unwillkürlich, auch anwenden. Man kann sich eben nicht einfach mal so hinsetzen und "irgendetwas" tun. "Irgendetwas" wäre ja die Konsequenz daraus, keine Regeln zu haben. Man braucht Regeln zum Miteinander wie z.B. "Höre hin, wenn jemand etwas sagt". Ja, das schränkt die persönliche Freiheit etwas ein. Was sind wir doch arm dran.

Natürlich macht auch der Ton die Musik. Ob man eine effektivere Spielweise nun unbedingt "der bessere Spieler" nennen muss, sei mal dahingestellt. In diesem Fall schiesst sich Jörg natürlich selber ins Knie. Viele Leute sind nicht in der Lage unter die Oberfläche zu gucken, daher ist man wohl gut beraten, solche Begriffe zu vermeiden. Dennoch ist es meist vergebliche Liebesmühe, bewertende Themen in breiten Foren diskutieren zu wollen, da war nichts anderes zu erwarten.

Wie seht ihr das mit den Toleranzkeulen?
Der Thread im RSP-Blogs Forum

2 Kommentare:

  1. Toleranz finde ich gut. Sehr gut. Aber das heißt ja nicht, dass ich keine eigenen Vorlieben habe, diese auch diskutieren kann und will, oder dass ich Hinz und Kunz bei mitspielen lassen muss. Vielleicht ist das als Blogger auch einfacher statt als Forengänger.

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  2. So lange man die Vorlieben nicht über alles stellt, ist da ja auch gut so. Alles erlauben heisst meist Desinteresse oder Gleichgültigkeit an der ganzen Thematik.
    Da frage ich mich oft, wieso so vehement dort auf Toleranz gepocht wird, wo es unter Umständen gar nicht angebracht ist. Die User schreiben dann zwar "ich lasse andere Leute sich gegenseitig wegmobben, ich bin supertolerant", aber eigentlich meinen sie "Ist mir egal, was die anderen machen".

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