Dienstag, 26. Januar 2010
Die "was wäre wenn" Wiki
Auf Althistory werden fiktive historische und zukünftige Ereignisse als Inspiration für Autoren gesammelt. Und natürlich für uns opportunistische Rollenspieler. Was wäre wenn die Azteken die Spanier zurückgeschlagen hätten, was wäre wenn Hitler Waffenstillstand geschlossen hätte, was wäre wenn unter Hawaii ein Supervulkan ausbricht?
Althistory
Genug Inspiration für zahlreiche Kampagnen oder Settingideen
Samstag, 9. Januar 2010
Falcons Manifest zur Spielbalance
Wenn man beim Thema Rollenspiel die Frage der Spielbalance einbringt, die mir sehr wichtig ist, passiert häufig und zügig etwas sehr Unangenehmes: Man wird in die Ecke des Powergamers* (negativ konnotiert) gesteckt, oder derjenigen, denen die Stimmung des Spiels unwichtig ist.
Also die Ecke der „schlechten Rollenspieler“ für diejenigen, die der Ansicht sind, die Fahne der Spielstimmung am Tisch hoch zu halten, insbesondere dadurch, das ihnen die Spielbalance unwichtig ist. Diese Spieler werden und bezeichnen sich heutzutage häufig als „Stimmungsspieler“ (nicht negativ konnotiert), ohne zu sagen, wie sie diese Stimmung eigentlich erreichen wollen.
Leider sehe ich mich dann genötigt dieser Propaganda frühzeitig einen Riegel vorzuschieben, denn weder hat Spielbalance für mich etwas mit „Powergaming“ zu tun, noch ist mir die Stimmung unwichtig. In der Tat verhält es sich sogar genau gegensätzlich. In meinem Verständnis ist mir die Stimmung sogar wichtiger, als jemandem, der Spielbalance gleichgültig gegenüber steht, eben WEIL ich wert auf Spielbalance lege.
Um mir lange Beiträge in immer denselben Diskussionen aus Mißverständnissen zu ersparen, ist es also angebracht zu erläutern, was ich überhaupt unter Spielbalance verstehe bzw. wieso ich Spielbalance als Voraussetzung für ein stimmungsvolles Spiel sehe.
Die Spielbalance kann sich auf Werte von Ausrüstung, Regelmechanismen und -optionen oder sogar Inhalten der Spielwelt beziehen, sie alle unterstehen dem Prinzip der Selektion (Ich möchte an dieser Stelle auf eine Erklärung des Begriffes verzichten.) Dieses übergeordnete Prinzip wende ich auf alle Rollenspiele und Spielwelten an, die ich benutze. Ich kann mir kein Rollenspiel ohne dieses Prinzip vorstellen, dass gleichzeitig ausgeglichen (balanciert) sein will. Eine angewendete Selektion in der Spielwelt (durch die Regeln) führt zu Konsistenz und diese führt zu tief gehender Spielstimmung (Natürlichkeit). Die Spielbalance kann so gestaltet sein, dass sie eine vorher definierte Selektion erfüllt (Prinzip des Autors) oder eine Selektion kann zur Spielbalance führen, die vorher nicht gegeben war (Prinzip des Spielleiters).
Spielbalance, und damit kommen wir endlich zum Punkt, bedeutet nichts anderes, als dass jede „Sache“ im Rollenspiel (siehe Aufzählung oben) ihr(en) Anwendungsgebiet/Zweck hat, in dem sie besser ist als jede andere oder mindestens gleich gut. Das Wort „jede“ ist dabei entscheidend.
Im Grunde ist damit alles gesagt, aber um Mißverständnisse vorzubeugen sind ein paar Erläuterungen notwendig. Um die Spielbalance zu gewährleisten können sich Autoren diverser Kontrollmechanismen bedienen, die auf den ersten Blick nichts mit der Anwendung zu tun haben, aber genauso Teil der Spielbalance sind.
Diese wären z.b. Verfügbarkeit, Verbreitung, Preis, Zeitlich-räumliche Trennung und vieles andere.
Auf diese Art und Weise kann eine Spielwelt auch augenscheinliche Unausgewogenheiten enthalten, ohne die Spielbalance zu zerstören. Z.b. sind viele Rollenspielautoren der Ansicht, das Katana ist und sei überhaupt die ultimative Klingenwaffe aller Existenzebenen. Nicht selten haben Katanas in jeder Beziehung bessere Werte als eine Waffe in demselben Anwendungsgebiet, was die Alternativen eigentlich obsolet macht. Gekontert wird dies mit einer extrem seltenen Verbreitung und/oder einem sehr hohem Preis, gesellschaftlichen Restriktionen oder sonst irgendetwas, die diese Vorteile wieder ausgleichen, „kosmisch“ gesehen gewinnt man in einem ausbalancierten Spiel also nichts ein Katana zu bekommen, sozusagen. Auf dieselbe Art und Weise funktioniert schlussendlich ja auch unsere Welt, wenn man zum Beispiel an die Unterschiede der 1. und 3.Welt denkt. Nicht viele Rollenspielautoren bemühen sich wirklich dies zu berücksichtigen, was zu inkonsistenten (und damit weniger stimmungsvollen) Spielwelten führt: die Umwelt der Spielwelt verhält sich einfach nicht entsprechend dem Prinzip der Selektion, wirkt unnatürlich, künstlich und unmotiviert.
Diesen Mangel mit dem Argument der Priorität der Stimmung zu verteidigen ist aus diesem, meinem Blickwinkel daher geradezu grotesk. Ein Spieler, der einem anderen vorwirft sich um Spielbalance zu bemühen, dem liegt im Grunde nichts an der Spielstimmung!
Wenn ein Rollenspiel die Spielbalance von selbst nicht liefert, dann steht der Spielleiter, dem Spielbalance und damit Spielweltstimmung wichtig ist, in einer besonders großen Verantwortung, denn er muss dafür sorgen, dass sich die Unausgewogenheiten gemäß der Selektion inhaltlich begründen. Bevor man also ein nicht ausgewogenes Rollenspiel aufgibt und bevor man die Werte und Mechanismen verändert, sollte man schauen, welche Auswirkungen dies auf die Spielwelt hat und ob man bereit ist, in dieser Konstellation zu spielen. Wohlgemerkt, dies geht mit jedem Rollenspiel jeglicher Unausgewogenheit, die Frage ist nur welches Weltprodukt sich daraus am Ende ergibt. Nicht selten ist ein wertetechnich nicht ausbalanciertes Rollenspiel tatsächlich sogar ausbalanciert, weil die spielweltinternen Kontermechanismen nicht immer auf Anhieb ersichtlich sind (dies ist natürlich eine Fehlleistung des Autors). Zu Letzt, weil dies der aufwändigste Schritt ist, wenn einem diese so gestaltete Welt nicht zusagt, sollte man sich Gedanken darüber machen, wie man das Regelsystem ändern kann, so dass sie eine andere, in sich stimmige Welt erzeugt, oder das System wechseln.
„Aber dann ist es ja egal, was ich wähle, da jede Wahl gleich ist“. Das ist natürlich Unfug. Wie gesagt, gibt es für viele Anwendungen die beste Wahl, jedoch ist sie dann mit Nachteilen in anderen Bereichen verbunden, die mit der Anwendung nicht interferieren. Ein Spieler, der zum Beispiel an eine solche Waffe kommt und die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt oder überwunden hat, dem steht diese Spieloption (Katana), die in ihrem Bereich die Beste ist, natürlich zu (denn im Sinne der Spielbalance ist die Waffe ja nicht besser). Gleichzeitig stellt dies für den Spieler eine Leistung dar, die dem Powergameranspruch nicht unähnlich ist, im Gegensatz dazu aber tatsächlich eine Leistung und damit befriedigender ist (sich die beste Waffe aus einer Liste herauszusuchen und diese auf den Charakterbogen aufzuschreiben stellt dagegen niemanden zufrieden – Das dies eine Spaßquelle für viele „nicht Stimmungsspieler“ ist, ist meiner Meinung nach ein weit verbreitetes Vorurteil).
Wer dies nun allein auf Waffen/Rüstungsfragen bezieht liegt falsch, denn dies gilt für alle Elemente der Spielwelt, sei es der Fischpreis oder die Höhe der Berge. Ja, es gilt selbst für Comic oder Pulpwelten, die in sich auch eine Logik besitzen. Auf diese Weise lassen sich sogar gänzlich unterschiedliche Dinge vergleichen in dem man schaut ob sie ihren Zweck besser erfüllen, als eine andere Sache in ihrem entsprechenden Bereich (ich kann also durchaus vergleichen, ob die waffenlose Kampffertigkeit eines Ninjas sich besser in die Spielabalance einfügt als die Seemannstüchtigkeit eines Piraten oder ob der Spieler des Barden gegenüber dem des Magiers übervorteilt ist). Das ist auch der Punkt, an dem viele Diskussionsteilnehmer spätestens den Faden verlieren und auf unpassende Vergleiche verweisen. Und dies ist nicht mit der Verteilung der Erzählrechte zu verwechseln. Ein Spieler, der in einem bestimmten (schlecht abgestimmten) Spielstil nie zum Zuge kommt und die Fähigkeiten seines Charaktersnicht einsetzen kann, kann in der fehlenden Ausgewogenheit eines Rollenspiels trotzdem der stärkste Charakter sein (das Gegenargument vieler Stimmungsspieler ist demnach auch nicht gültig).
Ein ausbalanciertes Spiel vereint damit alle Vorteile seiner angeblich überlegenen Alternativen.
Es erzeugt eine konsistente, damit stimmige Spielwelt. Es erzeugt Fairness, die keinen Spieler übervorteilt, seien es Müßiggänger(Stimmung) oder Strategen(Herausforderung), denn die immanenten Hürden sorgen immer für ein sprichwörtliches Gleichgewicht: Jemand der einen Vorteil haben will, muss sich entsprechend anstrengen, und jemand, der das nicht tut, hat es gleichzeitig einfacher.
Das ist der Grund, warum ein ausbalanciertes Spiel immer einem nicht balancierten Spiel im Vorteil ist, wenn man auf Herausforderung wert legt (sei es beim Charakterbau oder bei Spielhandlungen) und Stimmung (sei es globalpolitisch oder beim Lagerfeuertratsch) und es keinen Grund gibt, bei diesen Ansprüchen die Alternative, ein unbalanciertes Spiel, zu wählen.
Ich kenne keine Spielweise, die in den gegebenen Ansprüchen (Herausforderung/Stimmung) dieser Art von Spiel in irgendeiner Weise etwas voraus hat. Und das es keinen verbreiteten Begriff für diese Art von Spieler gibt, fällt mir nur ein passender Begriff ein:
DER ROLLENSPIELER.
*Powergamer:
Der Begriff Powergamer ist eigentlich eine Müllhalde. Ich verstehe unter Powergamer einen Sammelbegriff von Rollenspielern, denen
- ein hohes Machtlevel in der Spielwelt oder bei ihrem Charakter wichtig ist (homo powergamerensis originalis) und/oder
- die für ihren Charakter die bestmögliche Wertekombination anstreben, um einen Vorteil gegenüber anderen gleich verfügbaren Charakterkonstruktionen erhalten möchten (homo powergamerensis minmaximus) und/oder
- für die Regeloptionen, die ausschließlich Vorteile enthalten ein integraler Bestandteil des Spiels sind (homo powergamerensis lacunosis)
Alle Powergamer bewegen sich dabei immer im Rahmen der Regeln und brechen diese nie (Abgrenzung zum „Munchkin“)
Freitag, 1. Januar 2010
Zwanzigzehn - Was ist geplant?
Ich möchte ungerne spammen, daher nutze ich den ersten Beitrag am ersten Tag des Jahres dazu vorzuwarnen, was ich mir und für unsere Runde im kommenden Jahr vorgenommen habe.
spielerisch:
Bei uns läuft mit Midgard im Moment der etwas gemäßigtere, gemütliche Spielstil mit komplexen Regeln und dichten Spielwelten. Also ein Spielstil, bei dem der Weg das Ziel ist und es nicht Sinn der Sache ist möglichst "viel zu schaffen" und wenig über das Spiel selbst nachzudenken. Metaregeln und andere Experimente zu Plotverläufen und Belohnungs- und Rechteverteilung der Spieler werden da wenig Platz haben. Von der Seite wird es also nichts "modernes" geben.
Der Erfahrung nach währt der Motivationszyklus bei uns 1Jahr, also werden wir uns wohl noch eine ganze Weile dort eingraben. In der Zeit versuche ich darauf zu achten welche Qualitäten und Mängel denn diese Spielweise hat, und wie sie sich gegen "zeitgemäße" Systeme und Spielstile behaupten kann (was sie, denke ich, bei der Mehrheit aller Rollenspieler immer noch tut).
Mit Spannung erwarte ich Savage Worlds-Promythos vom Prometheus Verlag. Womöglich schwenke ich dann wieder zu rasanterer Spielweise um.
schaffend:
Ich möchte auf jeden Fall die angefangenen Bausteine für eine "realistische Fantasywelt" weiterführen, da ich denke, daß es eine Menge hergibt und die, meiner Meinung nach, recht wenig abwechslungsreichen "realistischen" Spielwelten erweitern kann.
Dann möchte ich unbedingt, aber vermutlich erst im Sommer, meine halb fertige (im Moment 76Seiten), natürlich gratis, Savage Worlds Konvertierung in der Science-Fiction Welt von Sternenfaust fertig bekommen. Sternenfaust ist ein Space-Opera-Military-Sci-Fi Szenario von Bastei, irgendwo zwischen Perry Rhodan, Honor Harrington und Star Trek.
Der Fokus liegt dabei auf Ubootkämpfen im Weltraum mit großen Kähnen und Special Ops Einsätzen in Kampfrüstungen.
Den Großteil der Settingregeln machen Weltraumkämpfe über Tausende von Kilometern bei sehr hohen Geschwindigkeiten aus, inklusive Enterregeln. Dazu Planetare und Interplanetare Reiseregeln mit Sternenkarte. In Basteis Vorlage, sowie in meiner Konvertierung gibt es keinen "Speed of Plot".
Für viele wird das vermutlich nicht Savage genug und zu verregelt sein, ich höre das schon jetzt, aber ich bin gerne genau.
Wie immer frisst das (eigentlich ziemlich einfache) Layout und Geschnippel des Artworks am meisten Zeit. Ausserdem besteht die einzige Möglichkeit der Recherche darin, die Heftromane zu lesen, was inhaltlich nicht sehr zielgerichtet ist, während die Welt von den Autoren immer weiter und weiter ausgestaltet wird. Da ich das alleine mache ist das viel Arbeit. Hilfe nehme ich natürlich an.
Natürlich steht dem Ganzen noch die Freigabe durch Bastei im Weg, mit denen ich mich in Kontakt werde setzen müssen. Ich hoffe es vor allem fertig zu bekommen, bevor die Serie (nun bei Heft 128) eingestellt wird ;)
Mal schauen was draus wird.
Ansonsten allen ein erfolgreiches Neues Jahr!
Sonntag, 27. Dezember 2009
Es wird Midgard gespielt oder "Das RHS-Syndrom"
Was treibt eine Runde neugieriger, junger, aufgeschlossener Spieler dazu in diesen Tagen ein Rollenspiel wie Midgard anzufangen und dafür pro Spieler 100Euro zu investieren? Eine Runde, die sich neben DSA4 und GURPS4 auch (mal lang, mal kurz) durch schlankes wie D&D3,5, D&D4, Inspectres, Savage Worlds, Unisystem, HeroQuest oder zwei bis drei leichte Eigenbauten getestet und gespielt hat. Wir waren damals in den 80igern auch nicht dabei, wir haben den Beginn der Simulationswelle nicht mitgemacht (allerdings war sie Ende der 90iger noch gar nicht abgeebbt) und trotzdem "tun wir uns das an".
Über welche Rollenspiele redet man da überhaupt?. Auf Neudeutsch sind das die "Rules-Heavy-Systems" [RHS], Regelschwergewichte hört sich aber viel besser an, also Systeme, die mit besonders vielen Regeln ihre Spielwelt simulieren wollen, dabei nicht spannende, verspielte Mechanismen oder Ressourcenverwaltung im Vordergrund stehen, sondern das Darstellen der direkten Aktionen der Figuren. Das kann in sehr kleinen Schritten geschehen, für die es dann alle einzelne Regeln gibt. Als Unterbau dient meist ein sehr einfacher Probenmechanismus, der dann auch immer als Argument herangezerrt wird, wenn es gilt, die Einsteigerfreundlichkeit zu verteidigen. Zusammen mit diesen Regelschwergewichten kommen meist komplexe Spielwelten, mit jeder Menge Details und Konsistenz, die für das tatsächliche Spiel nicht immer wichtig sind.
Im Tanelornforum wird zur Zeit diskutiert, ob Rolemaster noch Zeitgemäß ist, und der Vorwurf trifft sicher auch Midgard. Eine klassische Kritik ist, daß echtes Rollenspiel (?), das heisst Rollenspiel mit Atmosphäre und dem Ausspielen der Charaktere, nur mit schnellen, leichten Regelsystemen möglich ist, die den Spielfluss nicht aufhalten und/oder verspielte Regelmechanismen besitzen.
Nun, bei mir war es immer anders herum und das trifft auch auf viele meiner Mitspieler zu. Wenn es um dieses ominöse "echte Rollenspiel" geht, greifen wir reflexartig immer zu Regelschwergewichten. Denn je weniger Regeln, desto mehr wird diskutiert, wie sie eingesetzt werden, je spannender und raffinierter der Regelmechanismus, desto unwichtiger wird der Spielinhalt und rückt in den Hintergrund, kurzum man spielt ein Metaspiel, man spielt am Tisch mit Freunden anstatt mit seinem Charakter in der Spielwelt.
Um Rollenspiel mit Ausspielen des Charakters und viel Atmosphäre zu betreiben, brauchen wir eine gewisse Ruhe. Und diese Ruhe bringen diese trägen Rollenspieltanker. Es gibt keine spannenden, nervenzerreibenden Mechanismen, die jemanden aus der Spielwelt holen, keine Diskussion, die nicht mit einem Fingerzeig ins Buch beendet werden kann. Man braucht viel Konzentration und Zeit um sich in die Regeln und die Spielwelt einzudenken. Für viele ist das ein Grund zu sagen, daß sie gar keine Existenzberechtigung haben. Doch mit dieser Ruhe kommt auch die Kraft. Man fängt an, sich die Zeit zu nehmen, die braucht man auch, wenn man die ganze Menge an Informationen adequat handhaben will; und damit werden auch Details automatisch wieder wichtig. Der gehemmte Spielfluss verstärkt das ganze sogar. Die Regeln können nicht viel mehr als die Arme und Beine des Spielcharakters zu bewegen oder für den Spielleiter die Spielweltphysik darzustellen, also MACHT man auch nichts anderes. Das Resultat ist ein gemäßigtes Spiel, in dem auch Zeit ist Atmosphäre aufzubauen oder auch seinen Charakter abseits des Plots zu spielen. Durch die große Fülle der Spielwelten ist der Entdeckerdrang auch sehr hoch, da man nur in einem langen Spielraum alles entdecken kann, was die Spielwelt beherbergt, die Details abseits des Weges sind also in keinster Weise "nicht spielrevelant".
Wenn dagegen Plot, Rasanz und Dramatik im Vordergrund stehen, also ein Spielgefühl, daß man damit vergleichen kann, das Kumpels zusammen am Tisch sitzen und einen Film planen, greifen wir eher zu den leichten Metasystemen. Zusammen mit diesen Systemen kommen dann auch eher oberflächliche Spielwelten, die meist nicht viel mehr bieten, als das, was wirklich gerade gespielt wird und wenig Langzeitmotivation bieten. Für unsere Runde gibt es also tatsächlich Dinge, die schlanke, schnelle Systeme gar nicht können und die Regelschwergewichten in bestimmten Spielaspekten nicht das Wasser reichen können.
Es ist zu schade, daß sie als nicht mehr zeitgemäß gesehen werden, anstatt, daß sich jemand daran setzt, sie wirklich mal zu verbessern. Denn eines sind die Autoren solcher Systeme oft, stockkonversativ und unflexibel, in 15-20 Jahren tut sich bei diesen Systemen häufig nur sehr wenig. Das ist ein Verhalten, daß ich ganz und gar nicht gutheiße. Regelschwergewicht und Innovation, und damit Zeitgeist, MUSS sich nicht ausschliessen.
p.s.:
Demnächst also auch vielleicht etwas mehr zu Midgard im Blog.
Donnerstag, 24. Dezember 2009
Was in aller Welt... sind Gletscherhöhlen?
Es Weihnachtet sehr, es ist frostig kalt und wir haben sogar Schnee. Auch viele Rollenspielrunden zieht es in die Kälte daher bleiben wir thematisch mal im Eis. Hier ein Versuch ein wenig Information und Inspiration zur Spielwelt- und Abenteuergestaltung an einem zufällig rausgegriffenen Naturphänomen zu liefern. System und Settinglos. Die Hintergründe sind detailliert aber zurückhaltend, hoffentlich so, daß sich ein "Simulationist" mit gutem Gewissen zurücklehnen kann. Aber auch pulpige Spielleiter finden vielleicht Anreize. Wenn es nützlich ist möchte ich das Weiterführen, so lange ich auf interessantes, verwertbares treffe.
Wenn es Probleme beim Aufrufen der Links gibt, bitte melden.
Gletscherhöhlen
Räumlich: [Zehner Meter bis Zehner Kilometer]
Vorkommen: Innerhalb von Gletschern (siehe Moteratsch, Big Four, ParadiseCaves, Vatnajökull)
Gefahrenpotential: [hoch gefährlich]
Zeitskala: [Rezent]
Klima: [Eis]
Wer kennt die Rutschpartieszene in der Eishöhle aus Ice Age 1, albern oder? Da kann ein ernsthafter Rollenspieler doch nur abwinken. Nicht wirklich, sie ist vielleicht näher dran als so manches langweilig monotones Eisgefüge, die uns von so manchen "realistischen" Spielleitern vorgesetzt wird.
Das ist eine Gletscherhöhle:
http://static.panoramio.com/photos/original/20445253.jpg
Potresina, Schweiz; Photo hufiz
Es ist ein Phänomen, daß wir heutzutage gehäuft sicher auch Dank des, wie erwartet, gescheiterten Kopenhagener Gipfels zu sehen bekommen und bald für sehr lange Zeit vielleicht nicht mehr wieder.
Es handelt sich dabei um eine Höhlenformation innerhalb des Eises, nicht zu verwechseln mit einer Eishöhle, die eine Höhlenformation in Fels mit Ganzjahreseis darstellt, wobei die Begriffe nicht konsistent verwendet werden. Wie der Name vermuten lässt, treten sie in Gletschern auf, die alles andere sind als ein Klotz von Eis. Die Höhlenerstreckung folgt dabei in der Regel dem Hangverlauf mit dem Austritt im Gebiet des Gletschermundes, dem Ort, an dem das Schmelzwasser aus dem Eis tritt. Die Gletscherhöhlen können sich zu einem System immenser Ausdehnung zusammen schliessen. Das größte gemessene Gletscherhöhlensystem betrug eine Länge von circa 13km, den Paradise Ice Caves im Mt.Rainiers Paradise Glacier in den USA. Die Höhlen können einen Durchmesser von vielen Zehnermetern besitzen.
Der Höhlenverlauf ist in seiner Gesamtheit annähernd Neigungsparallel, jedoch können zahllose senkrechte oder steile Schächte, sogenannte Gletschermühlen und Spalten ins Innere führen. Der Boden der Höhlen muss nicht zwingend auf der Grundmoräne, also auf dem Gesteinsuntergrund liegen, sondern kann mitten durch das Eis führen.
http://glaciercaves.com/html/mount_rainier_photo_19.html
Gletscherhöhle durch den Paradise Glacier; Anderson Jr.
Man muss sich dies in seiner Gesamtheit wie ein Adersystem vorstellen.
http://glaciercaves.com/html/mount_rainier_photo_5.htmlkleiner Ausschnitt des Paradise Ice Caves und Steven Creeks Höhlensystems; Anderson Jr, Vining
Wie entstehen Gletscherhöhlen?
(nicht Simulationisten können das auch überspringen)
Zwei Mechanismen haben besonders viel Einfluss, subglaziale Ablation durch Schmelzwasser, was nichts anderes bedeutet, als das Regenwasser oder Bachwasser sich einen Weg durch das Eis schmilzt und Sublimation, also dem Übergang von Eis nach Wasserdampf.
Ablation durch Regenwasser erfolgt durch Gletschermühlen, diese entstehen, wenn Wasser und Gesteinstrümmer in Spalten eintritt (die aus der Bewegung des Gletschers resultieren) und diese röhrenförmig bis 10m und mehr Durchmesser erweitern. Sie können dabei bis 100m in die Tiefe führen.
http://static.squidoo.com/resize/squidoo_images/-1
Abstieg durch eine Gletschermühle, Grönland; Photo: Carsten Peter
Der Verlauf dieser Mühlen ist oft spiralförmig. Auf ähnliche Weise können Gebirgsbäche eintreten. Dies spielt vor allem im Sommer eine Rolle. In selten Fällen können heisse, vulkanische Quellen auf dieselbe Weise große Hohlräume in Gletschern von unten erzeugen, wie z.b. im Vatnajökull, dem größten Gletscher Islands. Da die Energie aus diesen Quellen weitaus höher ist, kann es dort zu regelrechten Überschwemmungen kommen.
http://science.nationalgeographic.com/staticfiles/NGS/Shared/StaticFiles/Science/Images/Content
Seltsame Formation einer geothermischen Gletscherhöhle, Grönland; Photo Carsten Peter
Im Winter setzt verstärkt Sublimation ein, das Eis geht dabei direkt in Wasserdampf über, dies result aus dem Dampfdruck (der statistische Übergang der Teilchen von fest nach gasförmig) des Wassers/Eises und dem fehlenden Gleichgewicht mit der trockenen Luft. Dabei wird Wärme verbraucht (es wird kalt), es bildet sich ein kalter, gesättigter Luftfilm, der die Höhlenwände auch bei höheren Temperaturen festförmig hält (aus dem Grund bleibt auch Schnee auf den Strassen einige Tage über 0°C liegen). Ein starker Wind in den Höhlen verstärkt den Sublimationseffekt (da der Luftfilm verschwindet).
Normalerweise bleibt das Wasser in sogenannten Linsen gefangen, wenn es keinen Abfluss gibt.
In unserem hausgemachten wärmeren Klima fällt aber nicht nur mehr Regen, die Gletscherzunge zieht sich dadurch auch immer weiter zurück, so daß diese Linsen geöffnet werden und ausfliessen, wodurch wir Zugang zu den abstrakten Eisgebilden erhalten.
Warum bleibt das Wasser überhaupt flüssig? Zum einen liegt das am hohen Auflastdruck des Eises, denselben Effekt kennt man vom Schlittschuhlaufen, bei dem man durch das Körpergewicht auf einem dünnen Wasserfilm gleitet. Zum anderen isoliert sich das Eis selbst ab, aus diesem Grund ist die Temperatur der Inneren Luft nahezu konstant 0° oder knapp darüber.
Eigenschaften (und Gefahren) der Gletscherhöhlen
Die größte Gefahr geht selbstverständlich von ihrer Unbeständigkeit aus. Durch das Abschmelzen der Gletscher kann es sehr schnell zu Deckeneinstürzen oder Abbrechen großer Eisblöcke kommen, insbesondere im Sommer.
http://www.swisseduc.ch/glaciers/morteratsch/ice_cave_2009/index-de.html
Impressionen der Gletscherhöhle Moteratsch; Fotos Jürg Alean
Dadurch geht auch von Außen eine Gefahr aus. Zudem sind die Gletschermühlen und Spalten nicht immer ersichtlich, sie können durch Gesteinstrümmer bedeckt sein. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, daß man in unmittelbarer Nähe zum Gletscher mitunter nicht einmal immer mit Gewissheit sagen kann, ob man gerade auf Felsgeröll steht oder 100Meter Eis unter sich hat.
http://media-cdn.tripadvisor.com/media/photo-s/01/48/b9/43/big-four-ice-caves-near.jpg
Mit Geröll bedecktes Gletschereis, Big Four Ice Caves, Washington; Photo VolkerTV
(nein, ich kenne den dicken Jungen nicht, war nur zu faul ein eigenes Fotos hochzuladen)
In der Schneeschmelze kann zudem ein kleiner subglazialer Ablauf, der nicht mehr als ein Rinnsal ist, zu einem reissenden Strom anwachsen, der alles fortspült, was sich innerhalb der Höhle befindet. Das man auf Eis wenig bis keinen Halt findet, verstärkt die Gefahr natürlich.
Von entscheidender Bedeutung ist die Fließgeschwindigkeit des Gletschers, dieser wird unter Anderem durch die Akkumulation (sprich, dem Ansammeln von Schnee) im Nährgebiet bestimmt, also durch sein Eigengewicht, sowie der Hangneigung und dem unterliegenden Wasserfilm und Untergrund. Die Fließgeschwindigkeit reicht von 30m pro Jahr in den Alpen bis zu 30m pro TAG in Grönland. Durch die Spannungen ergibt sich eine plastische Deformation der Gletscherhöhlen. Zugänge können von einem Tag auf den anderen Verschwinden oder sich öffnen, Verläufe können sich deformieren, so daß man den Ort nicht wieder erkennt. Zudem können Wasserlinsen aufbrechen und in Sekunden Sturzbäche an Wasser freigeben. In manchen Passagen stehen kleine Seen, die man durchtauchen müsstem um in den Gang dahinter zu kommen.
Im Gletscher muss es nicht zwangsläufig dunkel sein. Zwar schluckt das Eis eine Menge des Lichtes (das Blaue kommt am Weitesten), jedoch kann das Gletschereis von bezaubernder Klarheit sein. Der Druck treibt die kleinen Luftblasen, die Eis weiss erscheinen lassen, heraus, so daß man meter tief in den Gletscher hinein schauen und die im Eis, wie im Wasser stehenden, Felsbrocken bewundern kann, aber sich auch wie in einem Spiegelkabinett verirren kann. Der Wind schleift die Wände der Höhlen sehr glatt und formt groteske Gebilde wie Brücken und Bögen, Winkel und Blasen.
http://www.flickr.com/photos/31846328@N04/sets/72157613644568271/
Tellerstrukturen, erzeugt durch Wind, am Eingang der Gletscherhöhle im Moteratsch Gletscher; Photo Marmotta
http://www.flickr.com/photos/dittaeva/3232155932/in/set-72157613043394901/
Natürliche Lichtstimmung im Nigardsbreen, Norwegen; Photo Glutorm FlatabeEinsatz im Rollenspiel
Man muss sich zuerst fragen: Warum sollte man dort hineingehen? Diese Frage stellt sich eigentlich grundsätzlich nicht, wenn man die Gelegenheit dazu besitzt, man muss diese Möglichkeit nutzen, diese Wunderwelt zu betreten, die kaum je ein Mensch zu Gesicht bekommen wird. Aber aus rein nüchternen, praktischen Heldengruppen motivierten Gründen ist dies ein gutes Rückzugsgebiet für angepasste Lebewesen und Monster.
Eine Gletscherhöhle in unserer Zeit wäre nun nichts, in dem sich z.b. ein Drache häuslich einrichten würde, jedoch in größeren, flachen Gletschern oder gerade in eiszeitlichen Umgebungen kann ein Gletscherhöhlensystem als ganzes große Beständigkeit haben. Als echter Lebensraum jenseits vom Mikrokosmos bietet eine Gletscherhöhle nicht viel, phantastische Lebewesen/Monster jedoch unterliegen den natürlichen Einschränkungen nicht. Gletschermühlen (Durchmesser bis 10m) kann man als guter Kletterer als Zugang oder Ausgang zu Höhlen benutzen, selbst wenn sie tief im Gletscher sitzen. Sie müssten ihre Unterkunft regelmäßig wechseln, bevor sie weggleitet oder sich verschliesst. Was immer ein Lebewesen in diesem variablen System versteckt, kann sich sicher, sein, daß sich nur die verrücktesten Helden in dieses Labyrinth wagen.
Gletscher können zudem leichte Passagen Quer über ein Tal darstellen. Was wäre, wenn dort z.b. Reisende in die Gletscherhöhlen einbrechen und von den Helden gerettet werden müssen (oder selber dort hineinfallen).
Für wenige Jahre kann eine frei zugängliche Höhle an der Gletscherzunge jedoch durchaus stabil sein und Zuflucht für alles mögliche Getier bieten und zusätzlich noch zu Fuß leicht zugänglich sein. Da sie gut isoliert sind bieten sie zumindest einen mittelfristigen Unterschlupf vor Stürmen.
Gute Gelegenheiten all die neuen Gefahren seinen Spielercharakteren auf den Kopf fallen zu lassen.
Schlussendlich ists die Einzigartigkeit eines dynamischen Höhlensystems, die eine Abwechslung darstellt, wenn eine Heldengruppe mal wieder unter Tage muss.