Mittwoch, 15. Februar 2012

RSP-Blogs Karneval [Feb2012] - Selber schreiben, Warum? Wie? Weshalb?

Der RPS-Blogs Karneval zum Thema selbstgeschriebene Rollenspiele hat Bergfest und blüht und gedeiht prächtig. Wir haben bereits mehr Beiträge als Februarstage!
http://forum.rsp-blogs.de/rsp-karneval/selbstgeschriebene-rollenspiele-(februar-2012)/

Es scheint, als spricht das Thema doch ein Grundbedürfnis von Rollenspielern an, sich auch in Bezug auf Rollenspielhintergründe kreativ zu betätigen. Bedürfnisse, die gekaufte Rollenspiele in der Regeln nicht befriedigen können.
Das wäre eine Trendwelle, mit der ich sehr gut leben könnte.

Doch welche Gründe können Rollenspieler haben ein Rollenspiel selber zu schreiben? Die Gründe sind sicher zu zahlreich, als dass ich sie hier vorstellen oder überblicken könnte. Aber was ich schreiben kann ist, welche Gründe ich hätte und ein paar Hinweise, die man berücksichtigen könnte oder auch nicht.

Weil man keine Alternativen findet!
Der Wunsch ein Rollenspiel zu schreiben kommt früher oder später, aber voran steht meist der Kontakt mit vorhandenen RPGs. Es werden sicher nur die wenigsten Rollenspieler von sich aus auf die Idee kommen "das Rollenspiel" zu erfinden ohne bislang etwas darüber gehört zu haben. Was dann als nächstes kommt ist wohl die Enttäuschung darüber, dass die vorhandenen Systeme doch nicht die Vorstellungen erfüllen können. Wie sollten sie auch? Eine erfolgreiche Rollenspielrunde besteht aus so vielen Einzelparametern, dass es an ein Wunder grenzt, dass überhaupt jemand mit dem Rollenspiel eines anderen spielen kann. RPGs sind eben keine Brettspiele. Je nachdem in welchem Spielstil man sich bewegt wird die Luft dann auch ganz schnell ganz dünn und es werden einem meist die 3-4 Platzhirsche der Woche um die Ohren gehauen. Selbst ich, der komplexere Regelwerke mag, kommt nur an etwas mehr als ein halbes Dutzend infragekommende Rollenspiele, die unsere Spielrunden alle durchprobiert haben. Und wenn diese die Wünsche nicht erfüllen, dann heisst es nur: Selber ran oder gar nicht spielen.
Und die Entscheidung ist dann leicht.

Weil ich Regeln mag, aber nicht gerne Regeln LERNE!
Ja, eigentlich mag ich es nicht, wenn Regeln mich am Spielbetrieb hindern. Ich benutze Spielregeln nicht aus Selbstzweck, sondern weil ich meine Charakterhandlungen mit ihnen darstellen möchte. Allen Versprechungen von Entwicklern von "Anfängerrollenspielen" zum Trotz benötigt man aber Jahre um so virtuos mit einem Rollenspiel - Regeln wie Spielwelt - umzugehen, dass es sitzt wie eine schlechte Angewohnheit. Das man sich also gar keine Gedanken mehr über die Spielregeln macht, während man sie korrekt anwendet. Warum sollte jemand diese Zeit investieren für ein vorgefertigtes, oft sogar unmodifizierbares Rollenspiel, wenn gar nicht sicher ist, ob er damit überhaupt zurecht kommt?
Auch hier ist die Antwort leicht.

Weil man seinen Spielstil reflektiert und Selbstdisziplin übt!
Schon bei kleinsten Rollenspielkomponeten muss man sich beim Schreiben zwangsläufig Gedanken über deren Funktion machen. Diese Gedanken führen zur Frage was man eigentlich möchte und dann zu den Entscheidungen, was eigentlich notwendig ist, um die Wünsche zu erfüllen. Selbst, wenn dieses selbstgemachte Rollenspielprojekt scheitert, so lernt man dennoch dazu. Meinen ersten Rollenspielversuch habe ich in der Halbzeit auch in der Schublade verschwinden lassen. Und doch lernt man seinen Spielstil zu hinterfragen und wenn man besonders engagiert ist, kann man noch Kenntnisse über notwendige Software, über das Schreiben an sich oder das Abarbeiten von Fleißarbeit lernen ohne das besonders viel auf dem Spiel steht. Ein Spiel schreiben ist Arbeit, viel Arbeit und es kostet noch viel mehr Zeit, machen wir uns nichts vor, aber an den Mühen, die man auf sich nimmt, erkennt man, wie wichtig einem das Hobby ist.


Nun hat man die Entscheidung getroffen ein eigenes Rollenspiel zu schreiben, man hat sich sogar Gedanken über ein Konzept gemacht, doch worauf muss man denn nun achten? Ein paar Punkte, die ICH wichtig finde:

Man muss Nichts neu erfinden!
Eine Zeit lang war es en vogue, dass jedes neue Rollenspiel gleich eine Independentbewegung auslösen musste, um beachtet zu werden. Je kruder und abstruser, desto besser. Doch das ist Quatsch. Nichts gegen "Fortschritt", wenn man es so nennen will, aber es ist ein Unterschied, ob ich ein Rollenspiel schreibe, um damit zu spielen oder ob ich eines schreibe, um die Rollenspielwelt neu zu erfinden. Das muss man sich klar machen.
Es gibt so viele getestete, zuverlässige und etablierte Methoden, es ist keine Schande sich daraus zu bedienen, vor allem, wenn man im Hinterkopf hat "Ich will einfach nur spielen, dieses Schreiben ist nur die Hürde zum Ziel". Ich würde kein Rollenspiel des Schreibens wegen schreiben, sondern, um es mit anderen Leuten zu benutzen.

Lern Mathe!
Falls das Rollenspiel Zahlen und Zufall verwendet, und die meisten werden das wohl, dann sollte man sich ein wenig mit den grundlegenden Wahrscheinlichkeitsrechnungen auskennen. Es ist verführerisch ein Regelsystem der Marke "Fertigkeit+Attribut+W6 gegen Mindestwert" zu schreiben und dann zu meinen, man hätte das Rollenspiel halb im Sack. Ich denke, wir haben alle mal gedacht, dass es so einfach ist. Wenn man dann aber selbst nicht weiß, wie wahrscheinlich welches Ergebnis ist, dann kann es passieren, daß das Rollenspiel nicht die Ergebnisse produziert, die man möchte ohne überhaupt zu wissen wieso.
Man muss sich einfach nur fragen, was ein Zahlenwert in einer bestimmten Höhe aussagen soll und wie sich eine zweite Zahl dazu verhalten soll und das Ganze hochrechnen. Man muss sich fragen, ob Zahlen für alle NSCs gleichermaßen gelten oder nur für Spielercharaktere wichtig sind. Ist 10 der Grundwert der Stärke? Ist 50 dann 5mal so stark oder soll es vielleicht sogar 100mal so stark sein? Und wie bringe ich so eine große Spanne mit einem kleinen W6 in Verbindung?

Eine klare Regelsprache nutzen!
Das ist so wichtig. Rollenspielregelwerke sind keine Romane! Die Lyrik kann man sich auch für die Spielweltbeschreibung aufheben, die ja durchaus zum selbstgemachten Rollenspiel dazugehört. Aber in Regeln hat so etwas nichts verloren. Regeln müssen widerspruchsfrei sein. Man kann nicht in einem Satz schreiben "Verteidigungspunkte", im anderen "Abwehr" und 10 Seiten weiter "Deckung" und immer dasselbe meinen. Man kann nicht schreiben "Sie [Anm.: die magisch beherrschte Person] bleibt untätig, solange der Zauberer ihr nicht mit genauen Worten beschreibt, was sie zu tun hat", wenn man nicht erläutert, was man damit eigentlich meint. Manchmal ist weniger auch mehr. Solch' Palaver hilft nicht, es behindert!
Wie kontrollieren, mit wieviel Worten?
Muss ich jede Gelenkbewegung beschreiben oder genügt, "heb's auf"?
Versteht sie meine Sprache?
Kann ich auch Handzeichen benutzen?
Kann die Person selbst atmen oder erstickt sie?
Muss ihr jeden Atemzug beschreiben?
Kann ich mehrere Personen gleichzeitig mit einer Beschreibung befehligen oder muss ich jeden einzeln ansprechen?
Kann sich der Kontrollierte an die Beherrschung erinnern?
Heisst untätig, dass die Person zu Boden fällt, wie ein EpisodeI Droide?
...
Ich könnte die Frageliste den ganzen Tag lang mit spielrelevanten Fragen weiterführen. Die obige Textstelle war übrigens ein Zitat aus dem Arkanum von Midgard4, welches voll von solchen Sätzen ist. Ein Buch, wofür "Autoren" Geld verlangen!
Wenn man sich angewöhnt Regelbegriffe immer wieder zu wiederholen und konsequent zu benutzen, hat man auch einen ganz anderen Blick auf Spielregeln und man lernt, aus unterschiedlichen Perspektiven zu sehen und die Fehler und Lücken zu finden, auch in fremden Regelwerken. Und das hilft wiederum Widersprüche auszuräumen, so daß andere Leser die eigenen Regeln auch benutzen können. Es gilt immer: Deute nicht an was du meinst, sondern SCHREIBE was du meinst.

Das Layout sollte gut lesbar, aber einfach sein!
Eigentlich ein No-Brainer aber man kann den Aufwand leicht unterschätzen. Man sollte nicht mehr als drei unterschiedliche Fonts benutzen. Der Fließtext muss unbedingt in einem klassischen Font geschrieben sein (habe mir sagen lassen Adobe Garamond ist "in"). Der Text und Hintergrund, so vorhanden, sollte einen guten Kontrast haben, wenn Farben vorkommen mag ich z.B. anstatt weiß Beigetöne + Schwarz (siehe dieses Blog).
Das Rollenspiel Legends of Zir'an hatte zum Teil silbernen Text(!) In serifenreichem Schriftfont(!!) auf, festhalten, grauem Hintergrund(!!!) Und auch für dieses Rollenspiel haben Menschen Geld verlangt (ja, ich weiß, dass es ein "Druckereifehler" war).
Zweispaltigkeit bietet sich häufig an, nicht nur, weil man Text so schneller überfliegen kann, was bei Regelsuchen besonders wichtig ist, sondern weil Rollenspiele oft Tabellen benötigen, aber längst nicht alle Tabellen benötigen eine ganze Zeile und wenige Spalten auf jeweils eine Zeile auszustrecken ist Platzverschwendung. Den Text wiederum um schmale Tabellen herumzuführen ist zu verspielt und behindert den Lesefluss. Sollten wirklich breite Tabellen vorkommen, kann man einfach einzelne oder halbe Seiten einfügen, die einspaltig sind.

Der Stil sollte aus einem Guss sein!
Wenn es nicht gerade zum Konzept passt einen völlig chaotischen Eindruck zu hinterlassen, dann sollten Farbgebung und Artwork und Layout aus einem Guss sein. Es ist sicher reizvoll sich Erlaubnisse unterschiedlicher Zeichner einzuholen, weil einem deren phantastische Bilder gut gefallen. Nur, wenn man sie zusammenfügt, herrscht nicht nur Geschmacksverwirrung, der Leser bekommt auch kein Gefühl mehr für den Spielstil. Gerade manche Earthdawn Bücher hinterlassen da einen katastrophalen Eindruck, von Jeff Laubenstein (top!) bis hin zu grausigen, No-Name Magazeichnern. Auch in DSA halten die Diskussionen an, ob Aventurien nun Yüce oder... irgendjemand anderes, unbekannteres sein soll (psst, die Antwort ist Yüce!).
Ja genau, Bilder sind nicht allein Selbstzweck, sondern sollten den Inhalt und die Stimmung des Rollenspieles unterstützen und transportieren. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Aus dem Grunde, obwohl ich wirklich nicht besonders gut zeichnen kann, mache ich die Bilder für mein RPG alle selbst, wobei mir die Zeit fehlt, um ausreichend viele zu produzieren. Ich würde es auch jemand anderem, talentierteren überlassen aber das führt uns zum vorletzten Punkt.

Du schaffst es nicht alleine!
Mal außen vorgelassen, dass man ein Rollenspiel sowieso nicht alleine spielen kann; es gibt Dinge, bei denen man auf Mithilfe angwiesen ist. Fehlerlesen ist so ein Aspekt, gerade, wenn man nicht geübt ist längere Werke zu verfassen (wie wohl die meisten von uns), ist es unmöglich, alle Fehler selbst zu finden. Ein anderer Aspekt ist Testspielen und Gegenlesen. So gut man sich auch in andere Spieler versetzen können mag, alle Punkte kann man nicht beachten und viele offensichtliche Fragen tauchen bereits nach wenigen Minuten Testspielbetrieb auf, die man nach Wochen im Blindflug gar nicht mehr beachtet hatte. Zuletzt ist da natürlich der Rückhalt und die Unterstützung (wenn man das Glück hat) der Mitspieler. Doch man sollte nicht erwarten, dass einem jemand anderes die Arbeit abnimmt. Die Maxime ist weitermachen, immer weitermachen, früher oder später wird das Umfeld darauf aufmerksam und spätestens wenn der Punkt überschritten ist, an dem andere Personen den Eindruck haben, selber nichts mehr tun zu müssen, werden sie bereit sein, einen Blick darauf zu werfen.
Aus dem Grund würde ich ein RPG erst präsentieren, wenn es schon wirklich viel zu sehen gibt. Was wiederum zum letzten Punkt führt.

Sei flexibel, selbstkritisch und wirf alles über den Haufen! Dann fange neu an!
Man kann viel Material vorlegen, das heisst aber nicht, das ein Großteil des Materials den Kontakt übersteht. Natürlich ist nicht jedes selbstgemachte Rollenspiel für die ganze Rollenspielzunft gedacht und ein wenig würde das auch der Natur eines selbstgeschriebenen RPGs widersprechen, aber schlussendlich möchte man es ja mit anderen spielen.
Man muss sich klar sein über die Ziele, die man verfolgt, aber beim Weg dorthin, da muss man flexibel sein. Zeigt sich, daß ein Kampfsystem auch nach 10 Mal testen noch nicht funkioniert oder haben die Mitspieler den Probenmechanismus auch nach dem 20. Mal nicht begriffen, dann ist es an der Zeit, es anders zu versuchen. Das heisst nicht, daß man seine Prinzipien über den Haufen werfen muss, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass man einen kapitalen Fehler gemacht hat, den es zu finden gilt.
Dasselbe gilt für die Reaktion auf Kritik. Kritik ist das Wichtigste am ganzen Projekt und sollte immer berücksichtigt werden, aber denke daran, dass du derjenige bist, der sich am besten mit deinem eigenen Rollenspiel auskennt. Eine Kritik wie "das ist zu komplex" ist wenig wert, wenn das Spiel komplex sein soll. Stelle sicher, daß jeder Kritiker die Intentionen und Konzepte hinter den Regeln versteht. Das ist deine Verantwortung. Erst dann ist es möglich, die Regeln zu kritisieren, von groben Schnitzern einmal abgesehen.


Sicher kann ich einige Punkte davon nicht erfüllen. Layout habe ich weder gelernt, noch macht es mir Spass. Ich schreibe hin und wieder Nebensätze ohne Mehrwert. Und zur Zeit macht mir Lektorat mehr Sorgen als Regelfragen. Aber mehr als sein Bestes geben kann man nicht und so lange man selbst mit dem Rollenspiel zufrieden ist hat man das Wichtigste Ziel so eines Projektes bereits erreicht.

2 Kommentare:

  1. Schöner Rundumschlag.
    Und schön, dass es so viele Beiträge zum Karneval gibt; hätte ich nicht damit gerechnet.

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  2. erstaunlich, wieviel da zusammenkommt.
    Schade, das März dann schon alles vorbei ist ;)

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